Vom alten zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt: Stuttgart 21, das nach wie vor die Gemüter bewegt. Die nach der Kostenexplosion von Ihnen geforderte Sitzung des Lenkungskreises hat noch immer nicht stattgefunden. Fühlen Sie sich von der Bahn als Projektpartner ernst genommen?
Die Bahn tut sich erkennbar schwer mit Lenkungskreissitzungen, weil sie dort die Frage beantworten muss, ob die Zahlen und Prognosen stimmen, die der Kostensteigerung zugrunde liegen. Ich finde den Beschluss des Aufsichtsrats, Mehrkosten über dem Limit von 4,5 Milliarden Euro einklagen zu wollen, nicht besonders glücklich. Mein Satz, dass man einen Bahnhof nicht vor Gericht bauen kann, bleibt bestehen. Ich möchte nochmals betonen, dass die Stadt nicht mehr zahlt als vertraglich vereinbart. Aber die Bahn hat Baurecht, und es gibt im Gemeinderat eine Zweidrittelmehrheit der Befürworter. Ich als OB werde das Projekt konstruktiv begleiten, der Bahn aber kritisch auf die Finger schauen. Ob S 21 ein Stuttgarter Wahrzeichen wird, wird die Geschichte weisen.

Ministerpräsident Kretschmann sagt, Stuttgart 21 sei nach dem Aufsichtsratsbeschluss unumkehrbar. Sehen Sie das auch so?
Ich will darüber nicht philosophieren. Auf Bahn-Seite hat die Entscheidung des Aufsichtsrats eine gewisse Klärung gebracht, die sich aber später schwierig auswirken wird. Die Bahn hat angekündigt, dass sie alle Formen des von ihr konstatierten behördlichen Schwergangs protokollieren wird. Umgekehrt werden Land und Stadt natürlich auch Protokolle über die Ursachen für Verzögerungen anfertigen. Anders gesagt: wenn hinter jedem Bagger zwei Juristen stehen, wird nicht gut gebaut. Und die Klagedrohung ist sicher nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Eines Ihrer wichtigsten Themen im OB-Wahlkampf war der Kampf gegen Feinstaub. Wann legen Sie Ihr Konzept vor?
Wir haben uns vorgenommen, bis zur Sommerpause ein Verkehrskonzept vorzustellen, das Maßnahmen gegen Feinstaub und Stickoxide enthält. Beides sind schädliche Substanzen für den Menschen. Dazu gehört auch das Thema Stress durch Staus. Ziel ist es, mittelfristig die Anzahl der Autos, die im Stadtkessel unterwegs sind, um 20 Prozent zu reduzieren. Dazu gehört auch ein differenziertes Tempolimit. Das hat nichts mit Abbremsen des Verkehrs zu tun. Unser Ziel muss es vielmehr sein, den Verkehr zu verflüssigen. Zum Konzept gehört auch der Ausbau der Radwege, die Ausweitung des Parkraummanagements sowie die Forcierung der Elektromobilität. Und schließlich brauchen wir mehr Verkehr auf der Schiene und in Bussen.

Sie sind am 17. April exakt 100 Tage im Amt. Welches war denn bis dato Ihr schönster, welches Ihr unangenehmster Tag als OB?
Die vielen Gespräche mit den Bürgern zähle ich zu den schönsten Erlebnissen im Amt. Ich spüre, die Leute wollen einen OB, der stehen bleibt und mit Ihnen schwätzt. Am unangenehmsten war sicher die Schließung des Fernsehturms. Aber der Tag seiner Wiedereröffnung wäre ein schöner Tag für Stuttgart und für mich.