In Handschellen wird der Korrespondent der Stuttgarter Zeitung abgeführt, als er über die Unruhen in Ferguson berichten will. Als der Autor den verantwortlichen Polizisten nach seinem Namen fragt, antwortet dieser: "Donald Duck".

Ferguson - Officer Amero erklärt um 14.40 Uhr die Pressefreiheit für beendet. Die beiden Journalisten, die auf dem Bürgersteig der Florissant Avenue einer ausgebrannten Tankstelle entgegen laufen, bewegen sich für seine Begriffe zu langsam. Einer aus Ameros Trupp ruft den beiden, Ansgar Graw von der „Welt“ und mir, in knappem Befehlston zu, nicht stehen zu bleiben. Auf die Frage nach den Gründen wiederholt er nur stur seine Order, während ein freundlicherer Kollege immerhin erklärt, dass man keine Menschenansammlungen wolle. Im nächsten Moment lässt Officer Amero einige Beamte mit Plastikhandschellen anrücken.

 

Sie verbinden uns die Hände auf dem Rücken, zerren das Plastikband so fest, dass es tief in die Handgelenke schneidet. In der fensterlosen Kabine eines Polizeitransporters geht es zu einer Shopping-Mall, die den Ordnungshütern als provisorische Einsatzzentrale dient. Von dort aus geht es im nächsten Polizeiwagen ins Buzz Westfall Justice Center, ein Gefängnis in Clayton, einem Vorort von St. Louis. Bei uns im Wagen sitzen Lou und David, ein ergrauter Altlinker und ein afroamerikanischer Teenager, beide aus Chicago, beide sind drei Häuserblöcke entfernt festgenommen worden, warum auch immer.

Ein Foto für die Verbrecherkartei

Für uns gilt: Gürtel abgeben, Schnürsenkel aus den Schuhen entfernen, Hosentaschen nach außen krempeln. Bei einer kurzen medizinischen Untersuchung misst eine Krankenschwester unseren Blutdruck und fragt, ob man Selbstmordgedanken hege. Alles streng nach Protokoll. Schön aber auch: die Frau lässt feinen Humor erkennen, als ich eine leicht sarkastische Antwort gebe. Und als sich der Ehering partout nicht über den Fingerknöchel ziehen lässt, sagt ein Aufseher, dass man dann eben mit dem Ring am Finger in eine Einzelzelle müsse. Also nicht in den großen Saal mit den drei Fernsehbildschirmen, wo die anderen darauf warten, bis der Fall bearbeitet ist. Irgendwann besinnt sich der Beamte eines Besseren, bevor sich, drei Stunden später, die Türen des Knasts öffnen.

Wenigstens weiß ich jetzt, wie man sich für einen „Mugshot“ hinstellen muss, ein Foto für die Verbrecherkartei. Einmal geradeaus in die Kamera blicken, ein zweites Mal schräg nach links, auf einen roten Punkt an der Wand. Der Vorwurf, das erfahren wir zwischendurch, lautet: „Weigerung, sich zu zerstreuen“. Er ist genauso bizarr wie die Umstände: denn bis auf die beiden Reporter und ein halbes Dutzend Polizisten hielt sich an Montagnachmittag keine Menschenseele an besagter Tankstelle auf. Die Sonne schien, es war heiß, ruhig und friedlich, nirgendwo flogen Steine. Der Name Amero, er taucht übrigens nur im Festnahmeprotokoll auf. Als wir nachfragen, nennt er sich Donald Duck.