Nachdenken über Nahrung und Ernährung: Leserinnen und Leser der Stuttgarter Zeitung haben sich bei der StZ-Sommerferienaktion in Fellbach bei der Triennale Kleinplastik Denkanstöße geben lassen – und zum Abschluss Kartoffelsuppe gegessen.

Fellbach - „Mir brauchet koi Kunscht, mir brauchet Grumbiere“ – rief 1827 der Abgeordnete Damian Mosthaf empört im Landtag. In Württemberg herrschten schließlich Armut, Wohnungsnot, Hunger. Und so ist die Sammlung kostbarer Meisterwerke, um deren Kauf es damals ging, nun in München statt in Stuttgart zu bewundern – denn statt des württembergischen Königs griff sein bayerischer Kollege zu.

 

Bis heute sei die Frage „Kunst oder Kartoffeln?“ ein aktuelles Thema: „Städte und Gemeinden müssen sich immer wieder überlegen, was sie sich leisten können und wollen“, sagte Christa Linsenmaier-Wolf, die Leiterin des Kulturamts der Stadt Fellbach, bei der StZ-Sommerferienaktion. Fellbach lässt sich die Triennale Kleinplastik alle drei Jahre 270 000 Euro kosten – gut investiertes Geld, denn die Ausstellung hat sich zu einem international beachteten Forum für zeitgenössische Skulptur entwickelt, mehr als 15 000 Besucher kamen zur Schau im Jahr 2013. Bei der laufenden, inzwischen 13. Auflage konnten nun Leserinnen und Leser bei einer Führung Blicke hinter die Kulissen werfen.

Das Thema Ernährung ist wichtiger denn je

Fast nichts, was heutzutage häufiger diskutiert wird, als die Ernährung. Das Thema drängte sich somit auch für die Triennale auf, das diesjährige Motto lautet „Food – Ökologien des Alltags“. Bevor Heribert Sautter, der stellvertretende Kulturamtschef und Leiter der Galerie der Stadt Fellbach, in der Alten Kelter erklärte, was sich dahinter verbirgt, ging es für die Leserinnen und Leser ins Stadtmuseum. Eine Sonderausstellung beschäftigt sich dort mit der Knolle, die für die Welternährung über die Jahrhunderte so wichtig geworden ist.

Heute scheine uns die Kartoffel selbstverständlich, sagte Ursula Teutrine, die Leiterin des Museums. Etabliert hat sie sich hierzulande allerdings erst im 18. Jahrhundert. Auch wenn der Konsum zurückgegangen ist – „der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Deutschland bei etwa 70 Kilo, 1950 waren es noch 180 Kilo“, so Teutrine – von unserem Speiseplan ist das Gemüse nicht mehr wegzudenken: als Bratkartoffel, Pellkartoffel, Pommes – „und nicht zu vergessen als schwäbisch-schmatziger Kartoffelsalat“, wie ein Leser schmunzelnd anmerkte. Eine Leserin begutachtete derweil den Glaskasten mit Kartoffelkäfern. „Noch vor 40 Jahren waren die Schädlinge eine Bedrohung für die Ernte“, ergänzte die Museumsleiterin. Auch in Fellbach seien Schulklassen auf den Äckern zum Absammeln der Tierchen eingesetzt worden.

Die Tomaten schwimmen und tanzen

Keine Kartoffeln, dafür Tomaten standen beim ersten Werk der Triennale-Führung im Mittelpunkt: Der Japaner Shimabuku lässt die Nachtschattengewächse in Aquarien schwimmen, dem Betrachter bietet sich eine Art Unterwasserballett. „Sieht poetisch aus“, sagte Heribert Sautter. „Ist aber ein Saug’schäft.“ Die Erklärung: „Wir müssen das Gemüse alle zwei, drei Tage austauschen.“ Bis zu drei Kilo Tomaten werden dann jedes Mal weggeworfen – was laut Sautter als Synonym für unsere Wegwerfgesellschaft gedeutet werden kann. Das Oberthema der Ausstellung ist schließlich Ernährung. Die mehr als 40 teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler reflektieren das Thema in seinen sozialen, politischen, ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen.

Für den vereisten Tisch war Tüftelarbeit nötig

Der Inder Subodh Gupta etwa fertigte sein Werk „I See Supper“ extra für die Fellbacher Schau. Auf einem gedeckten Tisch ist noch die Opulenz des zuvor servierten Mahls zu erahnen: „Die Mehrheit der indischen Bevölkerung jedoch könnte sich so ein Essen nie leisten“, erläuterte Sautter. Der Tisch ist mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Doch damit dies funktioniert, war Tüftelarbeit nötig. „Wir haben zum Beispiel dieses Podest bauen müssen, damit wir die Kühlaggregate unterbringen konnten“, so Sautter. „Kein Werk, das man sich daheim hinstellen würde, aber es regt zum Nachdenken an“, kommentierte die Leserin Claudia Burckhardt (52) aus Remseck, der wie Wilma Romeis (62) aus Stuttgart auch die fragilen Nester gefielen, die der Berliner Künstler Björn Braun in seinem Atelier von Zebrafinken bauen lässt.

Ein Hingucker ist zudem die 97 Meter lange, 30 Meter breite Alte Kelter selbst – „ein beeindruckendes Gebäude“, so die Leserin Erika Rücker (64) aus Stuttgart. Das Gebälk wurde auf Wunsch der diesjährigen Kuratorin Susanne Gaensheimer, der Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, mit einer Zeltkonstruktion aus weißem Stoff abgehängt. „Mit den riesigen Bahnen können wir allerdings nach der Triennale nichts mehr anfangen. Sie einzulagern käme zu teuer“, sagte Sautter. Nach gut drei Stunden so fachkundiger wie humorvoller und unterhaltsamer Führung ging es zum Ausklang in die Vinothek in der Alten Kelter, wo der Bogen zurück zur Ausstellung im Stadtmuseum geschlagen wurde: Das Team von Wirtin Hanne Petzold servierte eine sämige Kartoffelsuppe und zum Dessert Süßkartoffelscheiben mit Ziegenfrischkäse und Beeren.

Da waren sich die Leserinnen und Leser dann einig: Kunscht plus Grumbiere, das ist doch die beste Kombination.