Eine neue Studie der StZ hat ergeben, dass Befürworter und Gegner von Stuttgart 21 die Finanzen ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen.

Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 scheidet die Geister – vor allem wegen der Kosten. Allerdings stehen für Befürworter und Gegner des Projekts jeweils unterschiedliche Summen im Vordergrund. Bei den Befürwortern sind es die Kosten für einen Ausstieg aus dem Projekt, die Gegner befürchten hingegen, dass der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro nicht halten wird. Das zeigt die jüngste Umfrage der Meinungsforscher von Infratest dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des Südwestrundfunks (SWR).

 

Die Frage zum Abstimmungsverhalten am 27. November lautet: „Werden Sie dafür stimmen, dass das Land aus der Finanzierung von Stuttgart 21 aussteigt?“ 55 Prozent der 2402 Befragten antworten mit Nein, sind also für den Weiterbau. 45 Prozent sagen Ja zum Ausstieg und damit Nein zum Weiterbau. Die regionalen Unterschiede sind dabei eher gering. In Stuttgart lautet das Kräfteverhältnis von Befürwortern und Gegnern des Projekts 51 zu 49 Prozent, ist also denkbar knapp. In der Region sowie aufs ganze Land gesehen steht es jeweils 55 zu 45 Prozent.

Wie begründen die Befragten ihr Abstimmungsverhalten? Wichtigstes spontanes Argument der Befürworter von Stuttgart 21, die gegen einen Ausstieg aus dem Projekt stimmen, sind die Ausstiegskosten. 43 Prozent sagen, dieses Argument sei für sie besonders wichtig. Es folgt die Annahme, dass Stuttgart 21 zu mehr Arbeitsplätzen führe. An dritter Stelle liegt die bessere Anbindung des Flughafens und die Einbeziehung in das Schnellbahnnetz.

Bei den Gegnern von Stuttgart 21, die für eine Kündigung der Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21 stimmen, steht die Erwartung im Mittelpunkt ihrer Überlegungen, dass es beim Bau zu einer Kostenexplosion kommt. Das sagen 72 Prozent der Projektgegner. Danach folgen die Aussagen, der neue Bahnhof bringe zu wenig, für andere Projekte fehle dann in den kommenden Jahren das Geld.

Die Demoskopen legten den Befragten außerdem noch eine Reihe von vorgegebenen Argumenten gegen Stuttgart 21 vor, um die Motive für das Abstimmungsverhalten zu ermitteln. Besonders breite Zustimmung fand dabei die Feststellung, der Bahnhofsneubau werde jahrelang zu einer Großbaustelle führen. 82 Prozent stimmten dem zu. Bei den Argumenten für Stuttgart 21 fanden mit jeweils 66 Prozent die Aussagen Zustimmung, es entstehe ein attraktives neues Stadtviertel und Stuttgart 21 schaffe viele neue Arbeitsplätze.

Wahlbeteiligung wird hoch ausfallen

Die Wahlbeteiligung wird nach Ansicht der Demoskopen relativ hoch ausfallen – gemessen an den bisherigen Erfahrungen bei Volksentscheiden in Deutschland. Beim Volksentscheid über den Nichtraucherschutz in Bayern lag sie bei 38 Prozent. Am höchsten dürfte die Wahlbeteiligung demnach – wenig überraschend – in Stuttgart ausfallen, wo 60 Prozent erreicht werden können. In der Region werde sie etwas niedriger ausfallen, deutlich niedriger im übrigen Baden-Württemberg. Der Kehler Verwaltungsrechtler Roland Geitmann hat errechnet, dass bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent die Gegner von Stuttgart 21 etwa 55,5 Prozent erreichen müssten, um das Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten zu knacken.

In diesem Fall wäre das Gesetz zur Kündigung der Finanzierungsverträge angenommen und müsste von der Landesregierung auch umgesetzt werden. Nach Beobachtung der Demoskopen von Infratest dimap sind die Mobilisierungschancen auf Seiten der Gegner von Stuttgart 21 stärker ausgeprägt. Das Interesse am Ausgang der Abstimmung sei in diesem Lager größer.

Zu den Unwägbarkeiten bei der Volksabstimmung zählen die Demoskopen den Stimmzettel und die ihm zugrunde liegende Fragestellung. Diese lautet: „Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ’Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz) zu?“ Nur 20 Prozent der Befragten halten die Fragestellung für verständlich, 79 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Übrigens gilt diese Einschätzung parteiübergreifend – mit Ausnahme der FDP-Anhänger, von denen 41 Prozent sagen, sie hätten kein Problem damit. Jeder Zehnte, so haben die Meinungsforscher festgestellt, weiß nicht genau, wofür die Ja- oder Neinstimme zählt, und immerhin jeder Sechste (17 Prozent) gehe sogar fälschlicherweise davon aus, dass die Jastimme den Weg ebne für den Weiterbau des Bahnhofs.

Aufschlussreich sind auch die Antworten auf die Frage: „Sind Sie der Meinung, dass das ganze bisherige Entscheidungsverfahren über Stuttgart 21 demokratisch war?“ 30 Prozent der Befragten halten es für „ganz und gar demokratisch“ oder „eher demokratisch“. Weitere 30 Prozent plädieren für „teilweise demokratisch“ , 35 Prozent sagen, es war „eher nicht“ oder „überhaupt nicht demokratisch“.

Hier gehts zur Flash-Grafik mit der kompletten Umfrage »