Der StZ-Redakteur und Immobilienexperte Sven Hahn ging am Mittwoch im VHS-Pressecafé auf Ursachenforschung. Er ist davon überzeugt: einzig die Stadt kann etwas an der bedenklichen Situation ändern.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Trotz strahlenden Sonnenscheins draußen ist der Saal der Volkshochschule im Treffpunkt Rotebühlplatz gut gefüllt. Doch das ist kein Wunder: Das Thema Immobilien und deren Preisentwicklung wurde von OB Kuhn (Grüne) nach seinem Amtsantritt zur Chefsache erklärt, denn am Stuttgarter Immobilienmarkt herrschen mittlerweile Münchner Verhältnisse. Doch warum ist das so – und was könnte man dagegen tun? Der StZ-Redakteur und Immobilienexperte Sven Hahn ging am Mittwoch im VHS-Pressecafé auf Ursachenforschung. Er ist davon überzeugt: einzig die Stadt kann etwas an der bedenklichen Situation ändern.

 

Hahn sieht Stadt in der Pflicht

Hahn beschäftigt sich seit drei Jahren, seit er zur Stuttgarter Zeitung kam, mit dem Thema. Er sieht vor allem die Stadt in der Pflicht, aktiv zu werden. „Das Problem ist, dass in Stuttgart keine neuen Bauflächen entstehen, da alles Land, das brachliegt, laut Stadtverordnung Bestandsschutz genießt“, sagt Hahn. Dazu zählten nicht nur Grünflächen. Wer in Stuttgart also etwas bauen wolle, müsse vorher etwas abreißen.

„Man kann jetzt, wie zum Beispiel beim ehemaligen Gebäude der Teppichgalerie geschehen, Industrieflächen abreißen und Wohnungen darauf bauen“, sagt Hahn. Allerdings müsse man dabei bedenken, dass die Bauherren heutzutage nicht einfach so günstige Wohnungen bauen können – selbst wenn sie das wollten. „Es heißt, im Bau kostet der Quadratmeter hier etwa 3000 Euro. Das ist so, weil die Standards beim Wohnungsbau immer höher werden, etwa was Dämmung angeht“, führt Hahn aus. Private Bauunternehmen könnten sozialen Wohnungsbau aus diesen Gründen schlicht nicht leisten. Aber die Stadt. Doch die, sagt Sven Hahn, tue viel zu wenig.

„Stuttgart gibt für sozialen Wohnungsbau jährlich etwa 13 Millionen Euro aus. Das klingt zunächst nach viel. Aber schaut man beispielsweise nach Frankfurt, sind die städtischen Ausgaben dafür zehnmal so hoch“, sagt Hahn. Wenn der Gemeinderat nicht mehr Geld lockermache, laufe die Stadt auf ein riesiges Problem zu.

Bei 300 000 Angeboten passten gerade mal fünf

Ob es nicht helfe, sich stärker darum zu bemühen, die ganzen Leerstände in der Stadt zu bekämpfen, will ein älterer Herr aus dem Publikum wissen. In seiner Wohngegend würden viele Wohnungen einfach nicht vermietet – womöglich, weil sich die Vermieter den Stress mit dem sozial schwachen Milieu ersparen wollen.

„Es ist ein großer Irrglaube, dass nur gesellschaftliche Randgruppen sich hier keine Wohnungen mehr leisten können“, sagt Hahn. Familien mit zwei Kindern, die 70 000 Euro im Jahr an Einkommen verdienen, fielen bereits in die Kategorie der Förderungswürdigen. Doch auch, wenn man sich in Stuttgart eine Wohnung leisten könne, sei das noch keine Garantie, dass man auch eine bekomme. Dies sei auch einer Familie passiert, die nach Stuttgart ziehen wollte und die Hahn bei der Immobiliensuche begleitete. „Bei 300 000 Angeboten auf Immoscout 24 passten gerade mal fünf“, sagt er.

Das Ergebnis: Die Familie lebe heute in Ravensburg. Hahn zieht als Fazit: „Die Empörung ist eigentlich weniger bei denen verständlich, die schon in der Stadt sind – sondern bei denen, die in die Stadt wollen.“