Beim StZ-Zukunftskongress wurde deutlich: Gewinn darf für kommunale Unternehmen nicht alles sein – sie tragen urbane Verantwortung und müssen den Einwohnern einer Stadt ihren Service zum nicht überteuerten Preis bieten.

Stuttgart - Der 27. Juni 2014 geht als schwarzer Tag in die Annalen der thüringischen Stadt Gera ein, und er sorgte für ein Novum in der Geschichte kommunaler Unternehmen: Die Stadtwerke Gera meldeten Insolvenz an, samt Verkehrsbetrieben und Flughafengesellschaft – es war die erste Pleite von Stadtwerken in Deutschland. Die Bürger von Gera wussten nicht, ob am nächsten Tag noch Busse und Straßenbahnen fahren – und ein „weißer Ritter“ sei nicht in Sicht gewesen, erinnert sich der Insolvenzverwalter Michael Jaffé.

 

Heute sieht Jaffé die Stadtwerke aus dem Gröbsten raus, die Stadt Gera habe die Verkehrsbetriebe bereits zurückgekauft. Die Taktung der Busse und Bahnen sei neu geordnet, 30 Mitarbeiter seien abgebaut worden und von „Verlustbringern“ habe man sich getrennt. „Wir stehen heute besser da als vorher, aber wir sind noch nicht am Ende der Sanierung“, sagte Jaffé in der Podiumsdiskussion „Die Rolle kommunaler Unternehmen – Goldesel oder Pleitegeier?“ beim Städtebaukongress der StZ.

In Gera gibt es großen Leerstand und einen Renovierungsstau

Ein Problem in Gera sind noch die fast 8000 städtischen Wohnungen, ein hoher Leerstand und ein Renovierungsstau, der auf den Immobilien lastet. Gera hatte zur Wendezeit 120 000 Einwohner, jetzt sind es nur noch 100 000. Aber der Trend wendet sich allmählich zum Positiven. 2015 hatte Gera erstmals seit 27 Jahren wieder einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen – und zwar um 1838 Menschen, die negativen Prognosen seien damit „ad absurdum“ geführt, heißt es in der Stadt. Die Pleite der Stadtwerke von Gera sei „ein Einzelfall“, meinte Ferdinand Schuster, Direktor für den öffentlichen Sektor bei der Beratungsgesellschaft KPMG: In einer strukturschwachen Region seien einer Stadt die Einnahmen weggebrochen. Schuster beleuchtete eher die Chance, wie ein kommunaler Betrieb erfolgreich sein und zum „Goldesel“ werden kann. Er untersuchte 93 Stadtkonzerne auf Schuldenstand und Gewinne – und er fand drei Indikatoren, die auf Erfolg hinweisen: „Wer auf erneuerbare Energien setzt, steht besser da, als wer auf konventionelle Energie setzt. Auch wer Fernwärme nutzt, dem geht es besser.“

Schließlich sei ein Indikator für gutes Wirtschaften, dass „in der Gesellschaftsstruktur auch Fremde sind“. Dass man auch für „öffentliche Aufgaben privates Kapital mobilisiert“, dafür machte sich Schuster stark: „Wir müssen mehr ausprobieren, die Freiheit dafür haben wir.“

Privaten Pensionsfonds aus Kanada bei der Flughafengesellschaft ins Boot geholt

Die Stadtkämmerin von Düsseldorf, Dorothée Schneider, konnte Schusters These mit einem Beispiel untermauern: Düsseldorf habe einen privaten Pensionsfonds aus Kanada bei der Flughafengesellschaft ins Boot geholt: „Das ist keine Heuschrecke. Der hat Knowhow bei Airports, er diskutiert mit der Geschäftsführung und bringt Drive in die Gesellschaft.“ Die Stadt Düsseldorf, so Schneider, sei im Übrigen an 25 Unternehmen direkt und an 102 Unternehmen indirekt beteiligt. Die Sozialdemokratin Schuster betonte, dass es „eine hohe Erwartungshaltung der Bürger“ gegenüber kommunalen Unternehmen gebe und man sie „nicht rein wirtschaftlich“ sehen dürfe. Eine soziale Verantwortung, ein guter Nahverkehr und die Standortqualität einer Stadt seien auch eine Art „Ertrag“.

Ins gleiche Horn stieß Michael Beckereit, Sprecher der Geschäftsführung des Versorgungsbetriebs Hamburg-Wasser. Man müsse doch fragen, woher die Erträge der kommunalen Unternehmen stammten, sagte Beckereit: „Die bezahlen doch die Bürger.“ Es sei richtig, wirtschaftlich zu arbeiten, „aber ausufernde Gewinne“ seien nicht angebracht. Außerdem achteten die Bürger penibel darauf, wie sich etwa der Preis für die Abwasser- oder Abfallgebühren zusammensetze.

Kommunen können mit ihren Betrieben Flexibilität probieren

Ob jetzt die Kommunen Aufträge für die Daseinsvorsorge an Private abgeben sollten oder nicht – das blieb offen. Der KPMG-Mann Schuster sagte, dass es „keine gesicherten Erkenntnisse“ darüber gebe, wer die Aufgaben besser erledige. Aus Hamburg überliefert ist immerhin der in einem Referendum dokumentierte Wille der Bürger, die einst an den Konzern Vattenfall abgegebene Energieversorgung wieder zurückzukaufen. Die Kommunen können mit ihren Betrieben Flexibilität probieren. Erstaunt wurde die Information von Stadtkämmerin Schneider aufgenommen, dass vom Düsseldorfer Stadtetat in Höhe von 2,7 Milliarden Euro nur vier Prozent „politisch bewegt“ werden können. Schneider: „Bei uns ist total viel Geld gebunden.“