Das Suchthilfeprojekt war bereits vom Scheitern bedroht. Nun kann das Projekt vielleicht doch in das Gebäude Kriegsbergstraße 40 ziehen.  

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Chance, dass sich für die geplante Abgabe von synthetischem Heroin an Schwerstabhängige doch noch Praxisräume finden, ist gestiegen. Nachdem Vertreter des Suchthilfeverbundes heftig Kritik daran geübt hatten, dass die Stadt das Gebäude Kriegsbergstraße 40 erst drei Jahre leerstehen ließ und dort nun eilig Büros für das Klinikum unterbringen will, zeichnet sich ein Umdenken ab. Dann wäre der Weg frei, das Diamorphinprojekt und weitere Suchthilfeeinrichtungen dort unterzubringen.

 

Es war eine Art Hilferuf, als der Suchtmediziner Andreas Zolnai und Ulrich Binder von der Drogenberatungsstelle Release unlängst über einen eklatanten Mangel an Räumen für Suchthilfeeinrichtungen klagten. Zolnai, der am Gesundheitsamt eine Substitutionspraxis betreibt und das Konzept für die kontrollierte Heroinabgabe mitentwickelt hat, sah das Projekt deshalb sogar vom Scheitern bedroht.

Die öffentliche Intervention zeitigt Wirkung. Die Verwaltung prüft, ob die Klinikbüros nicht in benachbarten städtischen Gebäuden untergebracht werden könnten. Benötigt werden diese für einige Jahre wegen der zahlreichen Neu- und Umbauten am Katharinenhospital, das ebenfalls an der Kriegsbergstraße liegt. Dort entstehen bekanntlich nicht nur die bereits im Bau befindliche neue Frauenklinik und das neue Olgäle, im nächsten Schritt werden auch die Neubauten der künftigen Zentren für operative und innere Medizin errichtet.

Isabel Fezer ist zuversichtlich

Der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) bestätigte die Prüfung. Die Stadt sei auch Eigentümerin der Gebäude Ossietzkystraße 6 und 8, überdies sei daran gedacht, dem Klinikum als Zwischennutzung auch Räume in der Kriegsbergstraße 30 anzubieten. Dort ins Erdgeschoss soll das Stadtlabor ziehen, mit dem Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) Kinder und Jugendliche an der Gestaltung des Rosensteinviertels beteiligen will.

Die Grünen im Rat hatten dafür plädiert, dass Schuster sein Projekt im Nordbahnhofviertel bei den Wagenhallen verwirklicht, so dass die Kriegsbergstraße 30 für die Suchthilfe zur Verfügung stünde. Dies wäre aus Sicht des Oberbürgermeisters aber weder geografisch noch wirtschaftlich sinnvoll, die Stadt habe dort keine Gebäude, auch nicht für eine vorübergehende Nutzung. Später soll das Stadtlabor Bestandteil des neuen Stadtmuseums werden. Überdies taugt die Kriegsbergstraße 30 nur bedingt als Standort für eine dauerhafte Suchthilfeeinrichtung, weil das Gebäude mit anderen Häusern zwischen der Kriegsberg-, Ossietzky-, Jägerstraße und der alten Bahndirektion Teil eines Karrees ist, das in absehbarer Zeit weiterentwickelt werden soll.

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) ist zuversichtlich, dass die Suchthilfe in der Kriegsbergstraße 40 eine wichtige Dependance bekommen könnte, neben der Abgabe des synthetischen Heroins Diamorphin auch die Drogenberatung Release. Auch Krankenhausbürgermeister Klaus-Peter Murawski (Grüne) hält die ins Auge gefasst Lösung aus Sicht des Klinikums für "vertretbar". Das Katharinenhospital bekäme Büros in Gebäuden, die "nur unwesentlich weiter" entfernt seien als die Kriegsbergstraße 40, und würde sich deren Kauf für etwa 1,1 Millionen Euro sparen, so Murawski. Weshalb er auch "einverstanden" sei, dass die Kriegsbergstraße 40 künftig vom Sozialreferat genutzt werde. Bis zur Entscheidung des Rates Mitte Mai soll das Ergebnis der Prüfung vorliegen.

Hohe Hürden für Ausgabe des Ersatzstoffs Diamorphin

Projekt: Etwa 900 Drogenabhängige werden in Stuttgart substituiert, erhalten also etwa Methadon. Von diesen sollen 40 bis 60 das synthetische Heroin Diamorphin erhalten, um sie aus dem Kreislauf von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität zu holen.

Vorgaben: Die Teilnehmer müssen älter als 23 Jahre und mindestens fünf Jahre von Opiaten abhängig sein und zwei erfolglose Therapien hinter sich haben. Die Praxis soll jeden Tag geöffnet haben, weshalb der Personalbedarf und die Kosten hoch sind.

Kosten: Die Ausgaben werden auf 120.000 bis 150.000 Euro geschätzt. Teuer ist das Sicherheitskonzept mit Videoüberwachung, Tresor, vergitterten Fenstern und einer speziellen EDV. Dafür wird mit einem Zuschuss des Landes von 100.000 Euro gerechnet.