Kraftraubende Aufstiege und tiefe Abgründe - die Gipfel der Drakensberge bieten adrenalingeladenes Wandern und grandiose Ausblicke.

Phuthaditjhaba - Die eisige, dünne Bergluft entfacht mit jedem Atemzug ein kleines Feuer in der Lunge. Noch fest in der Hand des morgendlichen Schattens halten sich an der Nordwestflanke des Western Buttress weiße Nester aus ineinander verschmolzenen Hagelkörnern im Gras. Doch der Frost macht Beine. Schnellen Schrittes strebt Nvula Machobane der Sonne entgegen. Der Wanderführer will nach oben - und raus aus dem Kühlschrank am Nordrand der Drakensberge, mit knapp 3500 Metern die höchste Gebirgskette Südafrikas. Ausgerüstet mit Jeans, Anglerhut und Wanderstock, schreitet er seiner hochfunktional gekleideten Kleingruppe locker voraus.

 

Lange Reden hält der junge Mann nicht, nur ein trockener Kommentar spendet Trost: „Im Sommer wechselt das Wetter viel schneller, im Winter ist es stabiler.“ Es ist Mai, Winteranfang in Südafrika. Serpentine für Serpentine schiebt sich der Tross auf schmalen Zickzackpfaden der fast senkrechten Basaltwand entgegen, die das Hochplateau formt. Der Blick nach oben entfacht Höhenangst, die Aussicht zurück schafft ein Gefühl von Freiheit. Hinter dem kleinen, mattblau schimmernden Fikapatso-Stausee erstreckt sich die endlose Fläche des Free State, der zentralen Kornkammer Südafrikas. Oben in den Bergen können sich nur dürre, widerstandsfähigere Pflanzen halten. Die karge, hauchdünne Erdschicht, die den steinigen Boden bedeckt, bietet nicht viel zum Leben.

Die Schlucht der Qualen

Trotzdem wachsen am Wegesrand bezaubernde weiße Blumenpolster. Mont-Aux-Sources haben die Südafrikaner das Bergmassiv genannt, weil hier mit dem Tugela und dem Orange gleichzeitig der größte Zufluss in den Indischen und in den Atlantischen Ozean entspringt. Vor dem Berg der Quellen aber steht die Schlucht der Qualen. Durch eine Spalte in der Felswand, steiler und dunkler als ein Treppenhaus, geht es über Geröll und Felsen, immer im Kampf mit bitterkalten Fallwinden, auf die Hochebene. Der Schweiß rinnt und kühlt sofort wieder ab, die Atmung wird schwerer. Innerhalb von zweieinhalb Stunden führt die Route so von 2500 Höhenmetern auf über 3000. Doch es lohnt sich. Die Wanderer erwartet der Blick auf ein steinernes Hufeisen aus bis zu tausend Meter hohen, schnurgeraden Felswänden. In der Ferne liegen die Siedlungen von Phuthaditjhaba, deren Fenster wie Spiegel aus dem grauen Dunstschleier aufblitzen.

Die 60 000-Einwohner-Stadt war einst die Kapitale des Homelands QwaQwa, dem kleinsten der zehn Stammesgebiete, in die die südafrikanische Apartheid-Regierung die Schwarzen verdrängte. Der 26-jährige Machobane ist dort aufgewachsen. Als er sechs Jahre alt war, kam mit Nelson Mandela die Freiheit, mit 13 schloss er sich aus Neugier den Wanderführern an. Heute ist er froh, selbst mit Gästen aus aller Welt in den Bergen arbeiten zu dürfen, auch weil es sonst kaum Perspektiven gibt. Etwas Textilindustrie und ein paar Möbelfa-briken gibt es in dem fernab aller Metropolen gelegenen Distrikt. Doch die meisten Betriebe seien in indischer oder chinesischer Hand und die Arbeitsbedingungen dort miserabel, erzählt Machobane. Wenn es um die Probleme seiner Heimat geht, wird der schüchterne, aber fröhliche Mann ernst. Mindestlöhne würden nicht gezahlt, wer in eine Gewerkschaft eintritt, dem wird gekündigt.

Tiere sind nicht die Hauptattraktion

„Man hat die Wahl zwischen einem Job und keinem Job“, sagt Machobane sarkastisch. Die Hoffnungen ruhen auf dem wachsenden Wandertourismus in der Kap-Republik. Über 13 000 Quadratkilometer erstreckt sich die Maloti-Drakensberg Transfrontier Conservation and Development Area, ein grenzüberschreitendes Schutzgebiet, in dem sich die Enklave Lesotho und Südafrika seit 2001 gemeinsam für den Naturschutz und die touristische Nutzung des Gebiets einsetzen. Vieles sind zwar noch immer hehre Pläne und Absichtserklärungen, doch langsam wachsen daraus handfeste Projekte. Tiere sind in den Hochebenen der Drakensberge nicht die Hauptattraktion. Wer Zebras und Antilopen sehen will, muss in die tiefer gelegenen Regionen des Transfrontier Parks fahren.

Das Dach Südafrikas hat aufregendere Reize. Mit den Tugela Falls stürzt hier der mit 948 Metern zweithöchste Wasserfall der Welt direkt neben dem Wanderpfad in die Tiefe. Wer die Nerven hat, kann sich auf den Bauch legen und über die Kante lugen, Zäune und Geländer gibt es in der Einsamkeit der Drakensberge nicht. Es ist Zeit für den Rückweg, über die Wasserscheide zwischen Atlantik und Indischem Ozean zurück zur Nordseite des Massivs. Zwei Kettenleitern führen hier 30 Meter senkrecht in die Tiefe, die Hände werden schwitzig, der Magen flau.

Das einzige Sicherheitsequipment sind ein Satz Stirnlampen in Machobanes Rucksack - für den Fall, dass das Wetter umschlägt und der schaurige Abstieg in die Nachtstunden verlegt werden muss. Statt Seil und Karabiner gibt es den Tipp, sich gut festzuhalten. Wandern hat in den „Drachenbergen“ neben dem Gefühl grenzenloser Freiheit auch etwas mit Schwindellosigkeit und Überwindung zu tun. Auch wenn der Wanderführer das nicht wahrhaben will. „Hier ist noch nie jemand abgestürzt“, sagt er nur in gewohnter Knappheit.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Südafrika

Anreise
Lufthansa ( www.lufthansa.com ) und South African Airways ( www.flysaa.com ) fliegen täglich direkt nach Johannesburg (Hin- und Rückflug 800 - 1200 Euro). Von dort empfiehlt sich die Weiterreise im Mietwagen.

Unterkunft
Startpunkt für die geführten Wanderungen ist die Witsieshoek Mountain Lodge. Ein Doppelzimmer mit Frühstück kostet dort 990 südafrikanische Rand (rund 80 Euro, www.witsieshoek.co.za ).

Sehenswürdigkeiten
In der näheren Umgebung lohnt sich ein Besuch des Golden Gate Highlands National Park ( www.sanparks.org/parks/golden_gate/ ) mit seinen imposanten Felsformationen und eine Fahrt ins Künstlerstädtchen Clarens ( www.clarenstourism.co.za ).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten sie warme Kleidung einpacken, in den Bergen kann es empfindlich kalt werden. Im Winter schneit es.

Auf keinen Fall sollten Sie Wanderungen auf eigene Faust unternehmen, insbesondere am späten Nachmittag, denn um diese Tageszeit schlägt das Wetter oft besonders schnell um. Allgemeine Informationen South African Tourism, Friedensstraße 6-10, 60311 Frankfurt am Main, Tel. 0800 / 11 89 118 (kostenlos aus dem deutschen Festnetz), www.dein-suedafrika.de

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