Viele Händler in Stuttgart und im Land wünschen sich mehr Spielraum bei der Durchführung der verkaufsoffenen Sonntage. Einig sind sich die Unternehmen darin, dass es für die Genehmigungen mehr Sicherheit geben muss.

Stuttgart - Der Handelsverband Baden-Württemberg macht bei den verkaufsoffenen Sonntagen Druck: „In Baden-Württemberg sind drei verkaufsoffene Sonntage erlaubt. Das würde uns ausreichen, wenn wir sie ohne Wenn und Aber durchführen dürfen“, sagte Geschäftsführerin Sabine Hagmann unserer Zeitung. „Und wir bräuchten zumindest einen verkaufsoffenen Sonntag im Advent. Wenn die Innenstädte lebendiger werden sollen, dann braucht der Handel mehr Gestaltungsspielraum, auch um gegen den wachsenden Online-Handel zu bestehen“, so Hagmann.

 

Derzeit hat Baden-Württemberg bis zu drei verkaufsoffene Sonntage genehmigt, die die Kommunen terminieren können. Dafür ist allerdings ein Anlass wie ein Fest, Markt oder eine Messe notwendig. In Stuttgart, wo es im vergangenen Jahr in den 23 Stadtbezirken insgesamt 28 verkaufsoffene Sonntage gab, möchte man nicht mehr als zwei verkaufsoffene Sonntage pro Bezirk und Jahr ausrichten. Das Ordnungsamt macht dabei die Problematik deutlich: „In den Innenstadtbezirken wäre eine Sonntagsöffnung zum Sommerfest vermutlich denkbar. Eine Innenstadtöffnung zum Wasen aber vermutlich eher nicht, weil das Gelände zu weit von der Innenstadt entfernt liegt.“ Hagmann kritisierte die gesetzlichen Regelungen: „Die Vorgabe, dafür Anlässe zu schaffen, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Kommunen werden durch die Gesetzgebung gegängelt.“

Stuttgarter Händler fordern mehr Planungssicherheit

Deshalb fordern die Händler in Stuttgart vor allem mehr Planungssicherheit. Zuletzt wurde im Oktober vergangenen Jahres der erste verkaufsoffene Sonntag seit zehn Jahren in der Stuttgarter Innenstadt von der Gewerkschaft Verdi gestoppt, weil der gesetzliche Anlass nicht gegeben war. Die Händler blieben auf den Kosten für die Vorbereitung sitzen. „Nur bei freier Disposition kann der Handel die Sonntagsverkäufe auch so legen, dass Umsatz und Kosten in einem angemessenen Verhältnis stehen und auch viele Betriebe mitmachen“, sagte Christoph Achenbach, Vorstand der Stuttgarter City-Initiative, die die Stuttgarter Innenstadt attraktiver gestalten möchte.

Ob überhaupt an drei möglichen Sonntagen die Läden geöffnet werden sollen und ob die verkaufsoffenen Sonntage sich auch betriebswirtschaftlich lohnen, darüber gehen die Meinungen in der Händlerschaft auseinander. Kleinere und mittelständische Unternehmen sind diesbezüglich tendenziell zurückhaltender. „Ich bin dafür, grundsätzlich alles zu tun, um sich gegenüber dem Online-Handel zu positionieren“, sagte Rainer Bartle, Geschäftsführer des Stuttgarter Buchhauses Wittwer. „Auf der anderen Seite muss von Mal zu Mal geprüft werden, ob sich eine Öffnung an Sonntagen rechnet. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis war in der Vergangenheit nicht so wie erwartet.“ Ähnlich äußerte sich Thomas Breuninger, der Geschäftsführer von Haushaltswaren Tritschler: „Wir gehören nicht zu den großen Fans von verkaufsoffenen Sonntagen.“ Sein Geschäft beruhe auf einer ausführlichen Beratung und sei deshalb personalintensiv. Die großen Center hingegen würden lieber öfters an Sonntagen öffnen. Andrea Poul, Centermanagerin des Milaneo in Stuttgart, betonte, dass sie sich noch mehr verkaufsoffene Sonntage vorstellen könne. „Ich persönlich finde, dass sich der Verkauf auch finanziell lohnt. Bei einem verkaufsoffenen Sonntag würden auch Kunden aus dem weiteren Umland zu uns kommen.“

Warenhausketten stellen Maximalforderung

Noch weiter gehen die Warenhausketten Karstadt und Kaufhof sowie der Centerbetreiber Unibail-Rodamco, die prinzipiell über die Öffnungszeiten an allen Sonntagen frei bestimmen wollen. Sie haben die Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“ gegründet, der sich weitere Unternehmen anschließen sollen. Durch die geltende Gesetzgebung werde der innerstädtische Einzelhandel gegenüber dem Online-Handel diskriminiert. „Uns geht es darum, die Initiative zu starten und den Diskurs über den verkaufsoffenen Sonntag von Händlerseite zu beleuchten und neu zu beginnen“, sagte ein Kaufhof-Sprecher. Eine Verfassungsänderung „wäre erst ganz am Ende ein möglicher Schritt“.

Die Gewerkschaft Verdi in Baden-Württemberg kritisiert dies: „Der Vorstoß zeigt nur, wie ignorant die Handelsherren mit der Rechtslage umgehen, die ihnen nicht passen kann“, sagte Handelsexperte Bernhard Franke. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) schließt sich nicht dezidiert der Forderung von Karstadt und Kaufhof an. Der Verband konzentriere sich darauf, die gesetzlich möglichen verkaufsoffenen Sonntage in der Praxis umzusetzen, heißt es.

Handelsexperte hält Änderung für höchst unwahrscheinlich

Dass die Händler selbst über die Sonntagsöffnungen entscheiden dürfen, hält Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre und Marketing an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, für höchst unwahrscheinlich. „Die Erweiterung der verkaufsoffenen Sonntage ist ein extrem dickes Brett, an dem die Befürworter seit 20 Jahren bohren. Um Erfolg zu haben, müsste man erst die Hauptgegner – die Gewerkschaften und Kirchen – überzeugen, zum Beispiel mit hohen Zuschlägen für die Mitarbeiter. Viele werden sich von Geld aber nicht beeindrucken lassen.“