Ein Anschlag von Islamisten in Deutschland ist laut Geheimdiensten jederzeit möglich. Die Sicherheitsbehörden im Südwesten sehen zwar keine terroristische Zelle - zunehmend entwickeln sich aber Flüchtlingsunterkünfte zu Hotspots für Anwerbeversuche.

Stuttgart - Salafisten werben nach Auskunft des Geheimdienstes deutschlandweit immer mehr Flüchtlinge an. „In diesem Jahr gab es bundesweit 300 Kontaktaufnahmen mit Flüchtlingen, in Baden-Württemberg waren es in diesem und im vergangenen Jahr mehr als 40 solcher Ansprachen“, sagte der Islamwissenschaftler beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Stuttgart, Benno Köpfer. Der Verfassungsschützer geht davon aus, dass die Dunkelziffer im Bund wie im Land deutlich höher ist. Laut Innenministerium erfolgten die Anwerbeversuche durch unmittelbare Kontaktaufnahmen, Einladungen zu Moscheebesuchen oder durch Verteilen des Korans.

 

Zudem gab es laut Köpfer in diesem Jahr bundesweit 400 Hinweise von verschiedenen Seiten zu verdächtigen Flüchtlingen, 60 davon hatten zu Ermittlungsverfahren geführt. In Baden-Württemberg sind beim Geheimdienst laut dem Innenministerium seit Sommer 2015 etwa 120 solcher Hinweise eingegangen. Zum Großteil handele es sich dabei um unspezifische Meldungen, sagte ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Zur Anzahl der Ermittlungsverfahren im Südwesten gab das Landeskriminalamt keine Auskunft. Salafisten wollen Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach mittelalterlichen Regeln umgestalten.

Der in der vergangenen Woche verhaftete syrische Flüchtling aus Biberach hatte nach dpa-Informationen neben 17 000 Streichhölzern und fünf Funkgeräten eine Menge Batterien, zwei Küchenmesser, Gold-Silber-Regen sowie mehr als 1000 Euro in seinem Rucksack. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass sich der 20-Jährige die Sachen beschafft hat, um damit eine Spreng- oder Brandvorrichtung herzustellen. Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, sieht jedoch Probleme, ihn allein wegen Streichhölzern anzuklagen.

Bomben aus Streichhölzern

Laut Köpfer verwenden Islamisten in Afghanistan Streichhölzer zum Bau vom Bomben. „Wir kennen das aus vielen Videos, in denen ganze Gruppen von Männern auf dem Boden sitzen und die Spitzen abrubbeln. Aus dem roten Pulver lässt sich eine Initialzündung für einen Sprengsatz bauen.“ Besorgt äußerte sich Köpfer, dass Islamisten in Deutschland Autobomben bauen könnten. „Wenn dieses Know-How zu uns kommt, haben wir ein richtiges Problem“.

Das LfV hatte eine Broschüre für Betreiber von Flüchtlingsunterkünften entwickelt mit fiktiven Beispielen für Missionierung und Radikalisierung unter Flüchtlingen. Polizei und Flüchtlingsheime sind laut Köpfer sensibilisiert.

Die Terrormiliz Islamischer Staat plant nach Informationen von Europol neue Terroranschläge in Europa in der nahen Zukunft. Nach Einschätzungen von Geheimdiensten könnten bereits mehrere Dutzend potenzielle IS-Terroristen in Europa sein, warnte das europäische Anti-Terrorismus Zentrum von Europol in einem Bericht am Freitag. Anschläge könnten von vernetzten Gruppen und auch Einzeltätern verübt werden. Als mögliches Waffenarsenal nannte die Polizeibehörde Sprengstoff, automatische Waffen, Messer, Äxte, Macheten oder Autos. Die Terrorismus-Experten schätzen auch die Gefahr von Autobomben als hoch ein.

In Baden-Württemberg gibt es nach Angaben von Köpfer keine islamistischen Hochburgen wie etwa in Nordrhein-Westfalen oder Hessen. Großräume wie Stuttgart und Pforzheim sowie die Rhein-Neckar-Region seien aber Schwerpunktregionen. Islamisten finden sich demnach aber auch in ländlichen Regionen.