Rekorde und Extreme in der Region. Dieses Mal: die besten Autofahrer. Wer verursacht die wenigsten Unfälle in der Region?

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Stuttgart - Wer glaubt, ein Auto sei ein Beförderungsmittel und Autofahren die schlichte Beförderungstechnik, irrt gewaltig. Zumindest in der Region Stuttgart, dem Herz des Autoländles, ist das Heiligs-Blechle-Thema mit Leidenschaft und Ehre verbunden. Das gilt nicht etwa nur für Konstrukteure, sondern insbesondere auch für die Piloten, deren Herkunft man dummerweise auch noch an ihrem Nummernschild erkennen kann. Mancher Autofahrer soll seinen Wohnsitz nur deshalb in die Landeshauptstadt verlegt haben, um vor dem Strich ein S auf dem Blech zu haben - und damit nicht ständig beschimpft zu werden. "Hüte dich vor Eis und Schnee, vor WN, ES, LB" lautet schließlich der gar nicht arroganzfreie Großstädterslogan. Die mit den Anfangsbuchstaben ES gelten als "Echte Seckel", LB steht für "Lauter Bekloppte", und WN-Autofahrer stehen als "Württembergs Nieten" auch nicht gerade hoch im Kurs.

 

Wer das als veraltet-tradierte regionale Feindschaften abtut, möge sich im weltweiten Netz eines Besseren belehren lassen: Auf der eher von jüngerem Publikum frequentierten Internetplattform Facebook beispielsweise wird die Frage gestellt "Was denkt ihr, sind die mit dem AA oder dem WN auf dem Kennzeichen die schlimmeren Fahrer?" Was schließlich in den Einwand mündet: "Da fehlt noch ES." Lediglich OF, die Hessen "Ohne Führerschein", kommen annähernd auf eine ähnliche Huldigungsdichte wie die Schwaben.

"Autofahrer sind ungeduldiger geworden."

Aber, sind die Stuttgarter Umlandkreisautofahrer tatsächlich so schlecht wie ihr Ruf? Und wenn ja, wer ist der einäugige König unter den Blinden?

Wolf Kuhnle kommt viel herum auf den Straßen der Region. Der Mann betreibt in Fellbach, dem regionalen Dreiländereck, eine Fahrschule, und das schon in der dritten Generation. Nicht jeder seiner Kunden ist ein geborener Autofahrer, doch auch schwierigen Fällen bringt er in der Regel bei, wie man Lenkrad und Bremspedal unfallfrei bedient. Eine herkunftsbedingte Talentbeeinträchtigung hat er in all seinen Fahrlehrerjahren aber nicht feststellen können, auch die bereits ausgebildete Gruppe der motorisierten Verkehrsteilnehmer hält er für heterogen. Allerdings: "Der Ton auf den Straßen ist allgemein etwas rauer geworden", bemerkt Kuhnle. "Die Autofahrer sind ungeduldiger geworden, aber das gilt für Stuttgarter wie für Fellbacher oder Waiblinger gleichermaßen."

Wer ist der beste Autofahrer Deutschlands?

Bei der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart verweist der Pressesprecher Bernhard Schäufele auf einen vom Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes zusammen mit der Fachzeitschrift "Auto-Bild" veranstalteten Wettbewerb. Deutschlandweit wurde aus mehr als 100.000 Bewerbern der "beste Autofahrer Deutschlands" gekürt. Der kam zwar im vergangenen Jahr aus Dresden, und die weiteren Treppchenplätze gingen nach Groß Twülpstedt und Hirschau, aber unter den 40 Finalisten fanden sich immerhin vier aus der Region Stuttgart. In welchem Stadt- oder Landkreis die besonnensten Piloten wohnen, da will sich Schäufele aberlieber nicht festlegen lassen, auch nicht seine persönliche Meinung kundtun. "Dann zerreißen mich die Esslinger in der Luft", sagt Schäufele und lacht, "oder die Böblinger oder die Ludwigsburger."

Kein Zweifel, das Thema ist heikel, niemand will sich den Mund verbrennen, es sich weder mit Echten Seckeln noch Lauter Bekloppten verscherzen. Am weitesten lehnt sich noch Kazim Celebi aus dem Autofenster. "Was ich so von den Kollegen höre", sagt der Vorstandsvorsitzende der Taxizentrale des Esslinger Taxigewerbes geschickt von sich selbst weisend, "ist, dass gewisse Kennzeichen auffällig sind." Welche? "Nun ja, das wissen Sie doch selbst: WN, gefolgt von GP."

Stuttgart auf Platz 3

Halten wir uns also an die Versicherungen. Diese orientieren sich schließlich bei der Bemessung ihrer Prämien ganz unvoreingenommen-eigennützig an der jeweiligen Schadenbilanz. Und die sieht für den wilden Süden auf den ersten Blick nicht gut aus. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) jedenfalls hat bei seiner neuesten Regionalklasseneinteilung ein "deutliches Süd-Ost-Gefälle" festgestellt, wie einer aktuellen Pressemitteilung zu entnehmen ist. Die haftpflichtversicherungsgünstigsten Regionen sind deshalb nicht ohne Grund in Brandenburg. Den Spitzenplatz belegt Elbe-Elster mit einem Index von 68,76. Der Bundesdurchschnittswert liegt bei 100. Deutlich drüber und damit unrühmlicher Spitzenreiter ist die Region Kaufbeuren in Bayern (134,64).

Um eines zur Ehrenrettung der Region Stuttgart vorwegzunehmen: die umfangreichsten Haftpflichtrechnungen zahlt man in Baden-Württemberg nicht etwa in der Hauptstadt, sondern in Pforzheim. Stuttgart ist im Vergleich mit den 15 größten Städten Deutschlands sogar gar nicht schlecht: 103,02 Indexpunkte bedeuten Rang drei hinter Bremen (91,46) und Hannover (102,21). Doch wer hat drum herum nun die Autofahrernase vorn? Die Versicherer glauben an - die Esslinger. Mit 91,95 Indexpunkten sind sie schadenstechnisch unterdurchschnittlicher als der Rems-Murr-Kreis (93,57) und deutlich vor Ludwigsburg (96,83) und dem Umlandkreisschlusslicht Böblingen (97,94).

Also doch nur eine Beförderungstechnik?

Doch auch diese Statistik wird eingefleischte Zweifler vermutlich kaum von ihrer eigenen Sicht der Dinge abbringen. Schließlich kann selbst ein BB-Fahrer immer noch mit den außergewöhnlichen örtlichen Straßenverhältnissen und unbeeinflussbaren Besonderheiten wie der Sturm- und Hagelhäufigkeit oder der Anzahl der Wildunfälle argumentieren. Diese Faktoren nämlich fließen ebenfalls in die Beitragsberechnung der Versicherer ein.

Und überhaupt - ist das Autofahren ja sowieso nicht mehr und nicht weniger als eine simple Beförderungstechnik. 

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