Die Künstlerin Susanne Paesler starb 2006 im Alter von nur 43 Jahren. Jetzt entdeckt das Schauwerk Sindelfingen ihr schmales, aber zukunftsweisendes Oeuvre wieder. Selbstbewusst erklärte sie die Kunst der Klassischen Moderne zu ihrer ornamentalen Verfügungsmasse.

Sindelfingen - Danach müssen Nostalgiker lange suchen: Omas Wachstischtuch! Von der Kartoffelsuppe bis zum Apfelstrudel bringt das gelbgrüne Karomuster den gesamten großmütterlichen Küchenkosmos in Erinnerung. Aber was ist daran Avantgarde? Wer die Ausstellung im Sindelfinger Schauwerk verstehen will, muss zurück in die neunziger Jahre. Zu Beginn des Jahrzehnts hatten die verrotzten Schmierfiguren der Neuen Wilden ihre revolutionäre Kraft verbraucht. Eine neue Generation drängte nach vorne, um dem kalkulierten Dilettantismus der Vorgänger technische Präzision und klar gebaute Bildordnungen entgegenzusetzen. Zu dieser Generation gehörte Susanne Paesler.

 

Ausdruck und Geste ersetzte die Malerin durch eine ironische Liebe zum Textildesign. Ob Burlington-Socken oder Burberry-Schals, deutsche Spültücher oder Blümchentapeten – kein Motiv schien Paesler zu banal, um in makelloser Lacktechnik auf Aluminium gemalt zu werden. Massenware aus Kaufhäusern sollte wieder singuläres ästhetisches Ereignis werden. 2006 ist Paesler mit nur 43 Jahren gestorben, ihr Oeuvre entsprechend schmal. So sind die knapp vierzig Gemälde, die das Schauwerk in Kooperation mit dem Bonner Kunstmuseum zusammentragen konnte, schon eine stolze Sache.

Den Kult der Oberfläche, das Spiel mit seriellen Wiederholungen hatte Paesler nicht zuletzt beim deutschen Pop-Art-Veteran Thomas Bayrle kennengelernt, ihrem akademischen Lehrer in Frankfurt. Konsequent suchte auch die Schülerin das Glatte. Um 1991 entstehen zunächst blinkende Rechteckkonstrukte, die aussehen wie Screenshots von primitiven Computerprogrammen. Von dort ist es nur noch ein kleiner konzeptueller Sprung zu Karomustern oder auch bunten Tarnfleck-Kompositionen, Paeslers Hommage an die Sitzbankbezüge der Berliner S-Bahnen.

Mit ihrer ideologischen Unvoreingenommenheit war Paesler ihrer Zeit voraus

All die vermeintlich liebhaberischen Designzitate locken den Betrachter in Wahrheit auf eine intellektuelle Glatteis-Zone, in der er sich die unentscheidbare Frage stellen muss, was er da eigentlich sieht: Geometrische Abstraktion und Konkrete Malerei oder künstlerisch nachgeahmte Stoffproben und damit eigentlich Neorealismus?

Paesler baut Brücken in beide Richtungen: Mal dekonstruiert sie jeden nachvollziehbaren Weltbezug, indem klassische Karos von Pril-Blumen heimgesucht werden, dann wieder malt sie in augentäuschender Akkuratesse einen Reißverschluss in ein Wollpullovergeviert.

Für die gebürtige Darmstädterin war alles Visuelle gleich reizvoll – und gerade durch diese ideologische Unvoreingenommenheit besaß Paesler in ihrer Zeit etwas unbedingt Zukunftsweisendes. Selbstbewusst erklärte sie die Kunst der Klassischen Moderne zu ihrer ornamentalen Verfügungsmasse. So kopierte Paesler die Tröpfelteppiche Jackson Pollocks, malte jedoch illusionistische Rahmen dazu. Und plötzlich fügten sich sogar schnelle kalligrafische Pinselhiebe zum rudimentären Blumenstillleben.

Insofern ist die Wiederentdeckung gelungen: Dank der effektvollen Anverwandlung überlieferter Stile muss sich Paesler auch im Rückblick nicht neben heute hoch gehandelten Generationsgenossen wie Franz Ackermann oder André Butzer verstecken. In ihrem letzten Lebensjahr kehrte die Künstlerin zurück zum Pop. Unverschämt heiter baumeln knallige Kreise und Zapfen an einem stilisierten Kronleuchter. Verdammt schade, dass es damit vorbei war. Susanne Paesler wäre noch für manche Überraschung gut gewesen.

Bis 22. Januar. Schauwerk Sindelfingen, Eschenbrünnlestr. 15, Di, Do 15-16.30, Sa, So 11-17 Uhr