Das Verkehrschaos in der Stadt bleibt am Wochenende aus. Gesittet feiern an die 25 000 Besucher das SWR 4-Fest im Blühenden Barock. Jürgen Drews kokettiert dabei mit seinem Alter – und Andrea Berg zieht die High Heels aus.

Ludwigsburg - Noch während Andrea Berg am Sonntagnachmittag auf der Bühne vor dem Ludwigsburger Residenzschloss steht, löst sich bei den Veranstaltern die Anspannung. „Es ist ist alles wunderbar“, sagt der Chef des Blühenden Barock, Volker Kugel. „Es ist keine Drucketse geworden“, sagt er sichtbar erleichtert. Das zweitägige SWR4-Fest ist ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen.

 

Der Programm-Manager Karl-Albrecht Immel steht etwas abseits der Bühne und freut sich ebenfalls über die friedliche Stimmung und die herrliche Kulisse, die das Schloss abgibt. Und Holger Schumacher, der Tourismuschef der Stadt Ludwigsburg, zeigt sich beeindruckt von der Veranstaltung, für die er nicht zuständig ist und die er deshalb als normaler Besucher erlebt. „Die vielen glücklichen Menschen und eine so friedliche Atmosphäre“ beeindrucken ihn. Zu diesem Zeitpunkt verlassen bereits die ersten Besucher das Blüba-Gelände. „Ich bin jetzt sechs Stunden hier“, sagt eine ältere Dame erhitzt, erschöpft – aber sichtlich zufrieden: „Ich muss jetzt nach Hause.“ Semino Rossi und die Höhner, die Stimmungsband aus Köln, hat sie noch komplett angehört.

Kurze Abkühlung durch einen Regenschauer

Andrea Berg hat am späten Nachmittag das Mikrofon übernommen. Nur kurz lässt eine Gewitterwolke eine Ladung Regentropfen über dem Gelände fallen, die Abkühlung kommt vielen gelegen. Nur ein paar Besucher flüchten unter die Dächer der Gastronomiestände. Andrea Berg trägt dunkel schimmernde Leggings, weißes T-Shirt und High Heels. Letzterer entledigt sie sich allerdings sofort, um von nun an barfuß über die Bühne tanzen zu können. Die sollen von Männern erfunden worden sein, zitiert sie nebenbei Simone de Beauvoir. Die Stimmung ist bestens. Alle, Veranstalter wie Besucher, wirken froh darüber, den Tag miteinander gut durchgestanden zu haben. Andrea Berg singt vom Kilimandscharo, schüttelt ihre leuchtend roten Haare, und das Publikum schunkelt. Manche sind nur wegen ihr gekommen. Andere wollen einfach einen schönen Tag erleben. „Was gibt es Schöneres als Sonne, Kürbisausstellung und Musik“, sagen Susanne Kattinger und Waltraud Weyrauch. Sie haben sich einen Sitzplatz auf einer der Bänke gesichert.

Die Verantwortlichen hatten mit dem Schlimmsten gerechnet und ein mehr als 50-seitiges Sicherheitskonzept erarbeitet. „Es strömt geordnet“, sagt am Sonntagnachmittag Marion Erös vom SWR erleichtert. Gegen 15 Uhr ist im Blüba noch ausreichend Platz zum Atmen. Da ist beim Programm gerade Halbzeit. Nach den Erfahrungen des letzten Festivals, bei dem geschätzte 50 000 Besucher das Blüba stürmten, sollte dieses Mal bei 30  000 Schluss sein. Das hatte auch der Blüba-Chef Volker Kugel im Vorfeld der Veranstaltung deutlich gemacht. 2008 hatte die Feuerwehr die Veranstaltung mitten im Konzert abbrechen wollen.

Am Ende sind 25 000 Besucher gekommen

Gegen 16 Uhr meldet der SWR am Sonntag, mehr als 30 000 Menschen seien auf dem Gelände. Da heißt es an den Kassenhäuschen allerdings: „Es gibt noch Karten.“ Die Polizei zählt am Nachmittag 17 500 Besucher und rechnet mit insgesamt 20 000. Die Feuerwehr als auch die Veranstalter sprechen am Ende von 25 000 Gästen. Knapp werden am Nachmittag jedoch die Schattenplätze. Die Sonne hat noch einmal auf Sommer umgeschaltet. Wer keinen Schirm dabeihat, der sich zum Sonnenschutz umfunktionieren lässt, kommt arg ins Schwitzen. Hin und wieder haben deshalb die Sanitäter einen Einsatz.

Volker Kugel hatte gesagt, er mache sich trotz der vielen Besucher keine Sorge um die Pflanzen. Es geht gesittet zu, vereinzelt weisen Ordner darauf hin, dass man doch bitte auf den Wegen bleiben möge. In den Parkhäusern der Innenstadt gibt es bereits seit dem Mittag keine freien Plätze mehr. Pendelbusse bringen Besucher vom Breuningerland und dem Bahnhof zum Blüba. Die Schorndorfer Straße davor ist gesperrt. Aber ein Verkehrschaos gibt es deswegen nicht. Routiniert hat Punkt 14 Uhr Jürgen Drews das Publikum charmiert. Er trägt wie immer Rot und ein weißes Tuch um den Hals. Später wird er seine gebräunte nackte Brust zeigen. Das gehört sich so für den „König von Mallorca“, der mit seinem Alter von 69 Jahren ironisch kokettiert. „Ich bin doch sicher der Älteste hier.“ Ist er nicht. Eltern sind hier mit kleinen und großen Kindern, ebenso wie die, die der Generation Drews entstammen – und Ältere. Um 14.30 Uhr singt Drews „Ein Bett im Kornfeld“, den Klassiker von 1976. Jeder kennt das hier. Die Menschen schauen glücklich, tänzeln schüchtern oder gar ekstatisch vor sich hin. Ein Herr, der ein T-Shirt mit Aufdruck „Netter älterer Herr“ trägt, joggt auf der Stelle, so dass man fast glauben will, das Perpetuum mobile gebe es doch.

Jürgen Drews singt natürlich „Ein Bett im Kornfeld“

Mit Warm-up-Party hatten die Organisatoren den Samstagabend überschrieben und am Ende rund 6000 Besucher gezählt. Ein fast voller Mond stand am Himmel, als die Spider Murphy Gang eine Stunde lang ihrem Ruf als perfekte Live-Band gerecht wurde. Als der Moderator Michael Branik ankündigte, die Musiker seien startklar, wuselte alles in Richtung Bühne. Seit Anfang der 80er Jahre begeistert die bayrische Band mit Titeln wie „Skandal im Sperrbezirk“. Als der Frontmann Günther Sigl, mittlerweile 67, und Gerhard Gmell alias Barny Murphy über die Bühnenbretter hüpfen, hält es auch die als Best Ager umworbenen Besucher nicht: Sie schwingen die Hüften zum Twist, recken die Hände in die Höhe, zeigen sich textsicher beim Mitsingen – und stehen dem jungen Publikum in nichts nach. Handyfotos inklusive. Denn was ist ein Live-Konzert schon ohne die passenden Erinnerungsfotos.