Nach dem Streit, wer bei den SWR-Wahlkampfdebatten mitreden darf und wer nicht, zieht Intendant Peter Boudgoust Bilanz: Er sieht den Sender nicht an der Leine der Landespolitiker in Stuttgart und Mainz.

Stuttgart - Lügenpresse, zu große Staatsnähe, Instrument der Herrschenden“: härter denn je stehen die Medien in der Kritik.

 

Der Streit über die Besetzung der TV-„Elefantenrunden“ vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat den SWR besonders hart getroffen. Dessen Intendant Peter Boudgoust plädiert dafür, die Erregung zu begrenzen.

Herr Boudgoust, wie lautet nach den Streitereien mit der Politik Ihr Resümee – ist der SWR im Hin und Her um die „Elefantenrunden“ beschädigt worden ?
Es war eine sehr erregte Diskussion, bei der viele Dinge durcheinandergebracht wurden. Viele schrieben vom Einknicken vor der Politik. Aber darum ging es nicht. Der Südwestrundfunk hatte von Anfang an ein klares Konzept.
Sie wollten alle Parteien an einen Tisch bringen, auch einen Vertreter der AfD. Die Spitzenkandidaten Malu Dreyer, Winfried Kretschmann und Nils Schmid von SPD und Grünen hatten dies zunächst strikt abgelehnt. Unter diesem Druck mussten und wollten Sie das Konzept ändern . . .
Unser ursprünglich geplantes Gesprächsformat war unmöglich geworden. Für uns war es aber wichtig, dass alle Parteien, die Chancen haben, in den Landtag einzuziehen, präsent sind. Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir diesem Anspruch trotz der Absagen gerecht werden.
So kamen Sie auf die Idee, Interviews mit den Vertretern der AfD und der Linken einzuspielen. Das handelte Ihnen den Vorwurf ein, unliebsame politische Positionen an den Rand zu drängen.
Wir können ja keine Partei zwingen, an einem Format teilzunehmen, das sie ablehnt. Deshalb kamen wir zu diesem alternativen Konzept. Wir waren überzeugt, dass wir ein angemessenes Podium gestellt hätten. Damit wäre keine Meinung unterschlagen, sondern alle Positionen dargestellt worden. Dies wurde falsch interpretiert.
Würden Sie aus heutiger Sicht wieder alles so entscheiden?
Hätten wir denn aus den ursprünglichen Absagen einen Skandal machen sollen? Ich glaube, in einer Zeit, wo sich allenthalben die Erregungsspirale immer schneller dreht, war es für uns wichtig, ganz nüchtern an unserem Informationsauftrag festzuhalten. Wir sind weder eine politisch agierende Einrichtung, noch erfüllen wir den Politikern Wunschkonzerte.
Trotzdem: Sie machten bei der Planung der Wahlkampfdebatten den Eindruck, von der Politik getrieben zu sein.
Die Politiker sind frei zu sagen, ob sie zu einer TV-Debatte kommen wollen oder nicht. Wäre es in Baden-Württemberg bei den Absagen von Kretschmann und Schmid geblieben, hätten wir statt der ursprünglichen Elefantenrunde unser alternatives Konzept umgesetzt, das ebenfalls alle Positionen berücksichtigt. Das war der Zeitpunkt, als ich an die Politik appelliert habe, nochmals über ihre Position nachzudenken. Aber nochmals: wir hätten niemals eine Wunschsendung nach Konzept der Parteien gemacht.
Dann kam die überraschende Wende. Zumindest in Baden-Württemberg schwenkten Grüne und SPD um und sind nun doch zur direkten Debatte mit der AfD bereit. Dass Kretschmann und Schmid für entsprechende Veranstaltungen der Stuttgarter Zeitung und der „Stuttgarter Nachrichten“ früher zusagten als beim SWR, muss für Sie demütigend gewesen sein.
Nein. Die Grünen und die SPD in Baden-Württemberg hatten einfach erkannt, dass ihre frühere Position nicht durchzuhalten war.
Die SPD hat das Umschwenken damit begründet, dass der SWR nun zugesagt habe, in der Sendung auch über den Rechtspopulismus der AfD diskutieren zu wollen. Hatten Sie das eigentlich gar nicht vorgehabt? Gab es solche inhaltliche Zugeständnisse?
In einer Elefantenrunde gibt es keinen Kanon erlaubter und nicht erlaubter Themen. Es war doch von Anfang an klar, dass das Thema AfD ein zentrales Thema des Wahlkampfes ist und demzufolge zwingend in eine solche Debatte gehört. Mit diesem Thema beschäftigen wir uns seit Wochen und Monaten in unserem Programm.
Man kann die Dinge auch ganz anders sehen: In einer Demokratie sollen nur diejenigen miteinander reden, die auch die Grundwerte der Demokratie vertreten – was man der AfD absprechen kann.
Das ist eine politische Haltung, die man teilen kann oder nicht. Aber wir als öffentlich-rechtlicher Sender müssen eine abgestufte Chancengleichheit allen Parteien gewähren, die nicht verboten sind.
Andere ARD-Rundfunkhäuser haben anders entschieden und grundsätzlich nur jene Parteien zu Spitzenrunden eingeladen, die bereits im jeweiligen Landtag vertreten sind.
Wir müssen konstatieren, dass unsere politische Landschaft inzwischen auch geprägt ist von neuen Parteien. Unsere Zuschauer müssen die Gelegenheit haben, Positionen und Gegenpositionen kennenzulernen, um sich dann eine eigene Meinung zu bilden. Das ist unser Auftrag. Wie dies geschieht, da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten – Interviews, kritische Analysen. Aber aus journalistischer Sicht ist der offene Schlagabtausch sicher die bessere Variante.