Noch bevor „Elser“ nächste Woche in die Kinos kommt, erinnert ein SWR-Hörspiel an den vor siebzig Jahren hingerichteten Widerstandskämpfer von der Schwäbischen Alb. Für beide Produktionen hat Fred Breinersdorfer das Buch geschrieben.

Stuttgart - Das Hörspiel zeigt nicht den Menschen in Bewegung, sondern die Bewegung im Menschen.“ Bei der Vorpremiere des Hörspiels „Elser“ kürzlich im Stuttgarter Literaturhaus hat der Hörspielchef des SWR, Ekkehard Skoruppa, auf diese Definition verwiesen. Der Satz des Radio-Mannes diente der Abgrenzung: Nach Ostern kommt Oliver Hirschbiegels Film „Elser“ in die Kinos. Er war bereits im Februar auf der Berlinale außer Konkurrenz vorgestellt worden. Das Werk stieß auf gemischte Resonanz bei den Kritikern, wird aber die öffentliche Aufmerksamkeit dominieren, wenn es darum geht, an den Widerstandskämpfer Georg Elser zu erinnern.

 

Elser, ein Schreiner aus einfachen Verhältnissen aus der Alb-Gemeinde Königsbronn bei Heidenheim, hatte in wochenlanger Arbeit eine Bombe mit Zeitzünder in einem Pfeiler des Münchner Bürgerbräukellers deponiert. Dort sollte am 8. November 1939 Adolf Hitler zusammen mit der NS-Führungsspitze auftreten, um in einer Rede an den (gescheiterten) Hitler-Putsch 1923 zu erinnern. Der Anschlag misslang. Die Bombe explodierte 13 Minuten, nachdem Hitler und seine Mannen durch einen Zufall den Bürgerbräukeller vorzeitig verlassen hatten. Hirschbiegels Film trägt deshalb den Untertitel „Er hätte die Welt verändert“ – im Konjunktiv. Acht Menschen kamen bei dem Attentat ums Leben.

Auf der Grundlage der Verhörprotokolle

Ein bildloses Medium wie das Hörspiel hat es schwerer als ein Film, die Dramatik der Ereignisse einzufangen. Dabei lohnt es, sich auf die gleiche Geschichte in beiden Kunstformen einzulassen, gerade auch bei „Elser“. Für die Koproduktion des SWR mit dem Norddeutschen Rundfunk hat der in Berlin lebende Autor Fred Breinersdorfer sowohl das Drehbuch für den Film (zusammen mit seiner Tochter Léonie-Claire) als auch das Manuskript für das Hörspiel geschrieben. Im Film zeigt er, wie Elser sein Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller vorbereitet, wie er in die Schweiz fliehen will, an der Grenze in Konstanz gefasst und in Berlin verhört und gefoltert wird. Dieser äußeren Handlung folgt auch das Hörspiel, das jetzt am Karfreitag gesendet wird. Zugleich aber versetzt der lange Zeit als Rechtsanwalt in Stuttgart lebende Breinersdorfer den Zuhörer durch innere Monologe in den Kopf des Attentäters. Das verleiht dem Hörspiel eine eigene Dimension, denn Elser ist eine faszinierende und widersprüchliche Persönlichkeit. Über die Motive für seine Tat weiß man nur wenig. Er sympathisierte mit den Kommunisten, war aber auch von seinem tiefen protestantischen Glauben geprägt. Anders als bei der „Weißen Rose“, über deren Widerstand der Autor das Drehbuch für den Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ verfasst hat, existieren keine Selbstzeugnisse. Das wenige, was man über Elser weißt, beruht zudem zum großen Teil auf Verhörprotokollen, die 1962 entdeckt wurden. Breinersdorfer macht sie zur Grundlage seines Skripts und zitiert die Aussage in seinen Dialogen.

Im Film und im Radio: Christian Friedel ist Elser

Der Elser-Darsteller Christian Friedel, der auch die Rolle im Hörspiel spricht, sagt über ihn: „Er war ein Mensch, der seinen Blick nicht verschlossen und sich nicht der Euphorie der überbordenden Nazipropaganda hingegeben hat.“ Dies, mutmaßt Breinersdorfer, sei wohl der Grund, warum Elsers Tat lange Zeit nicht gewürdigt worden sei. „Das, was er sah, was er erkannt hat, hätte jeder andere auch sehen und erkennen können.“ Elsers einsamer Widerstand mache das Versagen der vielen Mitläufer deutlich. Der Attentäter entspreche dem klassischen Muster des Tyrannenmörders. Er habe als einfacher Mensch ohne intellektuellen Anspruch den Anschlag allein aus der Überzeugung verübt, das Richtige zu tun – und beschäme damit alle, die geschwiegen und mitgemacht hätten.

Dem Hörspiel gelingt es, nicht nur den inneren Antrieb des jungen Mannes verständlich zu machen. Die Regisseurin Iris Drögekamp nutzte für ihre anspruchsvolle Hörcollage Originalton aus deutschen Wochenschauen und die Originalrede Hitlers aus dem Bürgerbräukeller, die damals auf Schallplatte aufgezeichnet worden war. Die Sprecher der Hörspielrollen haben in den meisten Fällen auch im Film mitgespielt. Dadurch hatten sie sich schon mit ihren Figuren auseinandergesetzt. „Die Schauspieler fragten uns bei den Leseproben: Sagen wir hier nicht zu viel? Lassen wir zu wenig offen?“, erzählt Drögekamp. Breinersdorfer arbeitete nach diesen Diskussionen das Manuskript nochmals um. Stuttgarter Theatergänger werden übrigens manche Stimme wiedererkennen, denn einige Rollen werden von Mitgliedern des Schauspiel-Ensembles gesprochen.