Beim SWR-Symphonieorchester hat sich der Geiger Gil Shaham als Artist in Residence mit Brahms’ Violinkonzert vorgestellt.

Stuttgart - Der große Geigenvirtuose Pablo de Sarasate konnte mit diesem Konzert rein gar nichts anfangen: Schlimm, klagte er, sei es doch, „im Adagio mit der Geige in der Hand zuhören zu müssen, wie die Oboe dem Publikum die einzige Melodie des ganzen Stücks vorspielt“. Tatsächlich hat Sarasate nicht verstanden, dass es Johannes Brahms (nicht nur) in seinem op. 77 um ein Miteinander von Orchester und Solist gegangen ist. Und um Vermittlung: zwischen Individuum und Masse wie zwischen den Sätzen, in denen variiertes Material für Verbindungen sorgt.

 

Zum Auftakt der Saison hätten auch das SWR-Symphonieorchester und sein diesjähriger Artist in Residence, Gil Shaham, ein wenig Vermittlung nötig gehabt. Dass sie nicht wirklich zusammen fanden, lag nicht an exzentrischen Ideen des Solisten, sondern schlicht daran, dass das Donnerstagskonzert im exzellent besetzten Beethovensaal die erste von vier Aufführungen war. Am Sonntag in Freiburg werden David Zinman am Pult und der Geiger sicherlich schon besser harmonieren. Jetzt indes war der Graben zwischen ihnen nicht nur dort tief, wo Shaham im Finale die Bezeichnung „Allegro giocoso“ ernst nahm und beim schwungvollen Thema eine Note auch mal länger hielt – das Orchester wiederholte die Melodie immer wieder stumpf nach Schlag, wie wenn Shaham nichts gewagt und gesagt hätte. Man hat gespielt, aber nicht miteinander.

Zwischenposition zwischen alter Schule und neuem Klang

Gil Shaham ist ein interessanter, ausdrucksbegabter, dialogwilliger Künstler, der – in seinem schönen, satten, dabei beweglichen Ton deutlich geprägt von der New Yorker Geigenschmiede Dorothy Delays – stilistisch eine Zwischenposition einnimmt zwischen der alten Lust an klanglicher Fülle und weiten Bögen und der von historisch informierten Musikern beförderten Durchsichtigkeit und detaillierten Artikulation. Man darf sich auf mehr von ihm freuen.

Das SWR-Symphonieorchester – so der Eindruck dieses ersten Abends – muss sich erst eingrooven. Noch kommen die Bläser zu Beginn des zweiten Satzes intonatorisch nicht recht zusammen und spielen viel zu wenig poetisch, viel zu direkt. Und noch will auch die Koordination bei etlichen heiklen Tutti-Passagen der Streicher nicht immer glücken. Das hört man deutlich auch bei Bruckners dritter Sinfonie, wo die Einsätze nach Generalpausen kaum je präzise auf den Punkt kommen. Vieles wirkt eher zusammengesetzt, als dass es zwingend auseinander hervorginge und aufeinander aufbaute. Wirkung macht das Stück dennoch – in den mächtigen Forte-Blechbläserpassagen ebenso wie in vielen schön gefassten leisen Passagen. Zinman (81), hält sich mit Kleinigkeiten nicht auf, geht aufs große Ganze. Aber dem Orchester hätten präzisere Zeichen gut getan. Man wird sich steigern müssen.