Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)
Sie sind in Ihrer Einschätzung der aktuellen Lage recht drastisch, wenn Sie den „Nationalsozialistischen Untergrund“ auch im wissenschaftlichen Kontext als Mörderbande bezeichnen und politische Konsequenzen vermissen. Muss Zeitgeschichte ins aktuelle politische Tagesgeschäft hereinragen?
Sie beziehen sich auf einen Tagungsband des Dachauer Symposiums, den ich zum Thema „Rechte Gewalt in Deutschland“ herausgegeben habe. Ja, die Zeitgeschichte hat einen Gegenwartsbezug. Sie muss fragen, was bedeuten die Ereignisse der Vergangenheit für uns heute. Bei der Beschäftigung mit Nationalsozialismus und Holocaust geht es neben der Geschichtsvermittlung ja auch um Demokratievermittlung, also darum, für Themen zu sensibilisieren und historisches Lernen nicht nur an sich, sondern auch als gegenwartsbezogenes Lernen zu betreiben und die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen im Blick zu haben. Vor dem Hintergrund ist es mir wichtig, auch das Thema Rechtsextremismus zu behandeln und nach Gefährdungen für die Demokratie heute zu fragen.
In Dachau haben Sie das Verhältnis der Dachauer zu dem dortigen Konzentrationslager erforscht.
Ja, ich habe mich in meiner Magisterarbeit mit dem sozialen Umfeld des Konzentrationslagers in der NS-Zeit beschäftigt. Den Anstoß dazu gab eine hitzige Auseinandersetzung um den Bau einer Jugendbegegnungsstätte, die Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in Dachau geführt wurde. Das war ein Konflikt um den Umgang mit der NS-Zeit und für mich der Anlass, zu schauen, wie in Dachau 1933 auf den Bau des KZs reagiert wurde und ob sich später Beziehungen zwischen der Stadt und dem Lager entwickelten.
Schließlich hat man Ihnen die Organisation des Dachauer Symposiums übertragen.
Ja, das freute mich sehr. Seit fünf Jahren mache ich das. In Dachau hat sich die Situation ab Mitte der Neunziger gedreht. Von der Abwehr hin zu einer offenen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Dachau ist jetzt Lernort für die Geschichte des Nationalsozialismus. Besser kann man das als Kommune gar nicht machen.
Ist das die Blaupause für Frankfurt: forschen und die Ergebnisse mittels des Fritz-Bauer-Instituts öffentlich machen?