Elf Künstler schaffen bei einem Symposium im Stuttgarter Norden Kunst aus Bäumen, die dem S-21-Großprojekt weichen mussten. Doch nicht jeder Bildhauer will daraus eine politische Aktion machen.

Stuttgart - Fast unberührt liegt der riesige Baumstamm vor Thomas Diermann auf dem Boden. „Ich bin keiner von denen, die mit einer fertigen Idee an ein Objekt rangehen. Ich lasse den Stamm jetzt erst mal auf mich wirken“, erklärt der 49-jährige Holzbildhauer vom Bodensee seine Vorgehensweise. Ob das Ergebnis etwas mit Stuttgart 21 zu tun haben wird? Das schließt Diermann nicht aus.

 

Elf Künstler bearbeiten seit Montagvormittag neun Baumstämme, die im Zuge der S 21-Baumaßnahmen im Schlossgarten gefällt wurden. Das geschieht im Rahmen des Bildhauersymposiums „Gefällt“, das der Verein Geist und Geld diese Woche auf einem Parkplatz an der Ecke Parlerstraße und Am Kochenhof in Stuttgart-Nord veranstaltet. Die Künstler dürfen mit ihren Werken Bezug zum politischen Hintergrund der Bäume beziehen – müssen es aber nicht.

Organisatoren formulieren lediglich Fragen

„Ich weiß nicht, wie viele der Teilnehmer den politischen Prozess berücksichtigen wollen. Ich habe auch nicht gefragt. Wir wollen das Symposium nicht politisieren“, erklärt Stefan Zimmermann, der im Vorstand von Geist und Geld aktiv ist. In der Ankündigung des Symposiums formulieren die Organisatoren lediglich Fragen: „Darf der Künstler mit dem Objekt seine ganz eigene Geschichte erzählen oder muss er Partei ergreifen? Wäre es vermessen, wenn er Werke schafft, die Spaß machen?“

Jo Winter will die politische Geschichte seiner Kastanie berücksichtigen. „Ich möchte etwas Widerborstiges schaffen, etwas, das sich sträubt“, erklärt der 65-Jährige, dessen Kleidung und Gesicht mit feinen Holzspänen bedeckt sind. Der Baumstamm vor ihm reckt kurze Arme nach oben, die an große Widerhaken erinnern. In den Stamm hat Winter tiefe Kerben gesägt.

Pragmatische Arbeit statt politischer Botschaft

Der Stuttgarter Bildhauer Michl Schmidt geht pragmatischer an seine Eiche heran. Systematisch sägt der 41-jährige den Stamm des Baumes in dünne Scheiben. „Mit gefällten Bäumen arbeiten wir Holzbildhauer ja immer – das ist an sich nichts Besonderes“, sagt Schmidt. Er sehe das Symposium eher als Chance, seine bildhauerische Arbeit zu verwirklichen.

Was aus den fertigen Objekten wird, ist noch unklar. Die Stadt wolle die Kunstwerke nicht ausstellen, sagt Stefan Zimmermann. Da die Kunstwerke draußen aufgestellt werden müssen, würden sich Schwierigkeiten mit der Haftung ergeben. Dennoch würde Zimmermann die Bäume gerne in Stuttgart sehen: „Sie manifestieren ja ein wichtiges Stück Stadtgeschichte.“ Daher befindet sich der Verein auf der Suche nach privaten Kunstliebhabern oder Unternehmen, die bereit wären, sich der fertigen Objekte anzunehmen.

Besucher sind willkommen

Bis Samstag arbeiten die Künstler noch an ihren Baumstämmen – täglich von 14 Uhr bis 18 Uhr. Besucher seien willkommen, sich ein Bild von den Arbeiten zu machen und dürfen gern mit den Künstlern ins Gespräch kommen, sagt Zimmermann. Am Samstag werden die fertigen Arbeiten von 16 Uhr an bei einer Vernissage präsentiert.