Die Türkei und syrische Rebellen machen offenbar Ernst mit ihrer Offensive auf den Grenzort Dscharablu in Nordsyrien, der von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) beherrscht wird.

Ankara - Türkischen TV-Berichten zufolge ordnete Ankara am Dienstagabend die Evakuierung des türkischen Grenzorts Karkamis an, der gegenüber von Dscharablus auf der anderen Grenzseite liegt. Zuvor hatte die Türkei bereits ihren Beschuss von Stellungen der IS-Miliz sowie kurdischer Stellungen in Syrien verstärkt.

 

Die Bewohner von Karkamis und Umgebung seien per Lautsprecher aufgefordert worden, die Stadt „aus Sicherheitsgründen“ zu verlassen, berichteten türkische Sender. Die Stadt an der türkischen Grenze war zuvor von IS-Gebiet in Syrien aus mit Mörsergranaten beschossen worden. Die türkische Artillerie feuerte daraufhin am Dienstag rund 60 Geschosse auf IS-Stellungen in Dscharablus ab. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte „jede erdenkliche Unterstützung“ der Türkei zu, um die Dschihadisten aus Dscharablus zu vertreiben. Die Türkei wolle nicht, dass der IS „im Irak und in Syrien existiert“, sagte Cavusoglu vor Journalisten.

Offensive hunderter syrischer Rebellen geplant

Schon zuvor hatte die türkische Führung erklärt, das syrisch-türkische Grenzgebiet vollständig vom IS „säubern“ zu wollen. Der stellvertretende Regierungschef Numan Kurtulmus erklärte Dscharablus zu einer „Angelegenheit der nationalen Sicherheit“. Es sei „inakzeptabel“, dass Dscharablus oder irgend eine andere Stadt unter der Kontrolle des IS stehe, sagte er dem Sender NTV. Der Journalist Abdulkadir Selvi, ein Kolumnist der Zeitung „Hürriyet“, äußerte die Einschätzung, dass die Offensive nun „jederzeit beginnen könnte“.

Aktivisten und türkischen Medienberichten zufolge ist eine Offensive hunderter syrischer Rebellen auf Dscharablus geplant, die den IS aus der Stadt vertreiben wollen. Die Rebellen haben sich demnach im Grenzgebiet versammelt und werden von der Türkei unterstützt. Zugleich rücken auch kurdische Einheiten immer weiter auf Dscharablus vor. Die türkische Artillerie beschoss auch erneut die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) nahe der syrischen Stadt Manbidsch. Die YPG-Kämpfer hatten Manbidsch nach wochenlangen Gefechten von den Dschihadisten erobert. Von dort wollen sie weiter Richtung Dscharablus vorstoßen.

Angriffe auch eine Reaktion auf Anschlag

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, die türkische Armee wolle den Vormarsch der Kurden auf Dscharablus verhindern. Der türkische Regierungschef Binali Yildirim sagte, die Bildung eines kurdischen Verwaltungsgebietes in Nordsyrien sei „absolut inakzeptabel“. Die Kurden streben an, ihre drei autonomen Gebiete im Norden Syriens zu verbinden und einen durchgehenden Landstreifen an der türkischen Grenze unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die Türkei will dies mit allen Mitteln verhindern. Sie betrachtet die YPG-Miliz als syrischen Ableger der verbotenen türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), mit der sich die Armee im Südosten der Türkei immer wieder schwere Gefechte liefert. Die türkischen Angriffe in Syrien sind auch eine Reaktion auf den verheerenden Anschlag auf eine kurdische Hochzeitsfeier in der südtürkischen Stadt Gaziantep, bei dem am Samstag 54 Menschen getötet worden waren. Die türkische Regierung gab zunächst an, ein Kind habe sich im IS-Auftrag in die Luft gesprengt. Am Montag erklärte sie jedoch, diese Angaben seien nicht gesichert. Es werde noch geprüft, wer den Anschlag verübte.