An diesem Donnerstag findet der erste Parteitag der von Ministerpräsident Alexis Tsipras geführten Syriza in einem allgemeinen Stimmungstief statt.

Athen - Die Stimmung könnte besser sein, wenn sich an diesem Donnerstag in einer Sporthalle im Athener Küstenvorort Faliron rund 3000 Delegierte des griechischen Linksbündnisses Syriza versammeln. Es ist der erste Parteitag, seit Syriza Ende Januar 2015 die Regierungsverantwortung übernahm. Aber statt einen Höhenflug hinzulegen, steckt die von Alexis Tsipras geführte Koalition aus Links- und Rechtspopulisten im Stimmungstief. Zu viele Wahlversprechen blieben unerfüllt.

 

Der von Tsipras immer wieder beschworene Wirtschaftsaufschwung lässt weiter auf sich warten. Auf dem Kongress dürfte Tsipras deshalb Kritik zu hören bekommen. Seine Führungsrolle wird aber niemand offen in Zweifel ziehen. Denn die Genossen wissen: Ohne das Zugpferd Tsipras ist Syriza nichts. Der Premier verspricht sich von dem Parteitag frischen Rückenwind für seine lustlos wirkende Mannschaft. Aber große Begeisterung ist im Vorfeld des Kongresses nicht festzustellen.

Ein schmerzhafter Lernprozess

Beispiel: In Piräus, einer Syriza-Hochburg, beteiligten sich ganze 61 Mitglieder an der Wahl der acht Parteitagsdelegierten. Die Ernüchterung ist nachvollziehbar. Der 42-jährige Tsipras und seine Partei haben seit der Regierungsübernahme einen schmerzhaften Lernprozess durchgemacht. Nach sechs Monaten Tauziehen mit den Gläubigern musste Tsipras im Sommer 2015 kapitulieren und ein drittes Spar- und Reformprogramm unterschreiben, um seinem Land dringend benötigte Hilfskredite zu sichern. Daran wäre Syriza fast zerbrochen. Der exzentrische Finanzminister Yanis Varoufakis musste abdanken. Der linksextreme Syriza-Flügel, der immerhin etwa ein Drittel der Partei repräsentierte, spaltete sich ab.

Dennoch konnte Tsipras die vorgezogenen Wahlen im September vergangenen Jahres erneut gewinnen. Die Einbuße gegenüber der Januar-Wahl betrug weniger als ein Stimmenprozent. Damit festigte Tsipras seine Führungsrolle. Dennoch komme für den Premier dieser Parteitag „zur Unzeit“, meint Jens Bastian, Wirtschafts- und Finanzberater bei der Athener Denkfabrik Macropolis: „Tsipras hat keine Erfolgsstory vorzuweisen, etwa beim Thema Schuldenschnitt, bei der wirtschaftlichen Erholung oder beim Abbau der Massenarbeitslosigkeit.“

Keine Zeit für Abrechnungen

Das zeigt sich auch in den Meinungsumfragen: 86,5 Prozent der Befragten, so eine Erhebung von Anfang Oktober, sind mit der Arbeit der Regierung unzufrieden. Sogar unter den Syriza-Anhängern senken 73,5 Prozent den Daumen. Bei der so genannten Sonntagsfrage liegen die oppositionellen Konservativen 12,5 Prozentpunkte vor Syriza. Für innerparteiliche Abrechnungen sei es dennoch zu früh, meint Macropolis-Analyst Bastian: „Im Vordergrund stehen für Syriza der Machterhalt und der Marsch durch die Institutionen, ob im Justizwesen, in den Medien oder im Staatsapparat.“

Einstweilen ist es vor allem Tsipras, der das Bündnis zusammenhält, auch dadurch, dass er verdiente Genossen aller Flügel mit Posten und Pöstchen im Staatsapparat versorgt – die berüchtigte griechische Klientelwirtschaft, eine Tradition, mit der auch Syriza offenbar nicht brechen will. Tsipras bestimmt, wohin es mit Syriza geht – nämlich zur Mitte des politischen Spektrums.

Politisches Eigenleben

Allerdings gehen nicht alle Syriza-Mitglieder diesen Weg mit. Auch die von Tsipras geschlossene Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen geht vielen Genossen gegen den Strich. Das 2004 aus stalinistischen, trotzkistischen, maoistischen und linkssozialistischen Gruppen zusammengewürfelte Wahlbündnis ist immer noch keine Partei im europäischen Sinn. Die einzelnen Zirkel führen ein politisches Eigenleben. Das wird sich auch bei dem Parteitag zeigen. Entscheidend für die Zukunft des Linksbündnisses wird sein, ob es sich von einer anarchistisch angehauchten Protestbewegung, die ihren Aufstieg an die Macht vor allem der Krise und dem Charisma ihres Zugpferds Tsipras verdankt, zu einer Volkspartei entwickeln kann, die auch Wähler der Mitte anspricht. Gelingt das nicht, droht Syriza bei einem Verlust der Regierungsmacht der Rückfall in die politische Bedeutungslosigkeit. Zur Erinnerung: Vor der Krise kam Syriza gerade mal auf Stimmenanteile von vier bis fünf Prozent.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.griechenland-vor-neuen- herausforderungen-der-griechische-premier-alexis-tsipras-braucht-schnelle

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.griechenland-tsipras-praesentiert-seine- plaene-auf-zypern.794724ca-f252-40f5-b4e7-bd4cb3606034.html