Die Deutsche Bahn wird die Provisionen für Fern- und Nahverkehrsumsätze von 2017 bis 2019 getrennt berechnen, noch stärker staffeln und die Grundvergütungen teils deutlich verringern. Vor allem Reisebüros befürchten Einnahmeausfälle.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Zum Jahreswechsel ändert die Deutsche Bahn erneut ihre Vertriebskonditionen für die derzeit noch bundesweit 2540 Agenturen, die Fahrscheine verkaufen. Wichtigste Änderungen: Die Provisionen für Fern- und Nahverkehrsumsätze werden von 2017 bis 2019 getrennt berechnet, noch stärker gestaffelt und die Grundvergütungen teils deutlich verringert. Zudem teilt der Staatskonzern seine stationären Vertriebspartner künftig in vier statt bisher drei Kategorien auf.

 

DRV-Ausschuss Bahn sieht Ticketverkauf in Reisebüros gefährdet

Der Ausschuss Bahn des Deutschen Reiseverbandes (DRV) sieht dadurch den Ticketverkauf in Reisebüros gefährdet. „Es gibt viele Verlierer“, sagte der Vorsitzende des DRV-Ausschusses Bahn, Hans Doldi, unserer Redaktion. Vor allem für umsatzschwächere DB Agenturen werde das neue Vergütungsmodell nachteilig sein. „Noch mehr Reisebüros werden den Fahrscheinverkauf aufgeben, weil es sich einfach nicht mehr lohnt“, befürchtet Doldi, der selbst eine große DB Agentur in Hamm (Westfalen) besitzt.

Die Beratung von Bahnkunden werde immer aufwändiger, sagt der Vertriebsprofi. Das liege am komplexen DB-Preissystem, aber auch an den vielen Zugverspätungen, Betriebsstörungen und Baustellen. Die Provisionen, die der Konzern bereits mehrfach auf künftig teils nur noch zwei Prozent Grundprovision gekürzt habe, wögen diesen Aufwand oft nicht auf. Zumal die meisten Agenturen die hohen Umsatzschwellen für auskömmlichere Vergütungssätze kaum einmal überschritten.

Bahnsprecher weist die Kritik zurück

Ein Bahnsprecher weist die Kritik zurück. Die Vertriebspartner könnten bis zu neun Prozent Provision für Tickets im Fernverkehr und bis zu 9,5 Prozent für Nahverkehrs-Fahrscheine erreichen. Gute Leistungen würden weiterhin honoriert. Man erwarte daher kein „Agentursterben“. Der Konzern räumt aber ein, dass seit 2007 die Zahl der damals noch 3300 Agenturen um fast 800 gesunken ist, also um beinahe ein Viertel. Parallel sei jedoch laut DRV-Vertriebsdatenbank die Gesamtzahl der Reisebüros ebenfalls deutlich geschrumpft, und zwar von 11 400 auf 9830 bis Ende 2014.

Die Änderungen seien gegenüber dem DRV-Ausschuss kommuniziert worden, betont der Bahnsprecher. Deshalb sei man von der anhaltenden Kritik „überrascht“. DB-Vertriebschef Ralph Körfgen verspricht, die neuen Konditionen böten den Agenturen „langfristige Planungssicherheit“ und seien „transparenter“.

Die Verkehrsverträge mit den Ländern schreiben Verkaufs- und Beratungsstellen vor

In der Branche teilt man diese Ansicht nicht. „Wir werden ja sehen, wie viele Reisebüros die neuen Agenturverträge unterzeichnen“, sagt Doldi. „Am Ende werden nur die 475 wichtigsten Agenturen mit Präsenzpflicht in oder bei größeren Bahnhöfen profitieren“, erwartet der DRV-Experte. Auf diese Vertriebsstellen sei der Konzern angewiesen, weil an den betreffenden Standorten meist eigene Schalter und Reisezentren aufgegeben wurden, die Verkehrsverträge mit den Ländern aber Verkaufs- und Beratungsstellen vorschreiben.

Für Bahnkunden wird es seit Jahren immer mühsamer, am Schalter im Bahnhof oder in Reisebüros Fahrscheine mit Beratung zu bekommen. Denn von einst mehr als 1000 DB-Reisezentren in den Stationen wurden 600 geschlossen, und auch in den 400 verbliebenen wurde das Personal ausgedünnt. Die Folge: oft lange Wartezeiten für Reisende. „Umso mehr ist der von den DB Agenturen geleistete Beratungsaufwand besonders wichtig. Die jährlichen Kundenumfragen der Bahn belegen, dass der Ticketverkauf in den Reisebüros mit DB-Lizenz die höchsten Zufriedenheitswerte aufweist“, so Doldi.

Umsatzvergütungen bereits in der Vergangenheit mehrfach reduziert

Dennoch reduzierte der Konzern in der Vergangenheit bereits mehrfach die Umsatzvergütungen der Agenturen. Vor drei Jahren lösten die damaligen Kürzungen unter den seinerzeit noch 2900 DB-Vertriebspartner ebenfalls Ärger aus, auch Politiker kritisierten das Vorgehen. Die damalige Vertriebschefin Birgit Bohle, die inzwischen den DB Fernverkehr leitet, zog die Sparrunde dennoch durch. Zuvor leitete der spätere DRV-Präsident Jürgen Büchy den DB-Vertrieb.

Auch vor drei Jahren konnte der DRV die Kappungen nicht verhindern. „Ein Informationsaustausch mit der DB ist generell schwierig, denn man hat keine Alternative“, sagt Doldi. Der marktbeherrschende Transportriese baut den eigenen Direktvertrieb seit Jahren massiv aus. 2015 machte die DB bereits 32,6 Prozent ihrer Fahrschein-Umsätze im Internet und über Smartphones. Der wichtigste Absatzkanal wuchs damit seit 2013 nochmals kräftig, damals lag der Anteil bei 28,6 Prozent.

Weitere 27,5 Prozent (2013: 28,3 Prozent) des Ticketumsatzes bringen DB-Automaten. Nur noch 17,9 (19,3) Prozent der Erlöse werden in DB-Reisezentren erzielt, weitere 13,2 (13,5) Prozent per Callcenter, im Zug oder Ausland. Der Anteil der Agenturen ist 2015 auf lediglich 8,8 Prozent geschmolzen, 2013 waren es noch 10,2 Prozent.