In der Ortenau geht ein Stück Tabakgeschichte zu Ende. In diesen Tagen sind die letzten Blätter der Tabaksorte Geudertheimer geerntet worden. Ein Verlust nicht nur für Alt-68er.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Still und leise geht eine Ära zu Ende: Auf einem Tabakacker der badischen Gemeinde Neuried (Ortenaukreis), sind die letzten Blätter der Tabaksorte Geudertheimer abgeerntet worden. Die Abnahmeverträge sind abgelaufen und wurden nicht erneuert, künftig gibt es nur noch die Sorte Virgin. Wenn die Blätter getrocknet und fermentiert sind, geht demnächst also die letzte Zigarre mit dem aromatischen Geudertheimer aus Baden in Rauch auf.

 

Über 250 Jahre war die nach einem Ort im Elsaß benannte Pflanze eine wichtige Ertragsquelle der Landwirtschaft links und rechts des Oberrheins. Man wird es in den Rieddörfern noch eine Weile buchstäblich sehen können, denn für den Tabak wurden die hohen Schuppen aus Holz gebaut. In den „Dubakhenken“ wurden die anfänglich in mühsamer Handarbeit aufgefädelten Tabakblätter zum Trocknen aufgehängt.   Geudertheimer war (und ist) das Deckblatt in Stumpen und Zigarren. Und die Würze in der „Roth-Händle“-Zigarette und im „Schwarzer Krauser“ zum Selberdrehen.

Karl Marx als rauchender Zeuge

Alt-68er kennen dieses Kult-Kraut ihrer Studentenzeit und verspüren schon beim Erinnern ein heftiges Kratzen in der Kehle. Schwarzen Tabak, filterlose Zigaretten und Zigarren und Zigarillos wird es natürlich auch weiterhin geben – aber der Geudertheimer oder vergleichbares aromatisches Kraut dafür kommt demnächst nicht mehr aus deutscher Produktion. Er ist den Tabakkonzernen – auch Reemtsma, in dem Roth-Händle und Schwarzer Krauser als Nischenprodukte überleben – schlichtweg zu teuer. In Lateinamerika wird billiger produziert.

Wahrscheinlich wird dort auch noch mehr Zigarre geraucht als hierzulande, wo sich die Liebhaber mit ihren Cohibas in freimaurerisch anmutende Lounges zurückziehen müssen. Und in ihrer Not auch einen Säulenheiligen der Alt-68er als rauchende Zeugen aufbieten: Karl Marx habe immer Zigarren dabei gehabt, denn Rauchen galt seinerzeit als „Zeichen sozialen Fortschritts“ – behauptet zumindest der Club de Fumadores. Richtig ist: Der Hauptautor der blauen Bände beklagte den ökonomischen Misserfolg seines Hauptwerkes so: „Das ,Kapital’ wird mir nicht einmal so viel einbringen, als mich die Zigarren gekostet, die ich beim Schreiben geraucht.“