Begriffe wie „nordafrikanisches Erscheinungsbild“ in Polizeimeldungen sind umstritten. Manche Polizeipräsidien verwenden sie dennoch, wenn die Zeugen sie in ihrer Beschreibung eines Tatverdächtigen benutzen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Wenn die Polizei nach Zeugen fahndet, kommt es auf jedes noch so kleine Detail an. Die Farbe der Kleidung, eine Tätowierung, der Akzent, die Frisur: All diese Kriterien können helfen, einen Tatverdächtigen wiederzuerkennen. Mitunter machen Opfer oder Augenzeugen einer Straftat auch Angaben über die mutmaßliche Herkunft eines Täters. So geschehen in der vergangenen Woche, als das Polizeipräsidium Reutlingen einen Fahndungsaufruf mit der Beschreibung „arabisches Erscheinungsbild“ veröffentlichte. Gesucht wurde ein Mann, der eine Frau belästigt haben soll. Auf Nachfrage der Redakteure des „Tübinger Tagblatt“ gab die Polizei eine genauere Beschreibung wieder: Der Verdächtige habe helle Haut. Das veröffentlichte die Zeitung. Leser wunderten sich, dass jemand mit „arabischem Erscheinungsbild“ hellhäutig sein kann. Denn gemeinhin wird bei der Beschreibung eher ein dunkler Hautton assoziiert.

 

Suche soll nicht eingeschränkt werden, um möglichst viele Hinweise zu bekommen.

„Es war ein Fehler, den Begriff arabisches Erscheinungsbild zu verwenden“, sagt die Polizeisprecherin Andrea Kopp. Die Verwirrung nach der Veröffentlichung beweise, dass solche Beschreibungen irreführend sein können. „Wir benutzen sie normalerweise nicht, sondern versuchen, so genau wie möglich zu beschreiben, also Haarfarbe, Frisur und dergleichen“, sagt Kopp. Schließlich wolle man die Suche nicht unnötig einengen. „Wenn jemand ‚südländisch’ liest, kommt er vielleicht nicht darauf, dass sein Nachbar gemeint sein könnte, und ruft nicht bei uns an, obwohl die Beschreibung ansonsten völlig zutreffend wäre“, sagt Andrea Kopp. Vergangene Woche sei der Begriff „versehentlich reingerutscht, weil das Opfer den Mann so beschrieben hatte“, erklärt sie.

Die Polizeipräsidien gehen mit den Einordnungen bei den Täterbeschreibungen unterschiedlich um. So teilt man in Stuttgart die Einschätzung der Reutlinger Kollegen nicht, dass es falsch sei, die mutmaßliche Herkunft wiederzugeben: „Wir halten uns an das, was vom Zeugen kommt. Wir halten es nicht für sinnvoll, daran herumzuinterpretieren“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Die Polizei gebe den Zeugen oder Opfern nichts vor, die Beschreibungen seien so, wie sie gemacht würden. „Der Erkennungsdienst hat für den internen Gebrauch eine Übersicht, welches Aussehen man typischerweise welcher Herkunft zuordnen kann“, sagt er. Zudem existiere eine vom Landeskriminalamt erstellte Übersicht, die bei Beschreibungen helfe – ebenfalls für den internen Gebrauch. „Da geht es um alles, auch um Frisuren und Bärte. Zum Beispiel ist da auch der offizielle Begriff eines Dschingis-Khan-Bartes darunter, den kann sich jeder vorstellen“, beschreibt Tomaszewski,

Die Sprache ist ein zusätzlicher Hinweis auf die mögliche Herkunft.

Im Ludwigsburger Präsidium wählt die Pressestelle einen Mittelweg: „Begriffe wie nordafrikanisch und arabisch vermeiden wir, weil wir finden, dass viele das nicht so genau definieren und unterscheiden können“, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn. „Wir schreiben dann die Merkmale rein, die genannt werden, wie dunkler Teint oder die Haarfarbe.“ Wenn ein Tatverdächtiger eine fremde Sprache spreche, die erkannt werde, sei der Hinweis schon klarer. „Es ist aber immer eine Einzelfallentscheidung“, sagt Widenhorn.

Das Präsidium in Aalen, das die Meldungen für den Rems-Murr-Kreis veröffentlicht, übernimmt zunächst auch das, was der Zeuge sagt: „Aber natürlich muss man da vorsichtig sein, etwa wenn jemand als Türke beschrieben wird – das kann dann auch ein Kurde gewesen sein“, erläutert der Sprecher des Präsidiums. Ein bestimmtes Land zu nennen, sei grundsätzlich schwierig. „Eher schreibt man die Region rein“, sagt der Aalener Sprecher.