Den Tag der offenen Tür in der Biogasanlage bei Geislingen-Türkheim haben viele Besucher genutzt, um kritische Fragen zu stellen. Der Blick hinter die Kulissen offenbart: Es ist kompliziert, aber auch lohnenswert, Küchenabfälle und Essensreste aufzubereiten.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Geislingen - Das Thema hat zuletzt für reichlich Wallung gesorgt: Seit zwei Monaten wird der Biomüll im Kreis Göppingen in kleinen blauen Plastiksäcken separat gesammelt. Was viele Bürger und Kommunalpolitiker aufregt und ärgert, empfindet Christoph von Jan als notwendig und sinnvoll. Für den Geschäftsführer der Schradenbiogas GmbH sind die Küchenabfälle und Speisereste der Rohstoff, den seine Firma in Energie umwandelt, und damit die Basis allen Schaffens.

 

Seit drei Jahren betreibt das Unternehmen mittlerweile auch die Biogasanlage auf der Albhochfläche bei Geislingen-Türkheim, verwertet dort unter anderem auch den Biomüll aus dem Stauferkreis, arbeitet vor Ort Hand in Hand mit der EnBW-Tochter Sales & Solutions zusammen, die das entstandene Biogas in einer benachbarten Anlage zu Bio-Erdgas mit einem Methangehalt von 98 Prozent aufbereitet und ins Gasnetz einspeist.

Was passiert mit den blauen Plastikbeuteln?

Am vergangenen Samstag hatte die Bevölkerung die Gelegenheit, hinter die Türen beider Anlagen zu schauen. Nicht zuletzt wohl aufgrund der jüngsten Diskussionen nahmen zahlreiche Besucher an einer der Führungen teil – natürlich auch, um kritische Fragen zu stellen. Christoph von Jan, Hans-Jürgen Felsen von Sales & Solutions sowie ihre Mitarbeiter redeten sich unter sengender Sonne jedenfalls den Mund fusselig und bemühten sich um möglichst umfassende Antworten.

Vor allem die Abfallaufbereitung und die Geruchsbelastung beschäftigten die Gäste. Eine interessierte Göppingerin wollte wissen, wie denn die blauen Plastikbeutel von der Biomasse getrennt werden. „Das passiert in einer Entpackungsschnecke“, erklärte von Jan. Diese arbeite, nachdem das angelieferte Material verkleinert worden sei, mit Zentrifugalkraft. „Bei diesem Vorgang bleibt der leichte Kunststoff in einem Sieb hängen, während der schwerere Rest da durch geht.“ Bei anderen Trennvorgängen würden zudem Glas, Metall, Holz und Kartonagen aussortiert.

Hans-Jürgen Felsen räumte ein, „dass wir zuletzt, was die Geruchsemissionen angeht, ein paar Probleme hatten“. Das Verfahren werde aber immer weiter optimiert. „Das sind sehr komplexe Abläufe, so dass wir an vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen müssen“, ergänzte er. Der Schradenbiogas-Geschäftsführer, Christoph von Jan, betonte, „dass es auf dem Areal der Anlage durchaus stinken darf, draußen allerdings nicht“. Sei das der Fall, stimme irgendwo im Gesamtprozess etwas nicht. Dies gelte es Stück für Stück abzustellen.

40 000 Tonnen Bioabfall können verarbeitet werden

Außerdem wurde der Weg vom Müll zum Gas beschrieben. Von der Anlieferung über die Aufbereitung der Abfälle, die in einem aufwendigen Verfahren von sogenannten Störstoffen befreit werden, über die Hydrolyse – die Spaltung einer Verbindung durch Reaktion mit Wasser – bis zum komplizierten Vorgang des Fermentierens, der Gasproduktion und der Veredelung gewährten die Verantwortlichen Einblicke in die gesamte Wertschöpfungskette: Neben Energie entsteht auch flüssiger, keimfreier und ein ziemlich geruchloser Dünger für die Landwirtschaft.

Die Bürger wollten auch wissen, ob sich der Betrieb bei Türkheim, wo bis zu 40 000 Tonnen Bioabfälle pro Jahr verarbeitet werden können, denn rechne. „Wir sind ein Entsorgungsunternehmen und bekommen keine Subventionen, weshalb es sich rechnen muss, dass wir aus jeder Tonne Müll, mehr als 500 Kilowattstunden Energie an die EnBW weiterleiten können“, stellte von Jan klar. Hans-Jürgen Felsen ließ ebenfalls Zahlen sprechen: „Das Gas, das aus dieser einen Tonne Müll nach der Veredelung entsteht, genügt um einen Vier-Personen-Haushalt eine Woche lang komplett mit Energie zu versorgen.“

Durchschnittlich 35 Tonnen Bioabfälle haben die Bewohner des Stauferkreises zuletzt pro Woche an die Straßen gestellt. Vielleicht dient es ja der Akzeptanz des neuen Modells, zu wissen, dass jeder eingesammelte blaue Beutel ein kleiner Beitrag zur angestrebten Energiewende ist.