Die Frage nach der Pressefreiheit stellt sich längst nicht mehr nur in Ländern mit autoritären Regimen oder Staaten, wo Krieg herrscht. Immer wieder hindern Regierungen in westlichen Demokratien die Journalisten an der freien Berichterstattung.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Auf den ersten Blick gibt es keine Überraschungen – in China, Syrien, Eritrea und Nordkorea steht es besonders schlecht um die Pressefreiheit, konstatiert die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) in ihrem jüngsten Bericht. Irritierend ist etwas anderes: Offensichtlich hat sich die Lage der Journalisten auf der ganzen Welt deutlich verschlechtert – vor allem auch in den westlichen Demokratien mit teilweise langen Traditionen einer freien Presse.

 

Journalisten in den USA unter Druck

So fallen die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich stets als Vorbild für freie Meinungsäußerungen gerieren, von Platz 41 auf 43 der ROG-Rangliste. Kritisiert wird, dass dort die juristische Verfolgung von Investigativjournalisten und Whistleblowern besorgniserregende Ausmaße angenommen habe. Und auch der neue US-Präsident Donald Trump trägt einen Anteil an der schlechten Platzierung, indem er systematisch kritische Medien verunglimpft und auch offen beschimpft. Die Gefahr besteht, dass es irgendwann eine relevante Zahl von Leuten gibt, die den „alternativen Fakten“ glauben. Offensichtlich soll auf diese Weise nicht der Wahrheit zu ihrem Recht verholfen werden. Ziel ist es vielmehr, eine demokratische Kontrollinstanz zu delegitimieren.

Rückschritte auch in Europa

Deutlich wird, dass inzwischen auch in Europa klassische staatliche Repressionsmaßnahmendie Meinungsfreiheit bedrohen. So erlaubt etwa in Polen (Platz 54) ein neues Mediengesetz der nationalkonservativen Regierung die Gleichschaltung der Staatsmedien. Inzwischen sind dort mehr als 200 Journalisten entlassen worden. Noch schlechter schneidet Ungarn ab, wo Premier Viktor Orbán seit Jahren am Umbau des Staates nach seinen ganz eigenen Vorstellungen arbeitet, weshalb das Land inzwischen nur noch auf Platz 71 rangiert – noch hinter der Mongolei und Malawi.

Probleme auch in Deutschland

Deutschland schneidet im ROG-Ranking relativ gut ab. Allerdings zeichnet sich eine Entwicklung ab, die die Pressefreiheit weiter gefährden könnte. Aus diesem Grund rangiert die Bundesrepublik auch nur auf Platz 16. Besorgt äußert sich die Organisation vor allem über die „erschreckend vielen tätlichen Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche“ und bezieht sich erneut vor allem auf Angriffe, denen Journalisten auf Demonstrationen etwa von Pegida ausgesetzt waren. „In Nordrhein-Westfalen beispielsweise arbeiten Journalisten, die über rechtsextreme und neonazistische Umtriebe berichten, teilweise unter Polizeischutz“, sagt der ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Mehr Befugnisse für Geheimdienste

Aber auch der Staat erschwere immer wieder die Arbeit von Journalisten; diese gerieten verstärkt ins Visier der Behörden oder Geheimdienste. So sind die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes ausgeweitet und die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt worden. Wenn sich Informanten aus Angst vor Überwachung nicht mehr trauten, Journalisten zu kontaktieren, werde „das Grundprinzip des Journalismus ausgehöhlt“, kritisiert Mihr. Zum einen müsse ein Privileg für Medienvertreter eingeführt werden, das sie von Überwachung ausschließt, fordert er. Zum anderen müsse der Straftatbestand der Datenhehlerei abgeschafft werden. Ansonsten sei es fast unmöglich, mit geleakten Daten journalistisch zu arbeiten. Die Interessen von Staat und freien Medien prallen dann besonders hart aufeinander, wenn Journalisten Informationen von mutmaßlichen Straftätern erhalten oder von Staatsbediensteten, die damit das Dienstgeheimnis brechen.In der Geschichte der Bundesrepublik wurde immer wieder darüber gestritten, wie frei die Presse berichten darf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten sich die durchaus demokratisch orientierten deutschen Politiker noch nicht vorstellen, dass sie von Journalisten bei ihrer Arbeit „kontrolliert“ werden und die Herrschenden keinen korrigierenden Zugriff auf die Medien haben.

Ein schwerer Weg bis zur Pressefreiheit

„Es schien unmöglich, zu einer Gesetzgebung zu gelangen, in der die Presse der regierenden Macht nicht auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert war“, erinnert sich der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay in seinen Memoiren an die Zeit um 1946, als die Militärregierung sich darauf vorbereitet, Presse und Rundfunk wieder in deutsche Hände zu geben. Man teilte den deutschen Landesregierungen daraufhin mit, dass die Lizenzierungen erst dann aufgehoben werden, wenn sie Gesetze erlassen, in denen die Freiheit der Presse garantiert wird.

Vollständig außer Kraft traten die alliierten Vorbehaltsrechte erst im Mai 1955. Da war die Pressefreiheit schon fest im Grundgesetz verankert: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, besagt Artikel 5. „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Trotz der gesetzlich verbrieften Freiheit kann im journalistischen Alltag ein starkes Rückgrat nicht schaden.