Die Bahn ist zu laut. Das finden nicht nur Anwohner, sondern auch der Lärmschutzbeauftragte des Konzerns. Wie soll sich das ändern?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Der Ausschlag um 16.31 Uhr ist kurz, aber heftig. Mehr als 83 Dezibel verzeichnet das Messgerät. Die Lautstärke bewegt sich irgendwo zwischen Staubsauger und Presslufthammer. Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Lärm eines Zugs, der in wenigen Metern Entfernung vorbeirattert.

 

Das Mikrofon reckt sich an der Rheintalstrecke bei Achern (Ortenaukreis) in die Luft. Von dort werden die Daten zur Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz (LUBW) übertragen, die sie ohne Zeitverzug im Internet veröffentlicht. Martin Hoffmann tippt auf einen ICE. „Güterzüge sind lauter und brauchen länger“, sagt der Leiter des Referats Lärmschutz bei der LUBW. Entsprechend dicker und höher verlaufe die Messkurve.

Es wird gemessen, aber nicht ausgewertet

Zunächst bleibt es allerdings bei der Vermutung, die nun in mühsamer Kleinarbeit anhand des Bahnfahrplans überprüft werden müsste. Vor einem Jahr hat die Landesbehörde diese erste Lärmmessstelle an einer Bahntrasse in Baden-Württemberg installiert, um die Richtigkeit bisheriger Rechenmodelle – Lärm wird üblicherweise berechnet – zu überprüfen. Die Deutsche Bahn war einverstanden. Nur den Einbau von Sensoren, die Auskunft über die Art des durchfahrenden Zugs geliefert hätten, gestattete der Konzern nicht.

Wird die Bahn leiser? Zum einjährigen Jubiläum und zum bundesweiten Tag gegen den Lärm an diesem Mittwoch sind die Daten immer noch nicht ausgewertet. „Das müssen wir nachholen“, sagt Hoffmann. Immerhin wird auch der Bund demnächst zwei Messstellen im Land installieren – eine bei Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg), die zweite bei Ebringen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). „Wir wissen, dass die Zukunft nur einer leisen und umweltfreundlichen Bahn gehört“, sagt Andreas Gehlhaar. Früher saß er im Bundeskanzleramt, jetzt ist er der Leiter des Bereichs Lärmschutz bei der DB. Für ihn steht fest: „Wenn wir mehr Verkehr auf der Schiene haben wollen,“ und das sei im Interesse des Klimaschutzes das Ziel, „dann brauchen wir die Akzeptanz der Menschen.“ Sie sei aber nur mit Lärmschutz zu haben. Die Menschen sollten ruhig schlafen, auf dem Balkon grillen und die Kinder zum Spielen in den Garten lassen können.

Schlaflos trotz Lärmschutzwand

Albert Bühler kann davon nur träumen – wenn er denn zum Schlafen kommt. Der Mannheimer wohnt direkt an einem Gleis, auf dem Güterzüge zum Mannheimer Rangierbahnhof poltern. Beim Mittagskaffee verstumme wegen des Lärms regelmäßig das Gespräch. „Hinterher weiß man nicht mehr, wo man stehen geblieben ist“, sagt der 67-jährige Unternehmensberater. Mit Leidensgenossen hat er die Bürgerinitiative „Neuhermsheim Ohne Bahnlärm“ gegründet. Besonders schlimm sei es nachts. „Man ist morgens nicht ausgeruht.“

Dabei hat die Bahn in dem Mannheimer Stadtteil schon eine Lärmschutzwand gebaut und viele Fenster mit Spezialglas ausgestattet. Dank eines mittlerweile milliardenschweren Bundesprogramms hat die Bahn allein in Baden-Württemberg bereits 266 Kilometer Schienenstrecke vollständig saniert. Weitere 16 Maßnahmen mit 24 Kilometern sind in Planung. Bei weiteren zehn Projekten läuft die schalltechnische Untersuchung. Insgesamt stehen im Land 440 und bundesweit 3700 Kilometer Bahnstrecke im Sanierungsprogramm. Nun wird das Konzept überarbeitet. Durch eine Verschärfung der Vorgaben erhöhe sich nicht nur die Zahl der betroffenen Strecken. Auch bereits sanierte Abschnitte müssten neu beurteilt werden, sagt Gehlhaar.

Daneben tauscht die Bahn in ihren Werkstätten an sämtlichen Güterwaggons die Bremsen aus. „Lärm entsteht an vielen Stellen, aber die Bremsen sind ein wesentlicher Punkt“, sagt Gehlhaar. Ein umgerüsteter Zug sei wegen des geringeren Abriebs an den Rädern zehn Dezibel leiser. „Das empfindet das menschliche Ohr als eine Halbierung des Lärms“, sagt Gehlhaar. Die Hälfte der Flotte ist schon umgerüstet.

Tempolimit für die Bahn

Ja, der Unterschied sei zu hören, räumt der BI-Sprecher Bühler ein. Doch er will mehr. „Wir brauchen ein Tempolimit, eine Umfahrung für Transitzüge und eine Beschränkung der Zugzahl.“ Mehr Verkehr auf der Schiene könnte da stören.