Krankheit und Verletzungen stoppten einst Tanja Ostertags Profikarriere. Jetzt ist die 27-jährige Stuttgarterin die neue Nummer eins beim Oberligisten STG Geroksruhe – und von Herbst an auch neue Trainerin des Clubs.

Degerloch - Auf dem Papier sind die Tennisspielerinnen der STG Geroksruhe in der Oberliga klarer Titelfavorit. Und dieser Rolle sind sie an den ersten Saison-Wochenenden auch gerecht geworden. Nach zwei Partien grüßen die Damen vom Frauenkopf von der Tabellenspitze – angeführt von einer ehemaligen Weltranglisten- und Bundesligaakteurin. Tanja Ostertag kam vom Nachbarn TEC Waldau und soll die junge Mannschaft führen. Von Herbst an wird die 27-Jährige auch Trainerin bei der Tennis-Gesellschaft.

 

Spaß mit jungen Spielerinnen

Drei Siege und eine Niederlage, so lautet Ostertags bisherige Bilanz bei den Erfolgen der Geroksruhe gegen den TK Bietigheim (8:1) und den TC Schorndorf (6:3). Am vergangenen Sonntag unterlag die neue Spitzenspielerin zwar im Einzel der Slowakin Jana Jablonovska mit 3:6 und 2:6, spielte im zweiten Doppel an der Seite von Sophia Hummel aber ihre Klasse und Erfahrung aus. Hummel, Jahrgang 2002, ist eine von mehreren Talenten in der Mannschaft, die von der Nummer eins lernen sollen. „Es macht mir großen Spaß, junge Spielerinnen zu betreuen und zu beraten“, sagt Ostertag.

Zu erzählen hat sie eine Menge. Die aus Stuttgart-Freiberg stammende Ostertag kam einst als junges Mädchen zum TC Weißenhof, wo sie zu einer viel versprechenden Nachwuchsspielerin heranwuchs. Nach der Fachhochschulreife packte sie ihre Koffer und zog in die Welt. Die Profitour lockte – und Ostertag deutete mehrfach ihr Potenzial an. Praktisch im Schnelldurchlauf kletterte sie innerhalb eines Jahres in der Weltrangliste um mehrere hundert Plätze nach oben. 2006 stand sie auf Rang 287; ein Flug zur Qualifikation der Australian Open schien zum Greifen nah. Doch nach der Rückkehr von einem 175000-Dollar-Turnier im kanadischen Quebec, bei dem sie über die Qualifikation ins Achtelfinale vorgedrungen war, klagte sie über Müdigkeit. „Ich dachte erst, es wäre der Jetlag“, sagt sie. Doch der vermeintliche Jetlag ließ nicht nach, immer wieder brach sie in ihren Matches ein. Als sie zu einem Arzt ging, diagnostizierte der Mediziner das Pfeiffersche Drüsenfieber.

Sie hadert mit dem Schicksal

Es war der Beginn einer Pechsträhne, die den Abschied vom großen Traum bedeutete. Kaum erholt, erwischte Ostertag ein Ermüdungsbruch. Zu den Australian Open schaffte sie es nie, zog sich stattdessen bald zurück. Doch sie hadert heute nicht mit dem Schicksal, wenn sie auf die Jahre auf der Tour zurückblickt, spricht von „einer superschönen Zeit, die mich sportlich und privat bereichert hat“ – einer Zeit freilich, die vorbei ist. Ein Engagement als hauptberufliche Trainerin kommt für sie nicht in Frage. „Man soll zwar niemals nie sagen, aber das ist für mich momentan nicht vorstellbar.“

Und dennoch: Die Liebe zum Tennis hat nicht nachgelassen. „Ich bin immer noch mit Herz und Leidenschaft dabei“, sagt sie. Ihr Sport ist lediglich eingebettet in einen anderen Arbeitsalltag, den sie gleichermaßen schätzt. Nach einer Verwaltungsausbildung war sie zwei Jahre lang Standesbeamtin im Mühlhausener Schloss und wechselte zuletzt ins Sozialamt. Parallel arbeitete sie beim TC Erdmannhausen als Trainerin. Von ihrer ersten Station zog es sie nun weiter. „Ich wollte mich weiterentwickeln und zu einem größeren Verein.“ Der größere Verein ist die STG Geroksruhe geworden.

Das Klima stimmt

Die Verbindung stellte der Chefcoach David Klier her, den sie aus früheren Zeiten in der Talentschmiede des Württembergischen Tennis-Bundes kennt und mit dem sie 2010 den Trainerschein machte. Klier, Ostertag und der dritte Coach Torben Faigle sind allesamt Jahrgang 1987, das Klima untereinander stimmt. „Ich bin hier sehr offen und freundlich aufgenommen worden“, sagt Ostertag, für die es ein logischer, identitätsstiftender Schritt war, auch als Spielerin an den Albrecht-Leo-Merz-Weg zu wechseln. Beim TEC Waldau hatte sie einige Bundesliga-Einsätze und war als gebürtige Stuttgarterin ein Publikumsliebling. Den Wiederaufstieg ihres alten Clubs beobachtete sie erfreut aus der Ferne.

Die Konzentration gilt einstweilen der Oberliga. Tanja Ostertag lässt keinen Zweifel daran, dass sie aufsteigen will. „Wir haben eine gute Mannschaft mit guten Nachwuchsspielerinnen.“ Im Erfolgsfall winkt ein Wiedersehen mit den alten Kolleginnen vom TEC Waldau II in der Württembergliga. Auf dem Weg dorthin wartet am Sonntag, 10 Uhr, ein anderer Stuttgarter Gegner. Es geht daheim gegen den TC Blau-Weiß Zuffenhausen.