Die Arbeit des Tierforschers Bernhard Grzimek lenkte die internationale Aufmerksamkeit einst auf die Serengeti - und konnte den Nationalpark so vor Einschnitten bewahren.

Arusha - Knochen splittern, Rippen brechen. Gelangweilt und müde hebt der Löwe seinen massigen Kopf und schüttelt seine imposante Mähne. Dann wendet er sich im Schatten einer Schirmakazie schmatzend wieder seiner opulenten Mahlzeit zu. Die Löwinnen warten ein paar Meter entfernt mit vier hungrigen Jungen geduldig darauf, dass ihr Anführer die besten Stücke des erbeuteten Gnus verschlungen hat. Erst dann dürfen auch sie ihre Zähne tief ins blutige Fleisch schlagen. Langsam steuert Patena den offenen Landrover an die Löwengruppe heran. Schon lang zuvor hat er die offiziellen Pisten verlassen, mit seinem Fernglas vergebens den Horizont abgesucht und sich dann über Funk sagen lassen, wo er für seine Safari-Gäste Aufregendes finden kann.
 

 

In der Serengeti überleben nur die Stärksten

Der junge Massai weiß genau, wie nah er sich heranwagen kann. Im Jeep wird es trotzdem schlagartig still. „In der Serengeti überleben nur die Stärksten“, sagt Patena auf der Rückfahrt. Der Blick in die weite Grassavanne zeigt, was er meint. Hier ein paar Knochen und ein Gerippe, dort ein von der Sonne ausgebleichter Schädel und von Termiten abgenagte Kadaver mit Hörnern - alle paar Meter gibt es diese Zeichen von Leben und Sterben, Überleben und Zugrundegehen. Fressen und gefressen werden. Ein immerwährender Kreislauf. Die sieben schlammverdreckten Hyänen, die sich um das rosige Aas eines alten Buschbocks balgen, die Gruppe fuchsähnlicher Schakale, die sich hin und her springend mit bedienen, das gute Dutzend aufgeregter Geier, das sich flügelschlagend ein paar Hautfetzen vom Hinterbein sichert - sie alle sitzen gierig mit an jenem Tisch, den die „große endlose Weite“ (so heißt Serengeti in der Massai-Sprache) für sie jeden Tag neu deckt.
 

Nachts waren Elefanten im Lager

Warum soll es den Touristen anders ergehen? „Karibu“, willkommen, begrüßt Simel im Frühtau die Jeep-Besatzung. Das große Frühstück vor den komfortablen Zelten der exklusiven „Asilia“-Gruppe wird von vorbeiziehenden Giraffen, Zebras und Gnus umrahmt. Nachts waren Elefanten im Lager. Fast lautlos. Nur ihre Dunghaufen verraten sie. Die östliche Serengeti ist nach 20 Jahren erst seit Juli 2014 wieder für den nachhaltigen Tourismus freigegeben. Schon morgens um sechs vor der ersten Pirschfahrt in die Gegend mit der größten Dichte an Geparden im östlichen Afrika beginnt der Tag mit einem heißen Kakao, den ein dienstbarer Geist auf die Minute pünktlich ins Zelt bringt. Aber was heißt hier überhaupt Zelt? Sowohl im Namiri- wie im Kimondo-Camp verfügen die Gäste über ein Vorzelt, einen Hauptraum, in dem nicht nur ein großes Doppelbett Platz findet, sowie über ein geräumiges Bad mit WC, dessen Dusche - nach abendlicher Vorbestellung - aus einem 20 Liter fassenden Heißwasserbehälter gespeist wird. Richard Naweti, der Kimondo-Campchef , ist stolz: „Wir ziehen zweimal mit der großen Herdenwanderung mit“, sagt er, immer nah an jenem gigantischen Zug von 1,3 Millionen Gnus und 500 000 Zebras, der sich Jahr für Jahr kalbend und kotend über die endlose Ebene walzt, krokodilreiche Flüsse durchquert, von Löwen gejagt wird und dabei wie synchronisiert auf einen Schlag 400 000 Gnu-Babys zur Welt bringt.
 

Leoparden sind bessere Jäger als Löwen

Was zum großen Lebenskreislauf der Serengeti gehört - schließlich bleiben fast eine Viertelmillion Tiere zu Tode erschöpft oder von Löwen, Leoparden und Geparden gerissen auf der Strecke. „Es bleibt für alle genug übrig“, sagt Patena. „Die Serengeti ist nicht nur für Löwen ein Schlaraffenland.“ Savannen-Alltag. Vor dem Landrover hinkt ein Zebra hinter der wild davongaloppierenden Herde her. „Das schafft es nicht lebend bis zum Abend“, sagt Patena. Er wird recht behalten. Auch die Gazelle, die ein Leopard auf einem Ast hoch im Baum in Sicherheit gebracht hat, hat es nicht geschafft. „Leoparden sind bessere Jäger als Löwen, weil sie gut versteckt von oben auf ihr Opfer springen “, erklärt Patena. Aber nicht so schnell wie die Gepardin, die satt und dickbäuchig ihre beiden Halbstarken unter Kontrolle zu halten sucht. Dann geht es zurück. „Unsere Camps verschwinden aus dem Busch, so als ob es sie nie gegeben hätte“, sagt Naweti. Die Energie kommt von der Sonne. Das Wasser aus 70 Kilometer Entfernung. Mit dem Tankwagen. Acht Zweipersonenzelte, die Lobby mit WLAN, das Küchen- und das WC-Zelt. 22 Angestellte für 16 Gäste. Mittendrin. In der Nacht hört man aufregende Töne und Geräusche - nicht nur aus dem entfernten Nachbarzelt der Flitterwöchner.
 

Die Überreste eines Wasserbocks von der nächtlichen Jagd liegen nur ein paar Hundert Meter entfernt

Keine Frage, dass man nach dem Abendessen am Lagerfeuer in Massai-Begleitung zu seinem Zelt begleitet wird. Dass morgens nach dem großen Regen auf einer Erhebung in Sichtweite eine respektheischende Löwin müde ihr Fell trocknet - die Überreste eines Wasserbocks von der nächtlichen Jagd liegen nur ein paar Hundert Meter entfernt -, verleiht der gerade noch als folkloristische Wichtigtuerei belächelten Vorsichtsmaßnahme für die nächsten Abende dann doch Nachdruck. Auch die Mahnungen von Nathoo werden im Morgengrauen nur mit halbem Ohr aufgenommen. Streng weist der 52-jährige Wildhüter die kleine Gästetruppe des luxuriösen Sayari-Basiscamps vor der einstündigen Buschwanderung nahe der tansanischen Grenze zu Kenia ein, gehorsam seinen Anweisungen zu folgen. Nicht reden; im Gänsemarsch gehen; nach Nathoos Handzeichen erstarren, hocken, zurückweichen oder sammeln. Wer anhalten will, muss leise pfeifen oder mit den Fingern schnipsen. Doch diesmal ist die Vorsicht übertrieben. Kein gefährliches Großwild weit und breit.
 

Hippos haben in Afrika mehr Menschenleben auf dem Gewissen als irgendein anderer Säuger

Nathoo muss sich bescheiden. Auch wenn er seine wuchtige Winchester-Büchse nicht aus der Hand lässt. Doch was er dann präsentiert, hat es durchaus in sich. Kleine Wunderwerke der Natur: raffiniert platzierte Spinnennetze, besondere Granitfelsen, an denen sich die Elefanten die Haut sauber reiben, Pflanzen mit schier unglaublichen Heilkräften. Am Ende der Tour wartet am Mara-Fluss ein gedeckter Frühstückstisch. Etwas dekadent, ja, aber auch wunderbar. Auf steinigen Inseln im Fluss steht ein gutes Dutzend Flusspferde. „Passt auf“, sagt Nathoo, „die Viecher sind nicht nur unglaublich flink, sondern auch sonst nicht ohne.“ „Welche Tiere sind am gefährlichsten?“, fragt Nathoo. Löwe, Leopard? „Ach was“, antwortet der Wildhüter. Es seien die aggressiven Flusspferde. Die kurzbeinigen Hippos, bis zu 1500 Kilogramm schwer, hätten in Afrika mehr Menschenleben auf dem Gewissen als irgendein anderer Säuger. Das Glas Tee in der Hand hält man respektvoll Abstand.
 

Am Mara-Fluss spielt sich eines der spektakulärsten Naturschauspiele der Welt ab: die „Great Immigration“

Am Mara-Fluss spielt sich Jahr für Jahr auf der großen Tierwanderung eines der spektakulärsten Naturschauspiele der Welt ab: die „Great Immigration“. Zu Hunderttausenden stürzen sich die Gnu-Herden nach ihrem wochenlangen Treck in die Fluten. Übereinander, durcheinander, blindlings im Gefolge der Leittiere. Tausende ertrinken, werden zertrampelt oder leichte Beute der über vier Meter langen Krokodile. Früher gab es in Afrika mehrere solcher massenhaften Wanderungen. Doch die Menschen haben das Land der Tiere eingenommen. Heute ist die Migration in der Serengeti eine der letzten verbliebenen - nicht zuletzt das Verdienst des berühmten Tierforschers und Fernsehonkels Bernhard Grzimek. Der Frankfurter Zoodirektor und sein Sohn Michael hatten in ihrem zebragestreiften Flugzeug 1959 die erste Datengrundlage gelegt, die zeigt, wie, wo und wie viele Tiere sich auf die Wanderung machen. Seit mehr als 30 Jahren zählt die Zoologische Gesellschaft Frankfurt alle zwei Jahre die Gnu-Bestände aus der Luft - Wissen, das die Basis für die Schutzmaßnahmen in der Serengeti bildet. Schnell geht die Sonne unter. Am Fuß eines malerischen Kopjes (Afrikaans für „kleine Köpfe“) - eines hohen Granitfelsens - hat Simel auf einem Klapptischchen die Flaschen für den Sundowner, das Picknick in der Abenddämmerung, gruppiert. Bier, Wein, härtere Sachen. Heia Safari.

Infos zu Serengeti-Nationalpark in Tansania

Anreise

Turkish Airlines von Stuttgart über Atatürk-Airport Istanbul nach Kilimandscharo und zurück ab 680 Euro. Condor von Frankfurt ab 621 Euro; Ethiopian Airlines Frankfurt via Addis Abeba ab 1048 Euro


Unterkünfte

Pirschfahrten und Buschwanderungen. Zeltcamps von „Asilia Africa“, elf Übernachtungen ab 6200 Euro pro Person (Nebensaison 1.-19. November) im DZ inkl. Vollpension, Steuern, Eintrittspreise, Nationalparkgebühren und persönlichem deutschsprachigen Betreuer; www.enchantingtravels.de ; www.asiliaafrica.com

Individuelle Reise,

etwa zum Ngorongoro-Krater, wo Grzimeks Urne neben Sohn Michael, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, begraben ist, www.marco-polo-reisen.com/individuell
 

Entdeckerreise

„Tansania - Land & Strand“ mit etwa 18 Teilnehmern. 16 Tage ab 3639 Euro pro Person im DZ, www.marco-polo-reisen.com/7348


21-tägige Reise

„Tansania - Safari im Schatten des Kilimandscharo“ für Traveller zwischen 20 und 35 Jahren im Overlander-Truck ab 2899 Euro pro Person im DZ, www.marco-polo-reisen.com/7316