Die Arbeitgeber und die IG Metall äußern sich zufrieden über das Pilotabkommen für die Metallindustrie – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Sindelfingen - Es ist schwierig, Schwaben zufriedenzustellen – aber für meine Verhältnisse bin ich sehr zufrieden“, sagt IG-Metall-Chef Berthold Huber, als der Tarifstreit ausgestanden ist. 17 Stunden Verhandlungen am Stück lagen hinter ihm und den anderen Unterhändlern – zudem die zweite lange Nacht binnen vier Tagen. Gegen halb fünf am Samstagmorgen waren die vier Hauptdarsteller, Berthold Huber und Jörg Hofmann für die Gewerkschaft sowie Martin Kannegiesser und Rainer Dulger auf Arbeitgeberseite, in der Sindelfinger Stadthalle vor die Kameras getreten – ohne eine freudige Regung und sehr erschöpft.

 

Hubers Pendant, Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser, bewertet den Abschluss grundsätzlich. „Die Tarifautonomie trägt nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch in Phasen, die nicht ganz sicher sind“, sagt er. Während die Politik von Tagesstimmungen bestimmt werde, „bilden wir eine Konstante, um für unseren Standort Zusammenarbeit zu regeln“. Der Umgang während des Konflikts sei in den Regionen und auf Bundesebene sachlich und offen gewesen. „Wir haben einander zugehört – das ist keine Selbstverständlichkeit mehr“, betont er.

Mehr Rechte für die Betriebsräte

„Tarifverhandlungen sind kein Wunschkonzert“, sagt Huber dann. „Wir konnten nicht alle unsere Forderungen erreichen.“ Als Beispiel führt er die Übernahme von Absolventen eines dualen Studiums an. 30 000 junge Menschen im Südwesten kombinieren Universität und Betriebsausbildung – 12 000 von ihnen gehören zur Metallindustrie. Die IG Metall betrachtet sie als einen Teil der Belegschaft, aber die Arbeitgeber verweigerten deren generell unbefristete Übernahme, weil die Gewerkschaft für diese Gruppe nach Meinung der Arbeitgeber nicht zuständig sei.

Insgesamt trage das Ergebnis aber dazu bei, die Spaltung in den Betrieben und auf dem Arbeitsmarkt ein Stück zu verringern, urteilt Huber. Der Tarifabschluss schließe an die qualitativen Vereinbarungen der Vergangenheit an. Die Betriebsräte hätten in den Bereichen Zeitarbeit und Ausbildung „mehr Rechte und damit mehr Handlungsmöglichkeiten erhalten“. Bei der Leiharbeit „haben wir erste Schritte gemacht, aber wir sind damit nicht zufriedengestellt“, sagt Huber. Die Prekarisierung, eine große Herausforderung der Arbeitsgesellschaft im 21. Jahrhundert, akzeptiere die IG Metall nicht. „So wird der zweite und dritte Schritt folgen.“ Als Nächstes werde man sich den Werkverträgen widmen, mit denen die Leiharbeit umgangen werde. Sein Bezirksleiter Jörg Hofmann freut sich, dass „bei der Leiharbeit nun festgeschrieben und mit Kriterien hinterlegt ist, wie Betriebsräte Mitbestimmungsrechte wirksam ausüben können“. Nach 24 Monaten muss der Leiharbeiter übernommen werden, wenn keine Sachgründe vorliegen.

Entlastungen für die Betriebe

Kannegiesser und Südwestmetall-Chef Dulger heben hervor, dass jede Einschränkung der Zeitarbeit mit einer Entlastung an anderer Stelle verbunden sei. Es gebe mehr Möglichkeiten der internen und externen Flexibilisierung als vorher. Bei der Ausbildung könne der Unternehmer weiterhin allein festlegen, wie viele Lehrstellen er schaffen wolle. „Wir hatten unsere Befürchtungen und Einwände, aber die Regelungen eröffnen Perspektiven“, bilanziert der Mittelständler Kannegiesser mit Blick auf die Widerstände im Unternehmerlager. „Für uns als Betriebe ist das akzeptabel.“

Die Lohnerhöhung erhält eine geringere Aufmerksamkeit als sonst. Im Blickpunkt stehen vor allem die qualitativen Themen. Um sie zu lösen, war eine Expertenkommission mit jeweils 15 Praktikern eingesetzt worden. Die geheimnisumwobene Kommission, „das waren Dick und ich – sowie ein paar Schergen“, scherzt Hofmann nach der Einigung. Peer-Michael Dick ist der Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall. Um die Lohnprozente wurde am Schluss nur zwei Stunden gefeilscht. Seine „magische Zahl“ sei dabei überschritten worden, verrät Huber. Intern habe er wegen der volatilen Wirtschaftsentwicklung für eine kürzere Vertragslaufzeit und gegen einen Zweijahresvertrag plädiert. „Man muss das nicht auf Dauer machen, aber in der gegenwärtigen Krisenphase ist das der richtige Weg“, erläutert er.

Der Tarifabschluss im Überblick

Entgeltsteigerung Die Löhne steigen nach dem sogenannten Nullmonat April zum 1. Mai um 4,3 Prozent – der Tarifvertrag endet nach 13 Monaten am 30. April 2013. Auf zwölf Monate umgerechnet beträgt der Gehaltsanstieg nur um die vier Prozent. Zeitarbeit Künftig darf ein Zeitarbeitnehmer ohne Einschränkung für 18 Monate im Betrieb eingesetzt werden. Danach muss der Entleiher prüfen, ob er unbefristet übernommen wird. Nach 24 Monaten muss ein Übernahmeangebot gemacht werden. Ausnahmen gelten, wenn Sachgründe wie Projektarbeit oder Vertretungszeiten den längeren Einsatz rechtfertigen. In der Praxis ist das Gros der Leiharbeiter unter zwei Jahren beschäftigt; so entsteht in vielen Betrieben keine Übernahmepflicht.

Daneben gilt ein Optionsmodell: In freiwilligen Betriebsvereinbarungen können weitere Regelungen für Leiharbeiter getroffen werden, wenn zugleich die innerbetriebliche Flexibilität erhöht wird. Das kann eine Ausweitung der Beschäftigtenquote auf 30 (bisher 18) Prozent sein, die mehr als 35 und bis 40 Stunden in der Woche arbeiten, oder ein zusätzliches Arbeitszeitvolumen der Gesamtbelegschaft. Ausbildung Die Tarifvertragsparteien „empfehlen“, dass die Ausgebildeten in der Regel nach bestandener Abschlussprüfung unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden. Ein Angebot auf eine unbefristete Stelle muss der Arbeitgeber aber nur jenen machen, die er tatsächlich benötigt. Diesen Bedarf kann er sechs Monate vor Ende der Ausbildung selbst festlegen und muss den Betriebsrat darüber unterrichten. Dann muss er die über Bedarf Ausgebildeten für zwölf Monate übernehmen.

Neu ist also: der Unternehmer muss sich rechtfertigen, wenn er nicht alle Azubis übernimmt. Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat den Bedarf aber sechs Monate vor Beginn der Ausbildung gemeinsam festgelegt haben, können die über Bedarf Ausgebildeten keine Übernahme beanspruchen. Förderjahr Mit einem betrieblichen Förderjahr sollen nicht ausbildungsreife Schulabgänger an eine berufliche Ausbildung herangeführt werden können. Damit soll ein Beitrag zur Stärkung des Fachkräftepotenzials im Lande geleistet werden.