Auch ein alternatives Arbeitgeberangebot konnte die IG Metall nicht mehr umstimmen: Von Freitagmorgen an lässt die Gewerkschaft in der Metall- und Elektroindustrie bundesweit streiken. Eine Lösung des Tarifkonflikts erscheint damit nicht vor Mitte Mai möglich.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Pforzheim - Die dritte Verhandlungsrunde für die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie hatte noch gar nicht begonnen, da waren die ersten konkreten Warnstreikankündigungen schon per E- Mail ausgesandt. Die IG Metall machte sich kaum noch Mühe, ihre Pläne zu kaschieren: Demnach sollen die Aktionen am Freitagmorgen um null Uhr losgehen – es ist „der Beginn der Unfriedenspflicht“, wie Bezirksleiter Roman Zitzelsberger vor 3000 Beschäftigten in Pforzheim sagte. Er selbst wolle um Mitternacht bei Daimler in Rastatt auftreten.

 

Zum Auftakt hat die IG Metall mehr als 150 Betriebe mit 40 000 Beschäftigten ins Visier genommen – in Stuttgart die Zulieferer Mahle, Bosch in Feuerbach und Lapp Kabel in Vaihingen. Von den Automobilherstellern ist in dieser Woche nur Audi in Neckarsulm tangiert. Daran konnte auch das „alternative“ Angebot nichts mehr ändern, das die Arbeitgeber in allen Tarifbezirken präsentierten – auch bei den dreistündigen Verhandlungen in Pforzheim. Die neue Offerte sieht rückwirkend zum 1. April 2016 eine zweistufige Entgelterhöhung von 2,1 Prozent vor. Obendrauf kommt eine Einmalzahlung von 0,3 Prozent für zwölf Monate. Damit wurden die aus Sicht der Gewerkschaft provozierenden 0,9 Prozent aus dem ersten Angebot optisch aufgemöbelt. Zitzelsberger sprach von „neuem Wein in alten Schläuchen“, weil die höhere Lohnzahl für die längere Laufzeit von 24 Monaten gelten soll.

„Unser Land versinkt in Streiks“

Südwestmetall-Chef Stefan Wolf nannte die Offerte eine „gute Gesprächsgrundlage“. Denn „auch dieses Angebot würde angesichts der aktuell niedrigen Inflation einen deutlichen Reallohnzuwachs bedeuten“. Die angekündigten Warnstreiks und die Verdi-Aktionen im öffentlichen Dienst fasste er in der Botschaft zusammen: „Unser Land versinkt mal wieder in Streiks.“ Es sei die Frage, ob die IG Metall weiteres Öl ins Feuer gießen und damit dem Ruf der Wirtschaft im Ausland schaden müsse, nachdem in der Vergangenheit noch Maßhalten angesagt gewesen sei.

Zitzelsberger zufolge hat die IG Metall ihre Warnstreiks „erst mal bis Pfingsten geplant“. Ob es die von Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück bereits geforderten Ganztagesstreiks gibt, „hängt dann vom weiteren Verlauf der Verhandlungen ab“. Der Dachverband Gesamtmetall hatte angekündigt, diese verschärfte Form der Arbeitsniederlegungen juristisch zu überprüfen. Wolf wollte sich dieser Haltung nicht so recht anschließen. „Das sollten wir erst entscheiden, wenn die Dinge stattfinden“, sagte er. Zitzelsberger nannte die Tagesstreiks „hundert Prozent wasserdicht“ – sie seien „kein Vabanque-Spiel“. Gesamtmetall schreie schon, „bevor es wehtut“, fügte er an.

Nächste Verhandlungen voraussichtlich am 11. Mai

Ein viertes Treffen wird voraussichtlich erst am 11. Mai stattfinden. Beide Seiten wollen erst einmal intern beraten. „Es kommt sehr stark auf die Signale an, ob man zu einer konstruktiven Gesprächsbasis findet“, sagte Wolf. „Wir sind bereit dazu.“ Dahinter stecken wohl auch Überlegungen, ob dann Baden-Württemberg oder ein anderer Tarifbezirk den Vortritt erhält. Dies wäre ein Zeichen für den Schauplatz des Pilotabschlusses. Einigkeit erzielten beide Seiten immerhin in dem Ansinnen, „dass wir in Baden-Württemberg weiterhin viele gute Arbeitsplätze haben“, wie Zitzelsberger sagte – was Wolf sogleich lobend hervorhob.

Der Bezirksleiter berichtete von mehr als 60 nicht tarifgebundenen Unternehmen, die bisher aktiv in die Aktionen eingebunden würden. Die Tarifbindung zu steigern, ist ein Kernziel der Gewerkschaft. „Wir werden am Ende etliche Betriebe mehr in der Tarifbewegung haben.“ Wer den Beschäftigten keine Tarifbindung zugestehe, „bescheißt sie“, hatte er bei der Kundgebung formuliert.

In Pforzheim einst die Tarifgeschichte geprägt

Schauplatz der Verhandlungen war übrigens das Congress-Centrum in Pforzheim – hier gelang es am 12. Februar 2004, einen tarifpolitischen Meilenstein zu setzen. Damals hatten der im November 2014 verstorbene, frühere Südwestmetall-Vorsitzende Otmar Zwiebelhofer und der heutige IG-Metall-Chef Jörg Hofmann das sogenannte „Pforzheimer Abkommen“ vereinbart. Der Vertrag modernisierte die Tarifautonomie und war die Grundlage für viele differenzierte Tarifabschlüsse. Die IG Metall musste fortan schwere interne Kämpfe aushalten – erst nach einigen Jahren verstummten die Kritiker.