Der Bremer Tatort ist düster, grausam und handelt von Drogen, Traumata und toten Kuscheltieren. Keine leichte Kost also – und tatsächlich lenkt Regisseur Florian Baxmeyer mit viel Atmosphäre von einer gravierenden inhaltlichen Schwäche der Story ab.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Bremen - Im Bremer Tatort geht es manches Mal ruppig zu – die letzte Ausgabe im Februar etwa handelte von Sex, Drogen und Killerkommandos. Die Story, die Autor Christian Jeltsch und Regisseur Florian Baxmeyer unter dem Titel „Er wird töten“ (Sonntag, 20.15 in der ARD und in der ARD-Mediathek) am Sonntagabend ins Fernsehen bringen, ist ein wenig subtiler. Sie spielt sich auch und vornehmlich in den Köpfen ab. Dabei geht es wieder um Drogen, die aber vor allem gegen die Traumata helfen sollen – gegen die Extremsituationen, an denen Menschen zu zerbrechen drohen.

 

Es kann jeden treffen, das ist eine der Aussagen dieses düsteren Krimis. Dass man wie der im Tatort nach Deutschland zurückgekehrte Oberkommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) beim Einsatz in Afghanistan traumatisiert wird, ist naheliegend. Doch es kann auch in Deutschland passieren, wo man als Ärztin die 30-Stunden-Schichten nur auf Speed aushält – oder von einer Geschäftsreise heimkommt und die eigene Tochter tot im Bett findet.

Ein Messer im Rücken

Dieser Moment, das lernt man während der überaus spannenden anderthalb Stunden, ist nicht nur für den verzweifelten Vater Joseph Vegener (Peter Schneider) der Punkt, an dem sich alles ändert. Er ist auch der Ausgangspunkt für die ganze Story, die sich um Verdachtsmomente, Rachegefühle und Familienzusammenhalt dreht. Frei nach dem Motto: Blut ist kein Wasser. Das gilt auch, wenn es um die Loyalität zum Geliebten und zum Vater geht, wie sie Marie Schemer (Annika Kuhl) lebt.

Schemer steht formal im Mittelpunkt dieses Tatorts. Ihre Wohnung wird zum Ort schauerlicher Vorfälle, das Kinderzimmer ihrer toten Tochter zum Friedhof der Kuscheltiere. Eigentlich aber – und diese Vielschichtigkeit ist die Stärke dieses Sonntagskrimis – geht es um die Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und ihr Verhältnis zu den anderen Hauptakteuren. Und um den Verlust ihres ermordeten Partners Leo Uljanoff (Antoine Monot Jr.), mit dem sie erst in der vergangenen Ausgabe des Bremens-Tatorts eine Liebesbeziehung begonnen hat. Nun taumelt Uljanoff gleich zu Beginn mit einem Messer im Rücken dem Tod entgegen. Besonders gruselig: der Mord passiert in der Toilette des Polizeipräsidiums.

Nur Opfer

Der Aktionismus der Polizisten nach dem Mord an Uljanoff wirkt manchmal aufgesetzt; die Story ist eigentlich ganz simpel und das Mordmotiv eigentlich ziemlich abwegig. Wohlwollender formuliert, zeigt sich ganz am Ende die ganze Niedertracht und Sinnlosigkeit dieses Verlusts, den Inga Lürsen während der gesamten Handlung mit sich trägt – in dessen Folge andererseits aber erst viele andere Dinge ins Reine kommen. Wer es war, ist dabei von Anfang an mehr oder weniger offensichtlich.

„Eine Geschichte über Schuld und Sühne, in der es keine wirklichen Täter, sondern nur Opfer gibt“, verspricht Regisseur Florian Baxmeyer in einem der Pressemappe beigefügten Interview. In diesem Sinne sind wir alle Opfer oder könnten es jederzeit werden. Ja, dieser Krimi ist ziemlich nah an einem traurigen Teil unserer Realität.

Schönste Krimifloskel: „Keiner erwartet das von dir!“ – „Doch, ich. Ich erwarte das von mir.“ Das sagt Hauptkommissarin Inga Lürsen unmittelbar, nachdem sie von der Ermordung ihres Lebensgefährten gehört hat und es darum geht, ob sie an den Ermittlungen beteiligt sein wird oder nicht.

Heimliche Stilikone: Der Einbrecher, der die Inneneinrichtung des Hauses von Marie Schemer höchst professionell zerstört und beschmiert: die Drohparolen sind stilecht mit Lippenstift auf die Spiegel gekritzelt, die Kuscheltiere im Kinderzimmer werden regelrecht ausgenommen und die Wirkung der umherfliegenden Federn im nächtlichen Wind ist nicht zu unterschätzen. Sogar die geflüsterten Drohanrufe kriegen die fiesesten Verbrecher nicht besser hin.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: „Ich verhafte Sie wegen schweren Verdachts auf Mord an Leo Uljanoff“, sagt Hauptkommissarin Lürsen, kurz nachdem sie Joseph Vegener mit dem Auto gerammt und ihn aufs Polizeirevier gebracht hat.