Matthias Hartmann ist der neue, etwas schrullige Chefermittler im Dortmunder Tatort. Die erste Folge seines Ermittlungsteams feiert an gebührender Stelle Premiere: im BVB-Stadion.

Dortmund - Sackgesicht“, dieses irgendwie doch wohlklingende Schimpfwort gefiel WDR-2-Moderator Matthias Bongard so gut, dass er es gleich mehrmals an diesem Freitagabend gebrauchte. Als „Sackgesicht“ stellte er Schauspieler Jörg Hartmann vor, und der täuschte folgsam Entrüstung vor, als sei er persönlich und nicht sein Alter Ego Peter Faber beleidigt worden.

 

Der 43-jährige Dreitagebartträger spielt im neuen „Tatort“ aus Dortmund den Chef einer verdrehten Vierertruppe. Mit Hartmann feierten 1200 Fernsehleuten und Menschen die „Welturaufführung“ (Bongard) im BVB-Stadion in Dortmund. Dort an der Strobelallee ist an Bundesligatagen Platz für exakt 80 645 Fans. Die größte Fußballstätte Deutschlands musste es sein – eine Nummer kleiner ging es wohl nicht. Andererseits, der Ort passte. Dortmund ist Fußball. Und Fußball, also der BVB, spielt natürlich auch eine Rolle im ersten „Tatort“ aus dem Pott seit Hansjörg „Haferkamp“ Felmy (Essen) und Götz „Schimanski“ George (Duisburg).

Kaum wurde bekannt, dass Krimiroutinier Thomas Jauch das Dortmund-Debüt „Alter Ego“ in der „Tatort“-Liga inszenieren soll, erhielt der Regisseur eine Mail vom Meisterclub mit dem Angebot zur Unterstützung. „Da gibt es eine gute Connection“, sagte Bayern-Fan Jauch. Selbstredend, dass einer in Jauchs Krimiquartett  schwer auf Gelb steht. Oberkommissar Daniel Kossik (Stefan Konarske) trägt BVB-Schal und lässt sich von BVB-Fangesang morgens wecken. Über eine „Tatort“-Folge rund um den BVB werde schon nachgedacht, verriet Jauch. Zum Auftakt begeben sich Faber und Konsorten aber erst einmal ins Schwulenmilieu.

Bilder voller Sex und Mord

Es dämmert in Dortmund, und auf der Riesenleinwand vor der Westtribüne beginnt ein strapaziöses Bilderbombardement aus Sex und Mord. Der „Tatort“ legt ein Mordstempo vor. Die Augen suchen Ruhe und wandern zu leeren Rängen, wo sich sonst die gelbe Wand aus Fans aufbaut. Vier Ermittler – neben Faber und Kossik sind noch die Kommissarinnen Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel) dabei – bedingten nun mal eine „schnellere Erzählweise“, hatte WDR-Redakteur Frank Tönsmann vorab erklärt. Sehr viel wird angerissen, angedeutet – Stoff für weitere „Tatort“-Episoden. Über die Hauptfigur Faber erfährt man so viel: der Mittvierziger ist aus unbekanntem Grund von Lübeck in seine Heimatstadt Dortmund versetzt worden. Er hatte Frau und Kind, ist jetzt Witwer, schluckt Antidepressiva, Stühle mag er nicht.

Auch hält er nicht viel von höflichem Benimm. Händeschütteln? Grüßen? Pah. „Ich habe Ihre Akte gelesen, Sie haben mich gegoogelt, reicht doch“, raunzt er einmal seinen Mitarbeiter Kossik an. Hartmann spielt das genauso, nun ja sackgesichtig wie den widerlichen Stasioffizier Falk Kupfer in der ARD-Serie „Weissensee“, für die er im vorigen Herbst den Deutschen Fernsehpreis bekam. „Die werden Sie nicht alle sofort lieb haben“, hatte Regisseur Jauch vor der Premiere versprochen. Und behielt recht. Was sonst? Es ist derzeit ungeschriebenes Gesetz, dass TV-Polizisten Schrullen, Macken, am besten Neurosen haben müssen. Nur ist das Ränzchen, das Drehbuchautor Jürgen Werner diesem Hauptkommissar Faber gepackt hat, doch ein bisschen schwer und wenig ingeniös.

Man hat ihn also auf den ersten Blick nicht lieb, diesen ersten „Tatort“ aus Dortmund, der am 23. September im Ersten ausgestrahlt wird. Aber vielleicht auf den zweiten. Episode Nummer zwei ist schon abgedreht und soll im November ins Fernsehen kommen.