Jörg Hartmann spielt seit 2012 die Rolle des Hauptkommissars Peter Faber im „Tatort“ aus Dortmund. Erschien der Charakter anfangs noch überzeichnet, hat er sich inzwischen zu einem Original entwickelt.

Stuttgart - „Hundstage“ heißt der „Tatort“ aus Dortmund, der an diesem Sonntag in der ARD läuft. Es geht um einen verschwundenen Jungen, der nach Jahren wieder auftaucht. Der Fall ist besonders nervenzehrend für die Hauptkommissarin Martina Böhnisch. Warum aber auch Peter Faber wieder einmal mit sich und seiner Vergangenheit kämpfen muss, verrät er im StZ-Interview.

 
Herr Hartmann, in diesem „Tatort“ geht es um einen verschwundenen Jungen. Ist das wieder ein besonders schwieriger Fall für Faber auf Grund seiner Biografie?
Dieser Fall ist hauptsächlich für die Kommissarin Martina Böhnisch schwierig. Für Faber ist es insofern schwierig als dass er jetzt beim Polizeipsychologen sitzen muss wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde, die er im letzten Fall bekommen hat. Eine Frage des Psychologen zieht ihm dabei den Boden unter den Füßen weg
Welche Frage?
Die Frage, warum er Polizist geworden ist. Das wirft ihn völlig aus der Bahn. Schließlich würde Fabers Familie noch leben, wäre er nicht Polizist geworden.
Die Figur des Peter Faber hat sich inzwischen etabliert. War von Anfang an klar, in welche Richtung sie sich entwickeln würde?
Wir haben zu Beginn der „Tatort“-Reihe 2012 noch nicht abgesehen, wie der Faber in Folge acht einmal sein wird. Das war eher nebulös. Da war nur der Bogen für die ersten vier Teile absehbar bis zur Konfrontation mit dem Mörder seiner Familie. Man lebt ja auch mit der Figur, wächst in die Figur rein, auch der Faber ist heute ein anderer als vor knapp vier Jahren.
Inwiefern fließen Ihre eigenen Ideen in die Figur mit ein?
Der Draht zum Autor und zur Produzentin ist recht kurz und wir basteln bis zu letzt an den Szenen. Wenn es darum geht, diesen leichten Ruhrgebiets-Slang und die Ruhrpott-Mentalität rein zu bringen, dann bin ich dafür verantwortlich. Es war von mir stets ein Wunsch, das Drehbuch möglichst früh zu bekommen, damit ich mich möglichst intensiv damit auseinander setzen kann. Bei anderen Filmen ist es häufig so, dass das Drehbuch erst kurz vor knapp kommt. Wenn es dann noch große Schwächen hat, kann man natürlich nicht mehr viel ausrichten.
Wie nähern Sie sich dem ambivalenten Charakter des Peter Faber, welche Ressourcen zapfen Sie an?
Man muss irgendwie gucken, dass man im eigenen Leben etwas findet, an das man andocken kann– auch wenn ich zum Glück nicht auf so ein traumatisches Erlebnis wie Faber zurück blicken muss. Im Vorfeld hab ich natürlich versucht, am Grundteppich der Figur zu arbeiten. Das ist ein Charakter, an den kann man nicht kopfig ran gehen, das ist ein Intuitiver, der hat sein Zentrum ganz tief unten im Bauch. Die Figur schüttel’ ich nicht mal eben aus dem Ärmel.
Wie weit weg ist Jörg Hartmann von Faber?
Ziemlich weit. Ich bin ganz anders. Manchmal gibt es vielleicht eine Art von Humor, die wir gemeinsam haben. Ich versuche eben diesen Ruhrpott-Ton oder diese innere Haltung mit einzubringen, letztlich kommt ja alles von mir.
Also rastet Herr Hartmann nie so aus wie Kommissar Faber?
Das wäre für seine Familie und sein Umfeld schwer zu ertragen! Herr Hartmann kann schon durchaus mal an die Decke gehen, aber letztlich ist er ein harmoniebedürftiger Mensch. Ich versuche im Umgang mit anderen Menschen Kinderstube zu beweisen. Ich habe ja zum Glück auch nicht so traumatische Erfahrungen wie Faber gemacht, bin eher mit einer gewissen Leichtigkeit gesegnet. Faber ist ja auch nicht unbedingt der typische Ruhrpottler, deshalb hatten auch viele Zuschauer aus meiner Heimat anfangs ihre Probleme mit ihm.
Inwiefern?
Alles viel zu schwer und zu finster.
Sind Sie ein Bauch- oder ein Kopfmensch?
Schwer zu sagen, eigentlich beides, das wechselt sich ab. Ich kann mich durchaus kontrollieren und dann geht es aber auch mal wieder mit mir durch. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich Zwilling bin.
Glauben Sie an Sternzeichen?
Ach nicht so richtig orthodox. Aber wenn ich über so etwas rede, dann merke ich, dass es vielleicht gar nicht so weit her geholt ist.
Sind Sie Schimanskis würdiger Nachfolger?
Ich habe den Vergleich nie gesucht. Klar, Schimanski ist wahnsinnig präsent gewesen als „Tatort“-Kommissar im Ruhrpott. Und klar, wenn man dann als Ruhrpottler die Nachfolge antritt, gibt es diese Vergleiche. Ich hab mir schon Gedanken drüber gemacht. Okay, ich trage auch immer dieselbe Jacke sowie Schimanski damals. Ich bin aber ein ganz anderer Typ. Natürlich war es mein Bestreben, ein Original zu schaffen.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Ich habe mich gefragt, was interessiert mich eigentlich an einem Krimi. Und das sind die Abgründe in der Person des Faber, die er für seine Arbeit nutzen kann. Diese Grenzerfahrungen, die er ständig macht. Er ist nicht einfach der klare Gute, der für das Recht kämpft, sondern er ist eben so eine graue Figur. Wie wir eben alle in Dortmund ein wenig grauer sind als andere (lacht).
Sie sind in Herdecke aufgewachsen und stammen aus normalen Verhältnissen, ihre Mutter war Kassiererin, ihr Vater Hausmeister. Was gibt Ihnen Ihre bodenständige Herkunft fürs Leben mit?
Ich hoffe, dass ich dadurch selbst bodenständig geblieben bin.
Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie Ihren beruflichen Weg eingeschlagen haben?
Meine Eltern haben, selbst wenn Sie Zweifel hatten, es mich nie wissen lassen, sondern mich immer unterstützt. Das rechne ich ihnen bis heute hoch an. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass ich das hinkriege.
Sie haben Anfang der Neunziger Jahre die Schauspielschule in Stuttgart besucht. Wie war das bei den Schwaben?
Das war eine spannende Zeit! Ich hatte tolle Kollegen und Lehrer. Thomas Goritzki hat mich sehr geprägt, der war damals Schauspieler am Staatstheater und auch Rollenlehrer. Wir haben tolle Produktionen im Wilhelma-Theater gemacht. Ich hab damals allerdings sehr weit draußen gewohnt, in Hedelfingen, das war nicht gerade der Traum eines Studenten.
Haben Sie mit der schwäbischen Mentalität gefremdelt?
Ach, ich weiß es gar nicht, eigentlich nicht. Klar, die Ruhrpottler sind sehr offen und überhaupt nicht verschlossen, das find ich klasse. Und natürlich ist die Mentalität in Stuttgart vermeintlich eine andere, aber ich habe die Stadt eigentlich immer als sehr bunt erlebt. Trotz aller Klischees findet man auch das krasse Gegenteil. Schräge, nicht konforme Vögel habe ich einige getroffen. Und dass gerade in Stuttgart so viel gegen Stuttgart 21 protestiert wurde, hat mich eigentlich gar nicht verwundert.