Ein toter Bauunternehmen und unzählige Verdächtige: Die Story des neuen Tatorts klingt spannend. Doch man hätte mehr rausholen können.

Stuttgart - Eigentlich sollte man doch annehmen, dass auch in Tirol im Sommer die Sonne scheint. Nicht umsonst pilgern jährlich unzählige Deutsche in die österreichischen Berge, um sich auf Bergspitzen, in urigen Hütten und malerischen Städtchen vor grandioser Kulisse zu entspannen. Wenn man sich den neuen Tiroler Tatort ansieht, könnte man aber eher den Eindruck gewinnen, Tirol sei ein Tal der Tränen. Düster, melancholisch kommt die Krimi-Folge daher - es ist ein Elend. Dabei klingt die Story erst mal recht vielversprechend.

 

Der erfolgreiche Bauunternehmer Wolfgang Kogl wird tot von einem Kran baumelnd auf einer seiner Baustellen gefunden. Mit einer rostigen Eisenstange hat man ihm der Schädel eingeschlagen - genau in der Nacht, bevor er eine neue Wohnanlage für einen gemeinnützigen Wohnbauverein einweihen wollte. Das übernimmt Hubert (Max von Thun), Kogls Sohn aus erster Ehe, der vor der versammelten Presse eifrig die guten Taten seines Vaters preist - sehr zum Missfallen des örtlichen Pfarrers (Christoph Leszczynski). Der erzählt Sonderermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Inspektor Franz Pfurtscheller (Alexander Mitterer) im neuesten Tiroler Tatort "Lohn der Arbeit", zu sehen am Sonntag, 28. August, um 20.15 Uhr in der ARD, von Kogls wahren Geschäftspraktiken: Offenbar hatte der tote Bauunternehmer auf seinen Baustellen reihenweise Schwarzarbeiter aus Mazedonien schuften lassen - allerdings ohne sie zu bezahlen. Als das Wetter im Winter dann umschlug, ließ er die Männer ohne Heizung oder Nahrung in einem eiskalten Container sitzen und verriet sie an die Behörden. Auch der eigenwillige Journalist Markus Feyersinger (George Lenz), auf den Eisner und Pfurtscheller bei ihren Ermittlungen stoßen, weiß von diesem Betrug und wittert schon die nächste große Story. Doch als er immer wieder ausweichend antwortet, wird Eisner misstrauisch. Weiß Feyersinger mehr über den Mord, als er zugibt? Und der Finanzbeamte Jakob Wiesner (Martin Zauner) hätte auch ein Mordmotiv. Er kontrolliert Baustellen auf Schwarzarbeit - unter anderem auch die der Firma Kogl - und wurde von seinem Vorgesetzten unter merkwürdigen Umständen suspendiert.

Eklat bei der Testamentseröffnung

Oder ist Eisner vielleicht auf der völlig falschen Spur und der Mord hat gar nichts mit Schwarzarbeit zu tun? Und die junge und ausgesprochen gutaussehende Witwe Cornelia (Hilde Dalik) jedenfalls scheint nur bedingt um ihren Mann zu trauern. Vielmehr hat sie sich voll in die Übernahme von Kogls Baufirma gestürzt und sieht sich schon als erfolgreiche Geschäftsfrau. Da hat jedoch Hubert Kogl auch noch ein Wörtchen mitzureden und wehrt sich vehement gegen die Machenschaften seiner Stiefmutter. Dann kommt auch noch heraus, dass Cornelia im vierten Monat schwanger ist - ein Skandal, hat sich der alte Kogl doch schon vor Jahren sterilisieren lassen. Bei der Testamentseröffnung kommt es zum Eklat. Doch hatte es der Mörder wirklich auf die Baufirma abgesehen? Ein Verwirrspiel, bei dem ein Schuss mit der Dienstwaffe einen Keil zwischen die beiden Ermittler zu treiben droht.

Viele Charaktere, jede mit eigenem Mordmotiv: So stellen sich Zuschauer doch einen waschechten Krimi vor. Doch die rechte Stimmung will einfach nicht aufkommen. Völlig übertriebene blau-graue Kamerafilter lassen sogar die idyllischen Alpenpanoramen irgendwie trist erscheinen. Zu dem depressiven Grundtenor trägt auch Krassnitzers Kommissar Eisner bei. Einsilbig und muffelig kommt er daher, kaum ein Lächeln huscht über seine Züge. Gut, wer's mag.

Emotionale Talfahrt

A prospos Gefühle: Die kommen in diesem Tatort eindeutig zu kurz. Obwohl die Story alles bietet - Liebe, Verzweiflung, Hass, Gier - kommen diese menschlichen Regungen eigentlich fast gar nicht rüber. Und auch die irgendwie aus dem Rahmen fallenden Telefonate Pfurtschellers mit seiner Mutter, die sich am laufenden Band über ihre neue Haushälterin Hyazintha beschwert, sind nicht wirklich komisch und zu klischeehaft: "Nein Mama, du darfst die Hyazinthen nicht mit dem Besen davonjagen."

Kurzum: Dieser Tatort ist durchaus spannend und hat sogar ein überraschendes Ende. Allerdings sollte man sich auf eine emotionale Talfahrt vorbereiten. Schade, aus der dramatischen Story hätte man mehr herausholen können.

Schlimmster modischer Fehlgriff: Der Hobbyangler-Schlapphut von Georg Lenz alias Markus Feyersinger - sieht einfach seltsam aus.

Heimliche Stilikone: Mit seinen gestreiften Hosenträgern, der Hornbrille und den Karohemden ist der Finanzbeamte Jakob Wiesner (Martin Zauner) eine echte Augenweide.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Spätestens bei der Testamentseröffnung - doch das wäre ja zu einfach.