Dass unbekannte Einbrecher in einem Stuttgarter Gymnasium die Abitursaufgaben in die Hände bekamen, ist wohl eher Zufall gewesen. Offenbar erwarten die Täter mehrere Tausend Euro Beute – in der Region häufen sich derzeit die Einbrüche.

Stuttgart - 1500 Euro, wohl eine teure Digitalkameraausrüstung, dazu womöglich Bargeldbeträge aus den Schließfächern der Lehrer: Das ist nach dem Erkenntnisstand der Polizei vom Mittwoch die Beute, die Einbrecher im Solitude-Gymnasium in Weilimdorf gemacht haben. Vieles spricht dafür, dass die Abitursaufgaben, die den Tätern in der Nacht zum Dienstag in die Hände fielen, eher ein Fehlgriff waren. Die Schriftstücke blieben denn auch am Tatort zurück.

 

Die Einbrecher hatten zuvor einen Tresor professionell und rabiat mit einem Trennschleifer aufgebrochen. „Über die genaue Beute werden wir wohl erst nach den Osterferien Bescheid wissen“, sagt der Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Viele Lehrer, deren Schließfächer betroffen sind, seien in den Ferien nicht erreichbar, so der Sprecher. Für die Ermittlungen spielt das auch nicht die Hauptrolle. Die Beamten des Reviers Feuerbach hoffen, dass die Kriminaltechnik verräterische Spuren sichern konnte. „Das wird nun ausgewertet“, sagt Tomaszewski. Dass Schüler womöglich an die Abiaufgaben herankommen wollten, gilt in Polizeikreisen als wenig wahrscheinlich. Dazu hätte man nicht unbedingt noch acht Türen zu Klassenzimmern und zum Sekretariat aufbrechen und zahlreiche Schränke knacken müssen. Auch der immense Aufwand und die Fertigkeiten beim Aufbrechen des Tresors stünden in keinem Verhältnis zum Ergebnis: Die Abiaufgaben werden ungültig und durch neue ersetzt. Diese gesehen zu haben, hätte Schülern ohnehin nichts gebracht.

Serie mit geknackten Schultresoren in der Region

Dagegen spricht außerdem, dass in den vergangenen Tagen weitere Einbrüche in Schulen verübt wurden, bei denen die Täter ähnlich rigoros vorgegangen sind. Allein am vergangenen Wochenende gab es eine Serie in den Landkreisen Esslingen und Reutlingen, bei denen die Täter brachial Türen und Behältnisse aufbrachen, kleinere Tresore mitnahmen und knackten. Dabei ließen die Täter reichlich Geld und Kameras mitgehen.

„Vieles spricht dafür, dass es sich um dieselbe Tätergruppe gehandelt haben könnte“, sagt der Polizeisprecher Josef Hönes. So konnten mehrere Fragmente von Schuhspuren gesichert werden, die in einigen Fällen übereinstimmen. Offenbar sind Schulen durchaus lukrative Objekte: „In den Tresoren und Schränken können immer Wertsachen vermutet werden“, sagt Hönes. Da geht es schnell in die Tausende: In Neckartenzlingen (Kreis Esslingen) waren es knapp 2000 Euro. An den anderen Tatorten von Neckartenzlingen über Aichtal-Grötzingen bis nach Leinfelden-Echterdingen zählt eine teure Kameraausrüstung zu den Beutestücken.

Stuttgarter Fälle bisher ungeklärt

Für die Täter ist es wohl ein offenes Geheimnis, dass in Schulen Handkassen aufbewahrt werden, die mit mindestens mehreren Hundert Euro gefüllt sind. Etwa, wenn für Essenseinkäufe beim Kochunterricht oder für einen Klassensatz Bücher von Lehrern ausgelegte Gelder rückerstattet werden oder sonstige Bargeldgeschäfte abgewickelt werden müssen.

So gab es seit Jahresbeginn mindestens 24 Einbrüche in Schulen in der Region, bei denen nicht bloße Sachbeschädigungen das Ziel der Täter waren. Bis jetzt ungeklärt geblieben ist der Einbruch in die Altenburgschule in Bad Cannstatt Anfang Februar, bei der die Unbekannten das Fenster zum Schulsekretariat aufhebelten und einen Tresor mit Bargeld mitgehen ließen. Kein Ermittlungserfolg gemeldet wurde auch im Fall des Schulzentrums an der Adalbert-Stifter-Straße in Freiberg, wo die Täter über die Notausgangstür auf dem Dach ins Gebäude eingedrungen waren. Dort hatten es die Einbrecher indes auf Elektronik abgesehen:Sie bauten Festplatten aus mehreren Schulrechnern aus.

Prüfungsaufgaben fürs Abi werden ausgetauscht

Die Terminpläne für die Abiturprüfungen werden durch den Vorfall am Solitude-Gymnasium nicht berührt und finden wie geplant statt: Englisch am 28. April, Mathematik am 3. Mai. Allerdings werden die Prüfungsausgaben in diesen beiden Fächern ausgetauscht. Man werde den Gymnasien in ganz Baden-Württemberg die Prüfungsaufgaben zukommen lassen, die eigentlich für die Nachschreibprüfungen vorgesehen waren, heißt es: „Für den Nachschreibtermin werden neue Aufgaben ausgewählt, allerdings nicht aus dem bundesweiten, gemeinsamen Pool“, sagte ein Sprecher des Kultusministeriums. Die ausgetauschten Prüfungsausgaben müssten allerdings erst noch gedruckt, versiegelt und per Kurier an die Schulen gebracht werden – bei insgesamt 35 000 Abiturienten keine kleine Aufgabe.