Der Tattoo-Boom ist so lebendig wie nie. Ein Nischendasein fristet das Handwerk schon lange nicht mehr – aber die Trends machen aus künstlerischer Sicht nicht alle Tätowierer glücklich.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Eigentlich ganz normale Leute hier. Und auch Ulf Steinecke ist tätowiert. „Die Körperkunst ist längst im Mainstream angekommen, hier ist der Gesellschaftsdurchschnitt versammelt“, sagt der Veranstalter über die Tattoo-Messe, die am Samstag und Sonntag Premiere in der Carl-Benz-Arena neben der Schleyerhalle feierte. Mainstream – während Tätowierungen früher vor allem in Subkulturen angesagt waren. Kein Wunder also, dass die Veranstalter von einer Gesamtbesucherzahl von 5000 bis 8000 an beiden Tagen ausgehen.

 

Und so muss man auch nicht zur See gefahren sein, um heute eine Tattoo-Convention zu machen. Steinecke veranstaltete bis zuletzt noch Erotikmessen und bis heute Kindermusicals – und wer ihn mal auf einer seiner Erotikmessen getroffen hat, weiß, dass er keine Klischees von breitbeinig auftretenden Erotikmessenbesuchern bedient. Es geht ums Geschäft – und darum reicht beim Trendthema Tätowierungen offenbar auch durchschnittlicher Sachverstand. „Anker sind out“, sagt Steinecke, „und das Arschgeweih ist komplett ausgestorben.“

In der Messehalle des Kongresszentrums selbst sind 120 Profis am Werk, tätowieren vor Ort, werben für ihre Studios und netzwerken. Der Großteil von ihnen kommt aus Deutschland, einige sind aber auch aus Polen, Belgien, Frankreich, Rumänien und vereinzelte sogar aus Asien und Südamerika. In Wettbewerben messen sie ihr Können, außerdem wird am Ende der Veranstaltung die erste Tattoo-Miss Stuttgart gekürt. „Da haben sich über 100 Frauen beworben“, sagt Ulf Steinecke.

Federn und Unendlichkeitszeichen

Auch Stuttgarter Tattoo-Studios sind auf der Messe vertreten. Pajo Tattoo aus dem Süden ist seit etwa eineinhalb Jahren bundesweit auf Tattoo-Conventions unterwegs. Die Stuttgarter Tattoo-Messe ist ein Heimspiel. „Aber auch hier gibt es den wichtigen Austausch mit Kollegen“, sagt Joe Franco, der Chef von Pajo Tattoo. „Und abends natürlich die Partys.“ In einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Tätowierern sieht er sich nicht: „Der Markt ist groß genug.“ Zu beobachten sei aber, dass die meisten aktiven Tätowierer professioneller werden. „Früher gab es da viel mehr schwarze Schafe“, sagt Franco.

Das mag auch mit den scharfen Hygieneauflagen zusammenhängen. „Wir haben einen Auflagenkatalog von fünfzig Seiten bekommen“, sagt Veranstalter Ulf Steinecke. Jeder Aussteller hat unterschreiben müssen.

Ein anderer Grund, warum das Tätowieren vielleicht professioneller geworden ist, sind Spezialisierungen. Jeder Tätowierer hat sein Fachgebiet – beim einen sind es Comicstile, andere versuchen traditionelle asiatische Tätowierungen zu meistern. Joe Francos beste Disziplin sind besonders realistische Tätowierungen. Das feine, sehr kleinteilige Arbeiten bietet sich vor allem für Gesichter als Motive an.

Ob er heute wohl jemandem das Antlitz einer geliebten Person auf den Arm sticht? Das ist zwar wahrscheinlicher als ein Arschgeweih. „Aber die meisten Trends in der Tattoo-Szene sind negativ“, sagt Franco. So auch die aktuellen. Besonders beliebte Motive seien gerade Federn – und das Unendlichkeitszeichen.