Die Bilder, die unter die Haut gehen, liegen momentan voll im Trend. Doch wer mit seinem Motiv nicht mehr glücklich ist, muss sich unter den Laser legen – eine schmerzhafte, langwierige und kostenspielige Prozedur.

Stuttgart - Gefühle verschwinden manchmal einfach so, Tattoos leider nicht. Diese Erfahrung musste auch Heidi Klum machen. Nach ihrer Trennung von dem Sänger Seal vor zwei Jahren kam bald auch der Entschluss: Der verschnörkelte Schriftzug, den sich das deutsche Model einst aus Verbundenheit zu dem britischen Musiker auf den rechten Unterarm hat stechen lassen, muss weg. Wie jüngste Fotos zeigen, ist von der einstigen Liebesbekundung heute allenfalls nur noch ein leichter Schatten übrig geblieben.

 

Menschen, die den Namen des Ex-Partners nicht mehr auf ihrer Haut tragen wollen, sind auch häufig gesehene Patienten in  der Sprechstunde von Wolfgang Gold. Unter den 200 Laserbehandlungen, die der Dermatologe jährlich in seiner Stuttgarter Praxis an Tätowierten vornimmt, sind auch Motive, die vor ein paar Jahren angesagt waren, die heute aber zur Kategorie „out“ zählen. „Tätowierungen am Steiß oder kleine Tattoos auf der Schulter oder an der Fußfessel sind typisch“, erzählt Gold.

Auch wenn sich die Mode in der Szene recht schnell ändern mag – der Trend Tattoo ist weiterhin ungebrochen. Waren Tätowierungen vor wenigen Jahrzehnten nur was für Seefahrer, Gefängnisinsassen oder Gangmitglieder, sind sie heute mitten in der Gesellschaft angekommen. Jeder zehnte Deutsche ist laut dem Meinungsforschungsinstitut Emnid tätowiert. Menschen aus nahezu allen Berufen und Schichten tragen Bilder auf der Haut. Nach einer Studie der Universität Leipzig sind bei Männern besonders die Arme als Leinwand beliebt, bei Frauen das Steißbein und die Beine. Die meisten lassen sich ihr erstes Motiv im Alter zwischen 16 und 20 stechen. Die Stars machen es den Jugendlichen vor: Fußballspieler wie David Beckham oder Musiker wie Robbie Williams stellen ihre zahlreichen Tätowierungen offen zur Schau. Selbst die adrette Puppe Barbie trägt seit Kurzem Tattoo.

Tattoos demonstrieren Gestaltungsmacht über den Körper

Was steck hinter diesem gesellschaftlichen Phänomen? Warum lassen sich Menschen überhaupt ein Tattoo stechen? Und welcher Typ Mensch legt sich unter die Nadel? „In Zeiten, in denen es weniger Verlässlichkeit gibt, die Menschen prekäre Jobs haben und von Lebensabschnittspartnern sprechen, ist ein Tattoo etwas für die Ewigkeit“, sagt der Soziologe Oliver Bidlo, der das Buch „Tattoo. Die Einschreibung des Anderen“ über die Bedeutung der Tätowierungen geschrieben hat. Neue Lebensabschnitte, wie etwa die Geburt eines Kindes, sind beliebte Momente, sich tätowieren zu lassen. Für Bidlo ist das Tattoo darum ein theatrales Zeichen und zugleich eine konservative Geste: „Der Akt des Tätowierens will ja auch etwas konservieren, etwa eine Idee, eine aktuelle Liebe oder eine Überzeugung.“ Zudem sei die Kunst am eigenen Körper ein Statement, auch der Gesellschaft gegenüber, sagt Bidlo.

Bei Menschen an der Schwelle zum Erwachsenenalter halten Psychologen den Vorgang des Tätowierens für eine Art Übergangs- oder Initiationsritus. Jugendliche wollen sich von der elterlichen Autorität lösen, mit einem Tattoo können sie Gestaltungsmacht über den eigenen Körper demonstrieren. Vor allem wollen die jungen Menschen aber so ihre Individualität und Einzigartigkeit herausstellen.

Aglaja Stirn, Ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, hat in ihren Studien festgestellt, dass Menschen, die das Stechen über sich ergehen lassen, generell experimentierfreudiger und risikobereiter sind als andere. Und die Ergebnisse einer französischen Untersuchung aus dem Frühjahr 2012 zeigen: mit der Zahl der Tätowierungen steigt auch die Wahrscheinlichkeit für ungeschützten Sex, vermehrten Alkoholkonsum, kriminelles oder gewaltbereites Verhalten.

Was, wenn das Tattoo nicht mehr gefällt?

Nicht immer sind Tätowierte ein Leben lang glücklich über ihre Entscheidung – weil, wie bei Heidi Klum, der Namenszug des längst Verflossenen noch auf der Haut prangt, das Motiv nicht mehr zur Persönlichkeit passt oder weil man das Tattoo berufsbedingt nicht mehr tragen kann. Die Gründe, warum Schätzungen zufolge etwa ein Viertel der etwa acht Millionen tätowierten Deutschen ihr Hautbild irgendwann wieder loswerden wollen, sind vielfältig. Bei der Entfernung hilft aber nur eines: das schmerzhafte, langwierige und kostspielige Lasern.

Bei einer entsprechenden Behandlung zersprengen die Strahlen die Pigmentkörper, die beim Tätowieren mit Hilfe von Nadelstichen bis zu vier Millimeter tief in die Haut eingebracht wurden. Anschließend baut der Körper die zersplitterten Partikel über das Lymphsystem ab, die Farbe bleicht nach und nach aus. „Das Lasern geht leider nicht ganz schmerzlos“, sagt der Hautarzt Wolfgang Gold.

Etwa zehn, manchmal auch bis zu zwanzig der unangenehmen Laserbehandlungen müssten vorgenommen werden, so der Stuttgarter Dermatologe, bis das Tattoo verschwunden ist – abhängig davon, wie groß die Tätowierung ist, welche Farben im Spiel sind und wie tief diese in die Haut eingebracht wurden. Weil immer nur eine handflächengroße Stelle gelasert werden darf und mindestens vier Wochen zwischen den Behandlungen liegen sollten, damit die Haut sich regenerieren kann, ist das Entfernen eines Tattoos mittels Laser eine langwierige Prozedur – und mit etwa hundert Euro pro Sitzung eine recht teure. Die Krankenkassen übernehmen grundsätzlich keine Kosten.

Je größer und bunter, umso schwieriger wird die Entfernung

Auch das Risiko einer Laserbehandlung ist bislang nicht abzuschätzen. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung ist noch nicht geklärt, welche chemischen Verbindungen hier entstehen und welche gesundheitlichen Folgeschäden von ihnen ausgehen können. Zudem kann das Lasern seine Spuren auf der Haut hinterlassen. „Fünfzig Prozent der Tattoos lassen sich vollständig entfernen“, sagt Gold. Bei der anderen Hälfte blieben Narben, dunkle Schatten oder weiße Stellen auf der Haut zurück. Während sich schwarze und blaue Tattoos, die nicht so viele Pigmente enthalten, relativ einfach aus der Haut entfernen lassen, stößt der Laser bei Farben wie Grün, Gelb und Lila an seine Grenzen. Generell gilt: je größer, bunter und professioneller eine Tätowierung ist, umso schwieriger wird ihre Entfernung.

Dabei liegen gerade diese schwer zu lasernden, weil großflächigen und bunten Tattoos momentan im Trend. Komplett tätowierte Körperstellen wie Arme und Dekolleté mit farbigen Motiven sind heute längst keine Seltenheit mehr. Die Träger dieser Motive werden es sein, die in wenigen Jahren in den Hautarztpraxen der Republik aufschlagen werden. Die Entscheidung für ein Tattoo sollte daher gründlich durchdacht sein, raten Psychologen. Nicht umsonst gibt es den Spruch in der Tattoo-Szene „Think before you ink!“ – „Überlege, bevor du zur Tinte greifst“.

Gefährliche Farben, sachkundige Entfernung

Farben: Nach der Tätowiermittel-Verordnung von 2008 sind die Hersteller der Tinten verpflichtet, bestimmte Angaben zu machen. So müssen auf den Flaschen etwa die Bestandteile angegeben ein. Trotzdem werden immer wieder bedenkliche Substanzenin Tattoo-Farben entdeckt.

Eingriff: In vielen Bundesländern, so auch in Baden-Württemberg, gilt die Entfernung eines Tattoos mit Lasern nicht als medizinischer, sondernals ästhetisch-kosmetischer Eingriff. Darum bieten neben Hautärzten auch Kosmetikstudios und Tätowierer die Laserbehandlungen an.

Qualifikation: Über die sachkundige Entfernung und qualifizierte Ärzte informieren die Deutsche Dermatologische Lasergesellschaft (DDL) und die Deutsche Gesellschaft für Lasermedizin (DGLM).