Mit immer neuen Ideen verdrängen Imbissbesitzer und Bäckereien in der Innenstadt vor ihren Geschäften die Tauben auf der Suche nach Nahrung. Ihre Erfolgsbilanz ist aber bescheiden.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Wo gegessen wird, da sind auch Tauben: Vor allem in den Fußgängerzonen sind Tauben Teil des täglichen Erscheinungsbildes. Lebensmittel werden liegengelassen oder weggeworfen – das ist keine tiergerechte, aber doch eine auskömmliche Nahrung für Tauben. Manche füttern noch Tauben trotz eines entsprechendes Verbots.

 

Für alle, die in der Innenstadt mal schnell was essen wollen, ist der Imbiss am Hirschbuckel eine vertraute Anlaufstelle. An 365 Tagen im Jahr ist er rund um die Uhr geöffnet. Genauso begehrt ist er bei den Stadttauben, die hier auf den breiten Fußgängerwegen viel Nahrung und Auslauf finden. Und in den umliegenden Häusern gelingt es ihnen immer wieder, sich einzunisten.

Reflektierende Folien und Niedrigfrequenzen

Für die Fritty-Bar ist das ein Dauerärgernis. Der Anblick von Taubenkot und losem Gefieder stört das Essvergnügen. „Wir haben schon sehr viel unternommen, um das Taubenproblem in den Griff zu bekommen“, so Georgia Tsolis, stellvertretende Geschäftsführerin der Fritty Bar, „es wurden Drähte und Netze gespannt, auch durch den Hauseigentümer. Wir haben reflektierende Folien angebracht, da dies Tauben verscheuchen soll. Wir haben unter den Stühlen CD’s befestigt, die herumbaumeln. Wir haben einen Akustiker beauftragt, der den Imbiss und den Platz davor mit Niedrigfrequenzen beschallt hat, denn auch das soll die Tauben abhalten“. Ein nachhaltiger Erfolg ist ausgeblieben: „Das alles stört die Tauben letztlich nicht. In den Netzen sind inzwischen Löcher und die Tauben haben jetzt den Platz eingenommen zwischen den Drähten.“

Kein Durchflug möglich

Damit die Tauben den Imbiss nicht komplett durchwandern oder gar durchfliegen, ist die Glasfront stets nur zur Hälfte geöffnet. Tsolis: „Vor allem im Sommer ist das ein Problem, denn die offene Front ist wichtig für die Durchlüftung. Dass dies nicht möglich ist, macht unseren Mitarbeitern an den Frittier- und Grillgeräten sehr zu schaffen.“

Die sind außerdem gehalten, mehrmals täglich Essensreste aufzusammeln, die runtergefallen sind oder liegengelassen werden. Dazu kommen Kunden, die Tauben füttern: „Das führt in der Konsequenz dazu, dass die Tauben direkt auf die Tische fliegen, um sich etwas zu holen. Da kommen dann plötzlich gleich 20 oder 30 Stück“, so Tsolis. Sie hat auch schon selbst einen Appell verfasst, der im Imbiss zu lesen war: Hier gebe es keine artgerechte Nahrung, das schade den Tieren. Doch auch dies blieb ohne Erfolg. „Was sollen wir tun?“, fragt Tsolis, „wir können keine Mitarbeiter aufstellen, die wild wedelnd vor den Tischen stehen zum Verscheuchen der Tiere. Die Polizei hat schon Mahnungen ausgesprochen, dass das Füttern von Tauben verboten ist, hat mit Strafen von bis zu 5000 Euro gedroht. Aber so werden doch unsere Kunden vergrault.“ Tsolis: „Wir sind ratlos und machtlos. So lange die Stadt nichts unternimmt, bekommen wir das nicht in den Griff.“

Ein Verbot ist ein Verbot

Mit Verbotsschildern ist auch die Bäckerei Katz mit ihren Filialen in der Königstraße und Umgebung vorsichtig: „Das ist eine Frage der Kommunikation. Ein Verbot ist halt zuerst mal ein Verbot“, so Nickolas Katz von der Inhaber-Familie. Da sei es hilfreicher, dass die Mitarbeiter die Kunden darauf aufmerksam machen, dass Tauben füttern verboten sei. Sie sind auch angehalten, Essensreste im Außenbereich so schnell wie möglich einzusammeln.

Ein Problem bleibt, dass einige Filialen eine offene Front zur Straße haben ohne verschließbare Türen. Da gehören Raubvogel-Attrappen zum Abschreckungsrepertoire. „Die Tauben merken aber bald, dass davon keine Gefahr ausgeht und gewöhnen sich daran. Wenn dann noch ein Geschäft in der Nachbarschaft nichts derartiges unternimmt, sind unsere Mühen für die Katz“, bemerkt Katz mit Sarkasmus. Zu drastischeren Methoden wie Giftköder will er nicht greifen: „Da wären dann möglicherweise Kinder oder Hunde gefährdet.“ Sein Resümee: „Wir haben die Situation im Griff, wir kommen damit klar“. Für Härtefälle gibt es noch einen firmeninternen Fachmann, spezialisiert auf Schädlingsbekämpfung.

Kontrolle durch Taubenschläge

Die Stadt Stuttgart will die Taubenpopulation mit kontrollierten Taubenschlägen in den Griff bekommen. Zehn Stück sind davon inzwischen in der Innenstadt, in Bad Cannstatt und in Feuerbach. Dort werden den nistenden Tauben Eierattrappen in die Nester gelegt. Inzwischen werden so im Jahr etwa 15 000 Eier ausgetauscht. „Zu wenig“, findet Stefan Kinkelin, als Sachgebietsleiter beim Amt für öffentliche Ordnung auch für diese Aufgabe zuständig, „wir müssten mehr davon aufstellen. Das ist die einzige wirkungsvolle Methode, um mit der Taubenpopulation zurecht zu kommen. Aber es ist sehr schwer, Hauseigentümer davon zu überzeugen, dass wir auf deren Dach einen Taubenschlag aufstellen können“.

Diese städtische Lösung entspricht dem Tierschutz. Betreut werden diese Schläge auch von Ehrenamtlichen. Sie tauschen die Eier aus und sorgen für tiergerechtes Futter. Die Kosten trägt die Stadt, pro Schlag sind dies jährlich zwischen 7000 und 8000 Euro. Die Kosten für einen neuen Schlag beginnen bei 15 000 Euro und gehen bis zu 70 000 Euro bei einem Turm wie im Stadtgarten. Das nächste Projekt ist ein Turm am Bad Cannstatter Seilerwasen.