Der Vatikan, im Streit der Gegner und der Fürsprecher von Franz-Peter Tebartz-van Elst, zieht den Limburger Bischof endgültig aus seiner Diözese ab. Eine Entscheidung die weiterhin Fragen aufwirft.

Rom - Mittwoch auf dem Petersplatz. Zeit für die wöchentliche Generalaudienz. Papst Franziskus predigt vor Zehntausenden von Besuchern gegen Bischöfe und Priester, die nur Chefs sein wollen: „Ein Bischof, der nicht der Gemeinschaft dient, ist nicht gut“, sagt er. Namen nennt er keine. Franziskus spricht nur ganz allgemein. Hinter den prächtigen Kulissen von Berninis Kolonnaden bahnt sich zur selben Zeit ein ganz konkreter High Noon an. Für 12 Uhr mittags ist die „Entscheidung des Papstes über den beurlaubten Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst” angekündigt, hinter vorgehaltener Hand jedenfalls; und dann, ganz überstürzt, mit lediglich zehn Minuten Vorwarnung, will auch noch der vatikanische Pressesprecher, Pater Federico Lombardi, „in Sachen Limburg“ vor die Presse treten. Und dann endet die gewitterartig schnell und hochdramatisch aufgeladene Szenerie in einer papierenen Erklärung. Lombardi liest vom Blatt ab und entlässt die Journalisten mit vielen offenen Fragen.

 

Mit der wichtigsten vor allem: Warum eigentlich muss Tebartz-van Elst gehen? „Aufmerksam“, so formuliert die vatikanische Note, habe die Bischofskongregation den Untersuchungsbericht aus Deutschland studiert, wo es „um die Verwaltung der Diözese Limburg” gegangen sei und um die „Verantwortlichkeiten, die beim Bau des Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus beteiligt” gewesen seien. Aber zu welchem Ergebnis die hohen geistlichen Herren in Rom, Franziskus eingeschlossen, gekommen sind, teilt der Vatikan nicht mit: Ist der erst 54-jährige Bischof tatsächlich der Prasserei, der Verschwendung von mindestens 31 Millionen Euro, der fortgesetzten Lüge schuldig? Wer sind die „Beteiligten“ aus seiner Umgebung? In welchem Maße?

Der Papst hat scih mit der Entscheidung zum Limburger Bischof Zeit gelassen. Foto: ANSA;epa;dpa

Die Erklärung hält lediglich ganz allgemein fest, es sei „in der Diözese Limburg zu einer Situation gekommen, die eine fruchtbare Ausübung des bischöflichen Amtes durch Seine Exzellenz verhindert.“ Das ist praktisch die gleiche Formulierung wie jene vom 23. Oktober, mit welcher der Papst dem Bischof eine Auszeit „gewährte“ und ihn in ein niederbayerisches Kloster ziehen ließ. Nur dass es damals hieß, Tebartz-van Elsts „bischöflicher Dienst“ als ganzer sei „nicht mehr ausübbar“ geworden. Wenn der Vatikan heute abmildernd erklärt, dieses Amt lasse sich nicht mehr „fruchtbar“ ausüben – meint er dann, prinzipiell, unter Einsatz von genügend kirchenamtlicher Autorität womöglich, würde es schon noch gehen? Ist Tebartz-van Elst also eher entlastet? Und einzig die von allen möglichen Leuten geschaffene Stimmung in Limburg an diesem Schlamassel schuld?

Protokollchef Georg Gänswein verteidigt Tebartz-van Elst

Tebartz-van Elst hat einflussreiche Verteidiger im Vatikan, auch in des Papstes allernächster Umgebung. Zu ihnen gehört Protokollchef Georg Gänswein, als „Präfekt des Päpstlichen Hauses“, der täglich mit Franziskus zu tun hat. Er hat mehrfach das „mediale Unrecht“ angeprangert, das dem Limburger Bischof zuteil geworden sei: „Das glich einer Hetzjagd auf seine Person. Ob die Fakten stimmten, spielte nur noch eine untergeordnete Rolle.” Und da, sagt Gänswein, „schließe ich das Domkapitel nicht aus”. Mit anderen Worten: Da ist Gift in der Welt, auch aus der Kirche selbst.

Als der Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, im Februar seine Erhebung zum Kardinal feierte, war auch Tebartz-van Elst geladen und mischte sich, recht aufgeräumt, in die fröhliche Runde. Ihm sei, sagte Müller als sein ranghöchster Fürsprecher im Vatikan, „nichts an Verfehlungen nachzuweisen”, die ihm die Ausübung des Bischofsamts unmöglich machen würden. Was in Limburg passiert sei, schob Müller kürzlich nach, sei „menschenunwürdiger Rufmord; so etwas hatten wir in Deutschland früher schon mal in einer ganz dunklen Epoche.“

Der päpstliche Protokollchef Georg Gänswein hat Tebartz-van Elst verteidigt. Foto: dpa

Müller hätte ebenso wie Gänswein die harte Hand bevorzugt – gegenüber unbotmäßigen deutschen Katholiken, gegenüber Medien, gegenüber dem Zeitgeist allgemein. „Man muss auch mal den Mut haben, sich dagegen zu stellen“, sagte Gänswein: „Der springende Punkt ist doch der: Es geht um die Katholizität, die unter Tebartz-van Elst in der Diözese Limburg wieder greifbar geworden ist, nachdem dort so lange ein Mangel an Katholizität herrschte“. Und Gänswein wie Müller sind stinksauer auf die deutschen Bischöfe, die ihren Amtsbruder „im Regen haben stehen lassen“. Wieder Gift aus der Kirche.

Immerhin, so klärt die vatikanische Notiz vom Mittwoch, hat Tebartz-van Elst dem Papst von sich aus den Amtsverzicht angeboten, am 20. Oktober bereits, in jener persönlichen Audienz, auf die er in Rom eine Woche lang hatte warten müssen. Auf welcher Rechtsgrundlage Franziskus diese Gelegenheit ergriffen und den Rücktritt des Bischofs angenommen hat, das schiebt der Vatikan am Mittwoch erst im zweiten Schritt nach; neben den Formulierungen des Kommuniques ein weiteres Zeichen dafür, wie kompliziert es gewesen sein muss, überhaupt zu einer Entscheidung zu kommen. Nach „Kanon 401, Paragraph 2“ des Kirchenrechts habe Tebartz-van Elst gehandelt, heißt es schließlich. Das ist, ohne nähere Erläuterung der jeweiligen Einzelfälle, der Rechtsbezug für solche Bischöfe, „die wegen angegriffener Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage sind, ihre Amtsgeschäfte wahrzunehmen“.

Unter Hinweis auf „Kanon 401, Paragraph 2“ hat die vatikanische Bischofskongregation als oberstes Personalbüro der katholischen Kirche zuletzt auch, so diskret wie möglich, solche Oberhirten zum Rücktritt gedrängt, die in Kindesmissbrauch oder in dessen Vertuschung verstrickt waren. Doch im nächsten Satz, damit kein falscher Verdacht aufkommt, hält der Vatikan an diesem Mittwoch fest: Franz-Peter Tebartz-van Elst bleibt Bischof „und wird zu gegebener Zeit mit einer anderen Aufgabe betraut werden.“

Weihbischof Manfred Grothe wird der Nachfolger in Limburg. Foto: dpa

Tebartz-van Elst hat beim Bauprojekt in Limburg systematisch zu niedrige Kosten angegeben, Kontrollen verhindert und kirchliche Vorschriften umgangen. Das geht aus dem am Mittwoch in Bonn und Limburg veröffentlichten Abschlussbericht der Prüfungskommission für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz hervor. „Dem geltenden Recht wurde in zahlreichen Fällen nicht Rechnung getragen“, heißt es in einer Bewertung des Berichts durch das Sekretariat der Bischofskonferenz. Durch hohe Qualitätsanforderungen des Bischofs und seinen Wunsch nach schnellen Baufortschritten seien die Kosten zusätzlich in die Höhe getrieben worden. „Die Notwendigkeit einer Begrenzung der Mittel sieht der Bischof nicht, weil aus seiner Sicht im Bischöflichen Stuhl ausreichend Mittel vorhanden sind“, heißt es in dem 108-seitigen Bericht, den die Kommission seit Oktober erarbeitet hat. Auch dem Domkapitel und dem Diözesanvermögensverwaltungsrat werden schwere Versäumnisse vorgehalten.

Am Montag sei Tebartz-van Elst wieder einmal in Rom gesichtet worden, heißt es. Ob er gleich dort bleibt? Italienisch, sagt man, könne er zwar nicht. Aber mit so hohen Freunden in der Kurie sollte dieser Mangel das kleinste aller Probleme sein.