High-Tech-Automaten können Pflegebedürftige unterstützen. Jetzt haben Forscher die Bedienung verbessert, so dass der Roboter auch Ausnahmesituationen besser meistern kann.

Knapp drei Millionen Pflegebedürftige gibt es dem Statistischen Bundesamt zufolge derzeit in Deutschland. Bis 2030 wird ihre Zahl um die Hälfte zunehmen. Mehr als zwei Drittel der auf fremde Hilfe angewiesenen Personen wird zu Hause versorgt – die Mehrzahl noch von Familienmitgliedern. Doch das wird seltener. Die Wiesbadener Statistiker lesen aus ihren Daten eine „generelle Entwicklung zu mehr professioneller Pflege“ heraus.

 

Wenn die Hilfe durch Angehörige ausfällt, dann könnten einfache Alltagsaufgaben von Robotern übernommen werden. Dieser Meinung sind Birgit Graf und ihr Team vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Seit mehr als 15 Jahren arbeiten sie an dem Haushaltsassistenten „Care-O-Bot“ – einem „interaktiven Butler“ mit vier Rädern, einem Arm, einer Dreifingerhand und einem Tablett. Der kann zum Beispiel ein Glas aus der Küche holen, Notfälle erkennen und sogar ein wenig kochen.

Was tun bei unvorhergesehenen Situationen?

Was er bisher nicht konnte, war, mit unvorhersehbaren Situationen umzugehen. Wenn dem Roboter plötzlich etwas den Weg versperrte, war er überfordert, sagt Graf. Für solche Schwierigkeiten haben jetzt die IPA-Forscher zusammen mit Informationsdesignern der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) eine Lösung entwickelt. Im engen Austausch mit Pflegebedürftigen haben sie eine Schnittstelle für externe Helfer konzipiert, die es erlaubt, den Roboter im Notfall fernzusteuern.

Beispielsweise können im Fall der Fälle Verwandte oder Freunde zugeschaltet werden. Und wenn auch die nicht weiterwissen, würden professionelle Helfer übernehmen, erklärt Graf.

Um eine solche Bedienung aus der Ferne zu ermöglichen, wurde „Care-O-Bot“ mit Sensoren ausgestattet, die ein dreidimensionales Modell der Wohnung erstellen und über Internet an ein Servicecenter übertragen können. Von dort aus seien dann Mitarbeiter in der Lage, mit einer 3-D-Brille durch die Wohnung zu navigieren und mit einem 3-D-Eingabegerät auch Gegenstände zu ergreifen, sagt Graf.

Genaue Erfassung der Umgebung

Entscheidend für die Qualität der Fernsteuerung ist die 3-D-Umgebungserfassung des Roboters. „Die muss genau sein“, sagt Graf. Zwei Verfahren wurden entwickelt. In dem einen wird der Wohnraum in viele kleine Abschnitte unterteilt, wobei jeweils registriert wird, welche besetzt sind. Daraus wird dann automatisch eine 3-D-Gitterkarte erstellt. Im anderen Verfahren wird der Raum nach geometrischen Formen wie Zylindern abgesucht. Anhand der Funde wird eine 3-D-Geometriekarte errechnet. „Das zweite Verfahren hat den Vorteil, dass erheblich weniger Daten übermittelt werden müssen“, sagt Georg Arbeiter vom IPA. Statt zwei bis drei Megabyte pro Sekunde seien es nur einige Hundert Kilobyte pro Sekunde.

Allerdings stellte sich das zweite Verfahren, das Geometrieverfahren, in einem gerade abgeschlossenen Test als etwas weniger praxistauglich heraus. Dies berichtete Michael Burmester von der HdM gestern auf einer Pressekonferenz. 57 Personen im Alter von 25 bis 48 Jahren hatten die Schnittstelle für externe Helfer getestet. Zu den Aufgaben gehörte das Auffinden eines Objekts in einer dunklen Küche und eine Slalomfahrt um ein hohes Hindernis. Als überlegen stellte sich das Gitterkarten-Verfahren insbesondere bei einer dritten Herausforderung heraus: bei der Suche nach einem verdeckten Gegenstand. „Jedoch gilt, dass alle Aufgaben recht gut bewältigbar sind“, resümiert Burmester das zehntägige Experiment. Nicolas Schwenck, einer der 57 Probanden, findet die Bedienung „viel einfacher als Autofahren“.

Wie sicher müssen die Daten sein?

So praktikabel die Servicecenter-Lösung für Ausnahmesituation demnach ist, sie schafft selbst wiederum ein neues Problem – und zwar im Bereich des Datenschutzes. „Telepräsenz-, Assistenz- und Serviceroboter erheben Daten aus der Umgebung ihres Nutzers. Sie sind auf digitale Daten angewiesen. Daher muss der Datenschutz für diese Daten geklärt werden“, betonen Experten des Züricher Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzung.

Den Stuttgarter Wissenschaftlern ist dieses Problem bewusst. Sie haben „Care-O-Bot“ extra so eingestellt, dass die primären Nutzer, also die Pflegebedürftigen, jeden externen Eingriff eigens freischalten müssen. Dass das jedoch nicht immer sinnvoll ist, gab Burmester unumwunden zu. Gerade in Notfallsituationen, etwa wenn eine pflegebedürftige Person gestürzt sei, müsse auch ein Zugriff von außen ohne Freigabe möglich sein, sagt er. Dabei helfen könne ein Sturzwarnsystem. Dieses kann anhand des Winkels, in dem eine Person zu Boden geht, erkennen, ob die Person gestürzt ist. Anschließend könnte es die Freigabefunktion automatisch ausschalten.