Die Untersuchungen über die Ursache der Batteriebrände im neuen Düsenjet Dreamliner dauern an. Inzwischen gibt es Hinweise auf Kurzschlüsse in den leistungsfähigen, aber nicht unproblematischen Lithiumionen-Akkus.

Stuttgart - Es müssen aufregende Minuten an Bord des Dreamliners der japanischen Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) gewesen sein. Nach japanischen Medienberichten hatten drei verschiedene Systeme an Bord Alarm ausgelöst. Zunächst stellten Sensoren im Umfeld der Batterie Rauch fest. Dann fiel die Spannung der Batterie ab. Und schließlich wurde auch noch eine ungewöhnliche Aufladung gemeldet. Daraufhin entschloss sich der Pilot zur Notlandung in Takamatsu im Südwesten Japans. Dass die Batterie tatsächlich gekokelt hatte, zeigen Fotos der japanischen Ermittler: Das Innenleben der blauen Kiste ist völlig verbrannt.

 

Das war am 16. Januar. Weil bereits am 7. Januar in Boston die Lithiumionen-Batterie eines am Boden geparkten Dreamliners gebrannt hatte, müssen seither alle 50 bisher ausgelieferten Flugzeuge dieses Typs am Boden bleiben. Zudem laufen die Untersuchungen zu möglichen Ursachen auf Hochtouren. Zu einem greifbaren Ergebnis haben sie aber bisher nicht geführt – außer dass es Spuren eines Kurzschlusses und einer gefährlichen chemischen Reaktion gibt. Als Grund dafür kommen alle möglichen Ursachen in Betracht, so etwa Überhitzung durch zu hohe Spannung, durch zu starke Beanspruchung, durch falschen Ladestrom oder durch mangelnde Klimatisierung.

Unterschiedliche Brandursachen?

Überhaupt nicht auszuschließen ist, dass auch eine Kombination unterschiedlicher Ursachen zu den Problemen geführt hat – und dass die beiden bekannt gewordenen Brände im Dreamliner unterschiedlich entstanden sind. So war die Spannung beim Zwischenfall über Japan nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen offenbar zu hoch. In Boston dagegen soll die Spannung nicht über den vorgesehenen 32 Volt gelegen haben.

Allerdings haben die Recherchen bereits zu pikanten Details geführt. So kam es beim US-Unternehmen Securaplane, das die Ladegeräte für die Batterien des Dreamliners liefert, bereits 2006 zu einem Brand, der mit den neuartigen Akkus zusammenhing. Daraufhin brannte das Gebäude, in dem der Versuch stattfand, bis auf die Grundmauern ab. Allerdings betont Boeing, dass damals der Versuchsaufbau an sich und nicht die Batterie oder das Ladegerät als Brandursache festgestellt wurde.

Bei vielen Lithiumionen-Akkus besteht eine Elektrode aus Kohlenstoff – genauer: Grafit – und die andere aus einem Lithium-Metalloxid. Dazwischen ist eine Trennschicht, ein Separator, der einen Kurzschluss zwischen den Elektroden verhindern soll. Für die Lithiumionen ist er aber durchlässig – und diese erzeugen dann den Stromfluss: Beim Laden wandern sie ins Grafit, beim Entladen ins Metalloxid.

Metalloxidelektrode bestimmt Leistungsfähigkeitg

Die Leistungsfähigkeit der Batterien wird dabei entscheidend von der Zusammensetzung der Metalloxidelektrode bestimmt. Viele Batterien von Elektro- und Hybridautos haben Lithium-Eisen-Phosphat-Elektroden, die als relativ unkritisch gelten. Man kann aber auch Manganoxid, Kobaltdioxid, Nickeloxid oder eine Kombination aus Kobalt und Nickel für die Metalloxid-Elektrode verwenden. Dabei hängt die Leistungsfähigkeit ganz erheblich vom gewählten Metalloxid ab.

Prinzipiell ist ein Lithiumionen-Akku aber umso stärker brandgefährdet, je mehr Strom er speichern kann, je höher also seine Energiedichte ist. Gerade das in den Dreamliner-Batterien verwendete recht leistungsfähige Kobaltdioxid gilt dabei als ziemlich feuergefährlich – hier ist die Gefahr besonders groß, dass die Batterie thermisch „durchgeht“, im Fachjargon „thermal runaway“ genannt. Das kann beispielsweise geschehen, wenn die Batterie überladen und dabei überhitzt wird: Dann können brennbare Verbindungen wie zum Beispiel Sauerstoff entstehen, die sich entzünden oder gar explodieren können.

Unkontrollierte thermische Reaktionen

Solche unkontrollierten thermischen Reaktionen können auch durch interne Kurzschlüsse ausgelöst werden. Diese wiederum werden unter Umständen von metallischen Verunreinigungen in den Ausgangsmaterialien für die Elektroden hervorgerufen. Darauf weist das Unternehmen American Manganese hin, das ausdrücklich betont, dass die Elektroden der Dreamliner-Akkus aus Kobaltdioxid und nicht aus dem von ihm produzierten Mangandioxid bestehen.

Doch auch Mangandioxid-Akkus haben bereits Probleme gemacht, wie 2011 der Brand eines Elektrohybridautos vom Typ Chevrolet Volt zeigte, der weitgehend baugleich mit dem hierzulande angebotenen Opel Ampera ist. Drei Wochen, nachdem in den USA eines dieser Autos bei einem Crashtest schwer beschädigt worden war, ging das in einer Halle abgestellte Wrack in Flammen auf. Als Ursache wurde eine defekte Kühlung ermittelt, wodurch sich die Batterie überhitzt und entzündet hatte. Allerdings war die Batterie zuvor nicht entladen worden, wie dies der Hersteller nach einem Unfall aus Sicherheitsgründen vorschreibt. Insgesamt kam die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA damals aber zu dem Schluss, dass Elektroautos kein höheres Brandrisiko haben. Auch der deutsche Überwachungsverein Dekra betont aufgrund seiner Versuche, dass Autos mit diesen Batterien bei Bränden mindestens so sicher wie „normale“ Fahrzeuge seien.

In Flugzeugen jedoch ist die Sicherheit noch wichtiger. Der US-Luftverkehrsbehörde FAA war, wie jetzt bekannt wurde, die erhöhte Brandgefahr der Lithium-Kobaltdioxid-Akkus des Dreamliner bekannt. Gleichwohl gab sie grünes Licht, weil sie die eingebauten Sicherungs- und Brandbekämpfungssysteme für ausreichend hielt – eine Haltung, die nun überdacht wird.