Ein weltweites Quanteninternet könnte die digitale Kommunikation in Zukunft sicher und unangreifbar machen. Dabei werden Informationen teleportiert.

Wien - Es knallen keine Sektkorken, eine Party gab es auch nicht, als Physiker im Jahr 1975 eine Entdeckung machen, die später eine Grundlage der Quantenkommunikation werden soll. Ein damals noch unbekannter wissenschaftlicher Mitarbeiter des Physikers Helmut Rauch weist zusammen mit diesem und Kollegen nach, dass sich Neutronen, weil sie Eigenschaften von Wellen und nicht nur jene von Teilchen haben, ganz seltsam verhalten, wenn sie um ihre Achse gedreht werden: Sie verändern ihren Zustand. „Das hatten wir nicht erwartet, dass die Welt nicht die gleiche ist, wenn man sie um 360 Grad dreht“, sagt Anton Zeilinger heute – jener einst unbekannte Forscher zählt zu den führenden Experten weltweit, wenn es um das Quanteninternet geht. Aber damals konnten die Physiker nicht wissen, dass diese Entdeckung jemals eine praktische Relevanz haben würde. „Wenn wir gefragt wurden, wozu das alles gut ist, haben wir gesagt: Für nichts, wir machen das nur aus Interesse an der Sache“, sagt Zeilinger, der heute Professor an der Uni Wien ist.

 

Vor wenigen Monaten ist ein chinesischer Satellit mit einem seiner Experimente an Bord gestartet, dem Quantum Experiments at Space Scale (Quess). An Bord befindet sich Technik, die auf Zeilingers Entdeckung beruht. Mit ihrer Hilfe soll eines der drängendsten Probleme der digitalen Kommunikation gelöst werden: Quantenkommunikation und Quantenkryptografie sollen Hacker für immer in ihre Grenzen weisen.

Die Verschlüsselung der Zukunft beruht auf physikalischen Gesetzen, die sich von ihnen weder knacken noch manipulieren lassen. Es soll ein weltumspannendes Netz aus Satelliten gebaut werden, so die Vision, das sichere Verbindungen zwischen dem Weltall und allen Orten der Welt ermöglicht: ein Quanteninternet. „Die Quantenkryptografie erlaubt es, Informationen so zu verschlüsseln, dass selbst die NSA sie nicht abhören kann“, sagt Zeilinger.

„Die Effekte lassen sich mathematisch wunderschön erklären“

Das beruht unter anderem auf einem sehr alten Effekt, den Albert Einstein einst als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet hat. Quantenkryptografie klingt in der Tat wie Zauberei, aber Zeilinger erklärt nüchtern: „Diese erstaunlichen Effekte lassen sich mathematisch wunderschön und elegant erklären.“ Das Fachwort für den sprichwörtlichen Spuk lautet Verschränkung, einer der seltsamen Effekte der Quantenwelt, die Zeilinger seit seinem Studium faszinieren: Wenn zwei Lichtquanten – zwei kleine „Pakete“ Licht – einen gemeinsamen Ursprung haben, bleiben sie danach miteinander verbunden, selbst wenn sich ihre Wege wieder trennen. Wird der Zustand eines der Teilchen verändert, ändert sich auch der des anderen im selben Moment.

Auch wenn diese Teilchen Hunderte Kilometer weit voneinander entfernt sind, passt sich eines in Echtzeit an das andere an, sobald sich jenes verändert. Aber wie kommt die Information vom einen zum anderen Teilchen? „Die Information legt keinen Weg zurück“, sagt Zeilinger. Sie wird teleportiert. „Laien vergleichen das gerne mit dem Beamen aus Science-Fiction-Filmen.“ Es ist der verzweifelte Versuch etwas zu beschreiben, das für Gehirne unverständlich ist. „Es widerspricht dem gesunden Menschenverstand“, gibt auch Zeilinger zu. Sobald das eine Teilchen eine Information hat, hat es das andere auch. „Es ist bemerkenswert, es ist mathematisch witzig.“ In zahlreichen Büchern und Vorträgen hat der Professor, der den Spitznamen Dr. Beam hat, versucht zu erklären, wie das funktioniert. „Aber es ist außerhalb unserer Vorstellungsmöglichkeit, die Sprache versagt hier immer wieder.“ Eines ist sicher: Diese rätselhafte Informationsübertragung existiert und könnte in Zukunft als Grundlage des Internets genutzt werden. Quanten transportieren dabei die Informationen.

Allein die Messung verändert die Realität

Würde ein Hacker eine solche Information abfangen, würde er unweigerlich entdeckt. Um das zu verstehen, muss man sich das eingangs erwähnte Experiment genauer anschauen: Es beruht auf dem Phänomen, dass Lichtteilchen sich mal wie Teilchen und mal wie Wellen benehmen. Wenn man sie durch eine Wand mit zwei waagrechten Spalten auf eine dahinterliegende Wand schickt, würde man von Teilchen eigentlich ein Muster erwarten, das die beiden Streifen abbildet – so, als würde man mit einer Sprühdose durch eine Schablone sprühen: Das Muster der Schablone wird dabei auf der hinteren Wand abgebildet. Stattdessen erscheint ein sogenanntes Interferenzmuster: Die Lichtteilchen landen in mehreren Streifen auf der hinteren Wand – auch an Stellen, die sie auf geradem Weg von der Quelle durch die beiden waagrechten Streifen nicht erreichen können.

Wie kommen sie dorthin? Da fangen die Kuriositäten an: Versucht man im laufenden Experiment herauszubekommen, durch welche der beiden Spalten ein Teilchen geflogen ist, verschwindet das Interferenzmuster. Stattdessen erscheint das Schablonenmuster: Werden sie beobachtet, verhalten sich Quanten wie Teilchen und nicht mehr wie Wellen. Allein die Messung verändert offenbar die Realität.

„Einstein war auf dem Holzweg“

Dieser Effekt tritt auch bei verschränkten Teilchen auf – und das nutzt die Quantenkryptografie: Fängt ein Hacker die Information auf dem Weg ab und versucht sie auszulesen, muss er dafür den Zustand der Teilchen messen. Damit verändert er diesen aber im selben Moment und verrät sich so, erklärt Zeilinger: „Ein Lauscher zerstört die Verschränkung.“ Noch ist allerdings die Übertragungsrate viel zu gering für die Massen an Daten im World Wide Web. „Aber das ist ein technisch lösbares Problem“, führt der Physiker aus, „wenn man sehr viel Geld in die Hand nimmt, kann man das lösen.“

Was würde Einstein zu den aktuellen Erkenntnissen sagen? „Das zu wissen, dafür würde ich viel geben“, sagt Zeilinger. Einstein sei damals empört gewesen über die Ansicht, dass Messungen Experimente verändern können und Dinge, die nicht gemessen werden, nicht sicher existieren. Er soll einst provokativ gefragt haben: „Ist der Mond auch nicht da, wenn keiner hinsieht?“ „Aber Einstein war auf dem Holzweg“, sagt Zeilinger. „Heute wissen wir, dass es bei manchen Dingen falsch ist zu behaupten, dass das, was messbar ist, schon vor der Messung existiert hat.“ Womöglich verzweifeln daran die Hacker der Zukunft.

Geschichte der Quantenverschränkung

Gedankenexperimente Die Verschränkung von Teilchen wurde bereits in den 1930er Jahren theoretisch vorhergesagt; Ernst Schrödinger prägte den Begriff. Experimente waren damals noch nicht möglich, lediglich Gedankenexperimente – die scheinbar selbst Einstein absurd vorkamen: So kam es zur Aussage der „spukhaften Fernwirkung“.

Labor Seit den siebziger Jahren sind die Experimente dank der fortgeschrittenen Technik im Labor möglich geworden. Der Quantenphysiker Anton Zeilinger holte sie aus dem Labor heraus, indem er zunächst Informationen in verschränkten Lichtteilchen über den Dächern Wiens übertrug, 2013 zwischen den Kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa.

Weltall Um zu zeigen, dass die Quantenteleportation auch über größere Entfernungen funktioniert, braucht es einen Ort, an dem die Erdkrümmung nicht im Weg ist, wenn es darum geht, Informationen über weite Strecken zu schicken. Zeilinger hat dafür mit chinesischen Kollegen eine Photonenquelle bestehend aus einem starken Laser und einem speziellen Kristall ins All geschickt. So entstehen dort aus Lichtteilchen jeweils zwei verschränkte Photonen, die dann getrennt und beispielsweise an die Bodenstationen in Peking und Wien geschickt werden können. Dort kommen jeweils die gleichen Informationen an.