Ob tanzende Roboter, sprechende Bücher oder Rennautos – der Spaß wächst mit Smartphone-Technik. Auf der neuen Rennbahn ohne Spurrille werden die Auto mit dem Handy gesteuert. Fahren können sie dabei kreuz und quer.

Stuttgart - Wer Kindern eine Freude machen will, kommt schnell ins Grübeln: Ist klassisches Spielzeug in der Ära von Games und Apps überhaupt noch zeitgemäß? Auch bei Geschenken für kleine Leseratten fällt die Entscheidung schwer. Spricht einerseits viel für gedruckte Bücher, stehen dem die multimedialen Möglichkeiten elektronischer Medien gegenüber. Dass sich beide Welten miteinander verbinden lassen, zeigen Hersteller und Verlage, die ihren Produkten mit Handy-Apps neues Leben einhauchen.

 

Beschränkten sich die Fähigkeiten batteriebetriebener Roboter früher auf Blinken und Krachmachen, sind die elektrischen Spielkameraden heute deutlich vielseitiger. „MiP“ nennt sich ein in Zusammenarbeit mit dem Coordinated Robotics Lab der Universität von Kalifornien in San Diego entwickelter interaktiver Roboter, der per Handgesten oder kabellos über eine Smartphone-App gesteuert werden kann. Der Name leitet sich von „Mobile Inverted Pendulum“ ab. Ein „invertiertes Pendel“ nennt man eine Konstruktion, deren Schwerpunkt so hoch liegt, dass sie aktiv balanciert werden muss, um nicht umzufallen. Genau das ist das Prinzip des knapp 20 Zentimeter hohen Kunststoffwesens auf zwei Rädern. Ziel ist es, „MiP“ in der Vertikalen zu halten, während er diverse Fahrmanöver ausführt, tanzt oder Gegenstände auf einem Tablett transportiert. Auf eine hohe künstliche Intelligenz lässt das oft unberechenbare Verhalten nicht schließen. Trotzdem – oder vielleicht sogar gerade deswegen – haben offenbar nicht nur Kinder ihren Spaß daran. So ließ sich die Fachjury des Kindersoftwarepreises Tommi von „MiPs“ Charme einfangen. Und am Ende zeichnete die Kinderjury dann den wackeligen, nur mit Glück und Geschick unfallfrei manövrierbaren Gefährten mit dem „Tommi 2015“ als bestes elektronisches Spielzeug aus.

Das Smartphone wird zur Schaltzentrale

Warum das Smartphone nicht gleich in das Spielzeug integrieren? Das dachte man sich beim Ravensburger Verlag und entwickelte eine ganz konkrete Verbindung aus digitaler und physischer Welt. „Space Hawk“ ist ein Plastikraumschiff mit einer Halterung für iPhones und Android-Handys. Eine App bringt den „Weltraum-Falken“ mittels Sound und Lichteffekten auf Touren. Auf dem Display kann man das Innere des Schiffs erkunden und mit der Crew Weltraum-Abenteuer erleben. Dabei gilt es, Asteroiden aus dem Weg zu räumen, Alien-Angriffe abzuwehren und fremde Planeten zu erkunden. Letztere bestehen aus Pappkarten, die von der Smartphone-Kamera erkannt und auf dem Bildschirm als 3D-Welten dargestellt werden. So verwandelt sich der Wohnzimmertisch kurzerhand in einen fernen Eisplaneten. Das Fluggerät selbst wird manuell durch den realen Raum bewegt – ganz so, wie es Kinder schon seit vielen Generationen tun. „Wir wollten die natürlichen Spielformen von Kindern wieder fördern“, erklärt Thomas Bleyer, Geschäftsführer von Ravensburger Digital das pädagogische Konzept hinter Space Hawk. Das Raumschiff solle auch ohne App Spielanreize bieten. Schließlich werden Mama oder Papa nicht immer ihr Smartphone zum Spielen rausrücken wollen.

Autos auf Schienen, das hat mit der Realität recht wenig zu tun. Trotzdem funktionieren sogenannte Slotcars seit Jahrzehnten nach diesem Prinzip. Spurwechsel und Überholmanöver sind da nur in sehr begrenztem Umfang möglich. „Anki Overdrive“ will nun die überfällige Revolution der Modellrennbahnen einleiten. Die akkubetriebenen Plastikrenner können sich frei bewegen, die Ideallinie auf der Piste suchen und Gegner ausbremsen. Die bislang obligatorischen Handdrücker sind passé, gesteuert werden die kleinen Plastikboliden per App. Dabei dreht man das Smartphone einfach in die gewünschte Richtung, die Geschwindigkeit wird über einen Regler am Touchpad angepasst. Die Fahrzeuge sind zudem mit diversen Waffensystemen ausgestattet, mit denen man Kontrahenten ins Schleudern bringen kann. Beim Aufbau sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die überraschend flachen, biegsamen Fahrbahnteile lassen sich sogar über Hindernisse hinweg verlegen. Dazu müssen sie nicht mühsam zusammengefügt werden, sondern verbinden sich per Magnet fast von allein. Der Trick dahinter: Auf den Segmenten sind Muster aufgedruckt, die von Sensoren in den Fahrzeugen erkannt werden. Auf diese Weise finden sie auch ganz allein ihren Weg und stehen zum Duell bereit, wenn Papa mal keine Lust zum Mitspielen hat. Die verblüffende Technik hat ihren Preis: 60 Euro pro Fahrzeug, das ist das Drei- bis Vierfache eines herkömmlichen Slotcars.

Das gedruckte Buch wird multimedial erweitert

Dass gedruckte Bücher und multimediale Inhalte einander ergänzen können, beweist der Carlsen Verlag mit der Kinderbuchreihe „LeYo!“. Ob Abenteuer oder Märchen, Atlas oder Tierbuch: Die Seiten erwachen mit Hilfe einer App zum Leben. So enthält „LeYo! Alle Vögel sind schon da“ Bilder und Texte zu heimischen Vogelarten, die App zeigt kleine Animationen und lässt Vogelstimmen erklingen. Möchte man bei der Lektüre mal in das Innere eines Vogels schauen, zückt man das Handy und hält es über die Abbildung – schon erscheint das Röhrenknochenskelett auf der Seite. Das Geheimnis sind auch hier spezielle Muster, die von der Handykamera erfasst und von der App wiedererkannt werden. Die passenden Zusatzinhalte werden aus dem Handyspeicher geladen und auf die Seite projiziert. Das ist mit aufwendigen Berechnungen verbunden und klappt nicht immer ganz perfekt. „Wir machen uns das Prinzip der Augmented Reality, der digital erweiterten Realität, zunutze, um dem Leser neue Erlebnisebenen zu eröffnen“, erklärt Projektleiter Markus Dömer. „Die Bilderkennung wurde so verfeinert, dass die Software auch kleine Elemente, etwa zwei direkt nebeneinander sitzende Vögel, unterscheiden kann.“ Diese „Multi-Hotspot-Technik“ ist einzigartig auf dem Markt. Doch auch ganz ohne Elektronik über zeugt das liebevoll aufgemachte Buch und animiert dazu, nach draußen zu gehen, um die Wunder der realen Welt zu entdecken.

Vier besondere Neuheiten

MiP
Roboter auf zwei Rädern von der Firma WowWee/Jazwares. 129,99 Euro (UVP), der Straßenpreis liegt bei rund 100 Euro.

Spaß: *** Lerneffekt: ** Langzeitmotivation: * Geeignet für: Kinder und Jugendliche, die Spaß an technischen Spielereien haben. Während Jüngere von dem oft umfallenden Roboter schnell überfordert sein könnten, haben größere Technikfans viel Spaß mit MiP.

Space Hawk
Plastikraumschiff von der Firma Ravensburger. Das Starter-Set kostet um die 45 Euro, die Zusatzmissionen je 20 Euro.

Spaß: *** Lerneffekt: * Langzeitmotivation: ** Geeignet für: Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, die sich beim Spielen auch mal bewegen wollen oder sollen. Versiertere Spieler haben die Story allerdings schnell durchgespielt. Infos: www.ravensburger-digital.com

Anki Overdrive
Neuartige Rennbahn der Firma Anki. Das Starter-Set mit zwei Fahrzeugen kostet 180 Euro, extra Fahrzeuge 60 Euro.

Spaß: **** Lerneffekt: * Langzeitmotivation: **** Geeignet für: Rennsportfans ab 9 Jahren, aber auch Erwachsene werden Gefallen an dem Spiel finden. Vorher sollte man prüfen, ob die App auf den verfügbaren Geräten funktioniert. Infos: https://anki.com/de-de

LeYo!
Das interaktive Buch „Alle Vögel sind schon da“ vom Carlsen-Verlag kostet rund 20 Euro.

Spaß: ** Lerneffekt: **** Langzeitmotivation: *** Geeignet für: Leseeinsteiger und naturwissenschaftlich Interessierte. Die LeYo!-Reihe bietet unterhaltsam vermitteltes Wissen. Weitere Titel: „Mein Lieblings-Gruselbuch“, „Piraten“, „Pferde und Ponys“ Weitere Infos: https://www.carlsen.de/leyo