Seit Jahresbeginn fällt in einem Gebäude an der Nordbahnhofstraße immer Mal wieder der Aufzug aus. Das ist besonders problematisch, weil ein Teil der Mieter im betreuten Wohnen lebt und gehbehindert ist.

Stuttgart - Vor kurzem stand er erneut still. Zur Zeit funktioniert der Aufzug wieder. Die Mieter fragen sich allerdings, wie lange: „Von Februar bis heute war der Fahrstuhl 23 Tage außer Betrieb“, sagt Peter Ley. Der 61-Jährige ist herzkrank und so gut wie blind. Seine Nachbarin, Desirée Furcht, zeigt auf die Tüv-Plakette im Fahrstuhl: „Die ist seit Februar abgelaufen.“

 

Die 58-jährige Rollstuhlfahrerin und Ley leben im Haus Nummer 61 an der Nordbahnhofstraße im betreuten Wohnen. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ABS) betreibt die Einrichtung. Vermieter ist ein Unternehmer, der nach eigener Auskunft das Gebäude vor kurzem in seine Stiftung überführt hat, deren Vorsitzender er auch ist. Außer Ley und Furcht wohnen noch weitere 36 Mieter im betreuten Wohnen. „Das sind alles ältere Herrschaften. Viele sind Gehbehindert oder auf den Rollstuhl angewiesen“, sagt ASB-Einrichtungsleiterin Irmtraud Schöhl. Sie erklärt, dass ihre Kritik beim Vermieter bislang auf taube Ohren stoße.

Patienten in der Apotheke behandelt

Nicht nur die Mieter, auch Patienten der Arztpraxis im ersten Stock haben bei Ausfall des Aufzugs Probleme: „Weil einige die Treppe nicht hochkamen, mussten wir sie sogar schon im Besprechungszimmer der Apotheke im Erdgeschoss behandeln oder aber die Rollatoren hinauf in die Praxis getragen“, sagt Arztgattin Beate Wurst. Schon öfter habe sie den Vermieter gebeten, das Aufzugproblem dauerhaft zu lösen. Passiert sei aber nichts, sagt sie.

Kaputte Aufzüge und Rolltreppen: Bahnkunden kennen das und stehen, wenn sie gehbehindert sind, viel Gepäck haben oder mit Kinderwagen unterwegs sind, hilflos vor den still gelegten Anlagen. Doch die haben zumindest die Möglichkeit, an einer anderen Haltestelle auszusteigen. Die Bewohner an der Nordbahnhofstraße kommen hingegen kaum aus dem Haus und sind in ihrer Wohnung regelrecht eingesperrt, wenn der Lift defekt ist. Weil ihre Kritik bislang nicht gefruchtet hat, haben sie jetzt Walter Tattermusch eingeschaltet. Er ist der Behindertenbeauftragte der Stadt und stellt fest: „Der Aufzug läuft jetzt zwar, aber nicht wie er soll“. Bei einer Einrichtung des betreuten Wohnens sei ein Vermieter in ganz besonderem Maße dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass die Anlagen, auf die die Mieter angewiesen sind, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, auch hundertprozentig intakt sind. Und bei abgelaufenem Tüv bestehe die Gefahr, dass ein Aufzug stecken bleibt oder gar ein Seil reißt. Versuche mit dem Vermieter telefonisch Kontakt aufzunehmen, seien fehl geschlagen. „Ich wurde mehrfach weg gedrückt“, so Tattermusch

Aufzüge müssen fristgerecht gewartet werden

Der Vermieter ist sich keines Versäumnisses bewusst. „Alles ist in Ordnung. Der Aufzug wurde gerade erst gewartet und läuft doch wieder“, sagt er und weist darauf hin, dass ein defektes Teil ausgetauscht worden sei. Außerdem überlege er, eine andere Firma mit der Wartung des Aufzugs zu beauftragen, falls wieder Defekte auftreten. Warum die Tüv-Plakette nicht ersetzt ist? Das wisse er auch nicht, erklärt er – und verspricht, sich darum kümmern zu wollen.

Das sollte der Vermieter auch, denn wenn Aufzugsanlagen nicht innerhalb der vom Sachverständigen festgelegten Frist überprüft werden, kann die Abteilung für Gewerbeaufsicht des städtischen Amts für Umweltschutz ein Bußgeldverfahren einleiten und die Beseitigung von Mängeln anordnen. Die Gewerbeaufsicht ist laut Amt für Umweltschutz bereits aktiv. „Über laufende oder abgeschlossene Ermittlungen dürfen wir nach Vorschriften des Arbeitsschutzes jedoch keine Auskunft geben, so Amtsleiter Hans-Wolf Zirkwitz.