Schon lange arbeiten Ingenieure an einem fliegenden Auto. Allmählich nimmt der Traum Gestalt an – auch dank der Arbeit zweier Hannoveraner Tüftler.

Stuttgart - Noch mutet es wie ein Bild aus einem Science-Fiction-Film an: auf dem Flughafen landen und dann auf der Straße weiterfahren – oder umgekehrt. Doch dies ist keine Zukunftsvision, sondern schon heute möglich. Verschiedene Hersteller weltweit arbeiten an einem solchen Flugauto. Bereits im vergangene Jahr präsentierte die US-Firma Terrafugia auf der Autoshow in New York ein voll funktionsfähiges Flugfahrzeug. Das Gefährt mit vier Rädern, zwei Sitzen und zwei elektrisch einklappbaren Flügeln kostet allerdings rund 210 000 Euro.

 

In einer ähnlichen Preisklasse ist eine Firma in den Niederlanden unterwegs, die ebenfalls ein Auto für die Lüfte konzipiert hat. PAL-V heißt der „fliegenden Holländer“, der mit seinen drei Rädern und einem auf dem Dach befestigten Propeller allerdings eher wie ein fahrender Hubschrauber aussieht als wie ein Flugauto. Doch das fliegende Fahrzeug entspricht laut Hersteller den derzeit existierenden gesetzlichen Regelungen in beiden Hauptmärkten und ist damit sowohl für den Straßen- als auch für den Flugverkehr zugelassen. Ziel der holländischen Firma ist ein Verkaufsstart ab 2014 bei einem Preis zwischen 250 000 und 300 000 Euro.

Fliegen mit Gleitschirm und Propeller

Auch in Deutschland wird derzeit eifrig an einem Flugauto getüftelt. Entwickler aus Wedemark nahe Hannover bringen ihr fliegendes Gefährt allerdings nicht mit Flügeln, sondern mit Hilfe eines Gleitschirms in die Luft. „Die Vorteile des Fliegens mit dem Gleitschirm sind die Flugsicherheit, die Eigenstabilität, das einfache Handling und sehr kurze Start- und Landestrecken“, erklärt Michael Werner, einer der beiden Entwickler. Außerdem ist das fliegende Dreirad wesentlich günstiger als seine ausländischen Brüder: schon für rund 60 000 Euro kann man das Fluggefährt erwerben. Der Nachteil: bei sehr schlechtem Wetter, also starkem Wind oder Regen, kann das Trike nicht abheben; dann muss der Pilot aus Sicherheitsgründen als Fahrer mit der Straße vorliebnehmen.

Das Flugauto der Hannoveraner Konstrukteure erfüllt schon jetzt fast alle nötigen Zulassungsvoraussetzungen eines Autos: es hat zum Beispiel einen Katalysator, die entsprechenden Lampen, Bremsen und alle anderen für die Straßensicherheit wichtigen Einrichtungen. Das technische Problem: auf der einen Seite muss das fliegende Trike sicher sein, auf der anderen Seite darf es nicht zu viel wiegen. Denn laut Luftverkehrsordnung gilt hierzulande nur ein Flugkörper bis 472,5 kg (mit zwei Piloten) als Ultraleichtflugzeug und unterliegt so weniger strengen Richtlinien als die Flugzeuge der Zivilflugfahrt.

Zwei getrennte Lenksysteme erforderlich

Deutsche Rechtsnormen fordern für solch ein Flugauto zwingend zwei getrennte Lenksysteme: Autos müssen per Hand, Flugzeuge mit den Füßen gesteuert werden. Das neue Fluggefährt muss also wahlweise beides können. Abheben kann das Fluggerät praktisch von jeder etwas längeren Wiese: 100 Meter Startbahn reichen aus. „Allerdings müssen vor der Verwandlung vom Auto zu einem Flugkörper erst ein paar Umbauten gemacht werden, doch die gehen schnell“, berichtet Werner. Erst wird der Druckpropeller aufgeklappt, dann wird der Gleitschirm aus dem Gepäckfach genommen und ausgelegt. Nun muss nur noch ein Hebel umgelegt werden, der die Fußstützen vom Rahmen ab- und mit dem Lenker zusammenkoppelt. Schon kann mit den Füßen nicht nur gebremst und Gas gegeben, sondern auch noch gelenkt werden. Die Hände sind frei für die Bedienung des Gleitschirms.

Ebenso wie die Lenkung muss natürlich auch das Getriebe automatisch von Rad- auf Propellerantrieb umgeschaltet werden. Deshalb entwickelten die Tüftler ein Spezialgetriebe, bei dem die Schalttechnik hochgezüchteter Rennmotorräder mit dem Rückwärtsgang eines Pkw und dem schaltbaren Abgang des Propellerantriebs vereint sind.

Nach 100 Metern geht’s in die Luft

Nach etwa 100 Meter Anlaufphase erhebt sich das Dreirad dann recht zügig und in gutem Steigungswinkel in die Lüfte. Bis zu vier Stunden kann es in der Luft bleiben, ehe es wieder betankt werden muss. Dabei kann der Zweisitzer bei einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde bis zu 400 Kilometer zurücklegen. Auf der Straße kommt das Trike sogar auf eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde.

Was noch wie ein Spielzeug für Hobbyflieger und Bastler anmutet, könnte in ein paar Jahrzehnten schon Realität werden: Autos, mit denen sich Staus umfliegen lassen. Allerdings müsste solch ein Gefährt dann eher kein Gleitflieger, sondern ein Fluggerät sein, das nach dem Flugprinzip eines Helikopters funktioniert: Es müsste senkrecht starten und landen können, dürfte also nicht auf die langen Start- und Landebahnen eines Flugzeuges angewiesen sein. Um die rechtlichen Fragen, die mit solchen „Helikopterautos“ verbunden sind, sowie um die – leicht bedienbare – Technik dahinter kümmert sich derzeit das EU-Forschungsprojekt „Mycopter“. Daran beteiligt sind unter anderem das Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Eidgenössische Hochschule Zürich und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Bis die ersten praxisnahen Ergebnisse erzielt werden, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern.