Der Kreis will technikinteressierten Schülern die Möglichkeit bieten, von Klasse acht an in sechs Jahren die Hochschulreife zu erwerben. Der Kreistagsausschuss hat dem Antrag zugestimmt – allerdings nur mit knapper Mehrheit und nach längerer Diskussion.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Technikinteressierten Schülern soll künftig in Waiblingen ein neuer Weg zum Abitur eröffnet werden. Der Kreis will an der Gewerblichen Schule in Waiblingen vom Schuljahr 2017/18 an eine Klasse einrichten, in der Achtklässler die Hochschulreife nach weiteren sechs Jahren erreichen können. Der Beschluss, das Bildungsangebot für das Technische Gymnasium zu beantragen, fiel im zuständigen Kreistagsausschuss mit 13 zu zehn Stimmen aber mit knapper Mehrheit und nach längerer, kontroverser Diskussion.

 

„Gute Schüler mit einem besonderen Interesse an Technik“ sind laut Michael Vogt, dem Geschäftsbereichsleiter Schulen, Bildung und Kultur im Landratsamt, die Zielgruppe. Immer wieder werde die Gewerbliche Schule bei Informationsveranstaltungen darauf angesprochen, warum das Angebot eines Technischen Gymnasiums nicht schon von der Mittelstufe an bestehe. In einem Beschlussantrag der Verwaltung sind weitere Argumente aufgeführt: etwa, dass die besondere Begabung vieler Kinder im Alter von 13 Jahren bisher nicht speziell gefördert werden könne. Und dass das neue Bildungsangebot sogar helfen könne, den Fachkräftenachwuchs frühzeitig und langfristig zu sichern.

Schulleiter halten Angebot für nicht sinnvoll

Der Beschluss, dieses Angebot bei der Schulbehörde zu beantragen, war in einer vorhergehenden Sitzung des Kreistagsausschusses im März allerdings verschoben worden – weil man erst noch die Meinung der Schulleiter der allgemeinbildenden Gymnasien einholen wollte. Deren Fazit fiel freilich ernüchternd aus: Im Rems-Murr-Kreis seien ausreichend Möglichkeiten für das Abitur vorhanden. Das sechsjährige Technische Gymnasium biete keinen Mehrwert. Es werde befürchtet, dass sich die Schüler für das Bildungsangebot nicht wegen seines Profils, sondern wegen der Möglichkeit, das Abitur in neun Jahren ablegen zu können, entschieden.

Diese Sorgen stießen bei einigen Räten im Kreistagsausschuss auf offene Ohren. Der SPD-Rat und pensionierte Lehrer Jürgen Hestler hielt eine „Nukleusklasse“ nicht nur für pädagogisch bedenklich, sondern sah wegen eines drohenden „Kanibalisierungseffektes“ gar den gesamten Schulfrieden im Kreis bedroht. „Da kann eine Welle auf uns zukommen“, schließlich sei absehbar, dass bei einem Erfolg in Waiblingen auch die Gewerblichen Schulzentren in Schorndorf und Backnang entsprechende Anträge stellen würden.

Landrat: keine Konkurrenz für andere Schulen

Dem widersprach der Landrat Richard Sigel. Man wolle den allgemeinbildenden Schulen keine Konkurrenz machen, deswegen sei das Angebot auch klar auf eine einzelne Klasse mit maximal 30 Schülern und damit auf maximal ein Prozent der Siebtklässler im Rems-Murr-Kreis begrenzt. „Wir allein haben das in der Hand“, ergänzte der FDP-Kreisrat und Leiter des Kaufmännischen Gymnasiums am Waiblinger Berufsschulzentrum, Ulrich Lenk. Er warnte davor, das Feld anderen zu überlassen: Wenn der Kreis das Angebot nicht mache, werde es von Privatschulen oder umliegenden Raumschaften aufgegriffen.

Der Waiblinger Oberbürgermeister und Freie Wähler Kreisrat Andreas Hesky beantragte, das Thema noch einmal zu vertagen, die Argumente in Ruhe abzuwägen, und sich damit die Chance auf einen breiten Konsens zu bewahren. Diesem Ansinnen kam das Gremium nicht nach. Das letzte Wort hat freilich das Kultusministerium.