Dann bin ich gespannt, was du zur nächsten Nummer sagst.

Frank Wiedemann & Ry Cuming – Howling – Ame Remix (Innervisions, 2012)

 

Wittinger: Okay, jetzt wird es wieder deeper.

Das ist eine der absoluten Konsens-Nummern unter Techno-House-DJs des Jahres.

Wittinger: Kann ich nachvollziehen, denn derjenige versteht sein Handwerk.

Extrawelt treten am Samstag live beim SEMF auf. Das ist ihre Debütsingle aus dem Jahr 2005 und markiert auch gleichzeitig den Durchbruch das Hamburger Duos.

Tommy Wittinger: Okay. Das löst in mir Bilder aus. Spät in der Nacht, die letzten „Verplanomatiks“ stehen mit einer in sich gekehrten Miene in einem halb leeren Club und grooven ab. Zu lachen gibt es da nichts, das Stück ist in Moll, es ist traurig.

Traurig ist es auf jeden Fall, aber es ist auch eine absolute „Hands Up“ Nummer. Funktioniert auch heute immer noch.

Wittinger: Okay, wenn natürlich viele Leute das gleichzeitig abfeiern und der Club ist voll, dann pusht man sich natürlich gegenseitig hoch.

Auf jeden Fall. Produktionsmäßig?

Wittinger: Ich glaube, im Electro mittlerweile Standard. Weil man kann auch im Electro, meiner Meinung nach, gar nicht so viel falsch machen. Heutzutage hat jeder auf dem Rechner seine Software, die ganzen Sounds sind alle da, die drücken schon von sich aus, und wenn man sich nicht ganz dumm anstellt, kriegt man so etwas hin.

Claptone – Cream (Exploited, 2012)

Kennst du dich mit dem Wu-Tang Clan aus?

Wittinger: Geht so. Shabazz The Disciple von Wu-Tang hat bei mir im Studio mal drei Stücke aufgenommen. (Die Bassdrum setzt ein) Ui! Da geht ja was! Musikalisch ist dieser Tune wesentlich anspruchsvoller als der Erste, absolut.

Inwiefern?

Wittinger: In jeglicher Hinsicht. Den ersten Track macht jemand in 20 Minuten, wenn er in dieser Musikrichtung geübt ist. Bei diesem Stück laufen viel mehr filigranere Sounds im Hintergrund. Das andere war aus künstlerischer Sicht ziemlich simpel.

Okay, jetzt hör mal auf das Break. Erkennst du das?

Wittinger: Das Sample? Nee.

Das ist „C.R.E.A.M.“ vom Wu-Tang-Clan. Erstes Album. Warte kurz, hier das Original (Wechsel zu C.R.E.A.M.).

Wittinger: Tatsächlich, das ist das gleiche Sample.

Man muss natürlich dazu sagen, dass der Wu-Tang Clan wiederum das Sample von einer alten Soul-Platte hat. Ich habe die Nummer deswegen ausgesucht, weil es dieses Jahr ziemlich angesagt war, HipHop-Samples auf eine elegante Art und Weise zu verarbeiten. Gefühlsmäßig wurde dieses Jahr jeder 90er HipHop-Hit verwurstet, was manche DJs irgendwann genervt hat.

Wittinger: Verstehe. Auf jeden Fall ist das Stück mit einer gehörigen Portion Musikalität produziert. Derjenige hat viel mehr daran gearbeitet, und das ist viel besser arrangiert. Jetzt kommt da noch eine Geige rein, das ist wirklich ganz vorn.

Die Konsens-Nummer unter Techno-House-DJs des Jahres

Dann bin ich gespannt, was du zur nächsten Nummer sagst.

Frank Wiedemann & Ry Cuming – Howling – Ame Remix (Innervisions, 2012)

Wittinger: Okay, jetzt wird es wieder deeper.

Das ist eine der absoluten Konsens-Nummern unter Techno-House-DJs des Jahres.

Wittinger: Kann ich nachvollziehen, denn derjenige versteht sein Handwerk.

Ame, ursprünglich aus Karlsruhe übrigens, stehen seit Jahren für hochwertige Produktionen.

Wittinger: Das ist wirklich auf hohem Niveau produziert und vor allem sehr interessant arrangiert. Die verschiedenen Stimmungen haben sie gut verarbeitet. Und es hat sogar schon wieder den Charakter von einem richtigen Song, wie zum Beispiel von früheren Depeche-Mode-Sachen. Wunderbar.

Gefällt das dir jetzt auch ein bisschen oder berührt dich das gar nicht?

Wittinger: Das Tempo generell ist nicht meine Welt. Das ist mir zu schnell. Da bleibt keine Zeit zwischen den Schlägen. Aber trotzdem Hammer.

Klangkarussell – Sonnentanz - Oliver Koletzki Remix (Universal 2012)

Die Originalversion ist einer der größten kommerziellen Erfolge der Branche, quasi vom Club in die Charts... (die mächtigen Beats setzen nach dem Intro ein, Tommy drückt es in den Sitz)

Wittinger: Wuah, junger Vadder! Das ist bisher der fetteste Mix. Leck mich am Arsch! Das ist an der Kante, mehr geht nicht mehr.

Och doch, da gibt es noch brachialere Sachen, das ist da harmlos, glaub mir.

Wittinger: Haben das Deutsche produziert?

Das Original ist von Österreichern. Aber diese Version ist von dem Berliner Oliver Koletzki, der ist vor sieben, acht Jahren bekannt geworden.

Wittinger: Der Kerl hat es drauf. (Das Xylophon nach dem ersten Peak setzt ein, Tommys Begeisterung verzieht sich). Okay, jetzt ist er mir zu poppig geworden. Die Akkorde sind nur Dreiklänge, das hätte er sich auch schenken können. Das war ein bisschen platt. Das Saxophon hab ich auch irgendwo auf einer Sampling-CD.... okay, okay, okay, nächster Song! Schade. Das fing so gut an und dann ist er zu seicht geworden.

Ich zeig dir kurz das Original, ging total durch die Decke, das Video steht bei 10 Millionen Klicks.

Klangkarussell – Sonnentanz (Universal, 2012)

Wittinger: Unglaublich, da war die andere Version soundmässig um Welten fetter. Die Jungs haben kein Händchen für den Mix, die haben das sehr platt gemischt. Das ist zu trocken, das hat kein Punch.

The Aztec Mystic – Jaguar (Underground Resistance, 1999)

Letzte Platte, einer der größten Klassiker der Techno-Geschichte, eine Detroit-Produktion aus dem Jahr 1999. Kannst du auch heute noch bringen, die Leute drehen durch.

Wittinger: (wenig beeindruckt) Bis jetzt hören wir die klassische Zwiebeltechnik, das heißt, eine Schicht nach der anderen kommt dazu... puh, die Geigen sind leider zu laut gemischt. (Er schaltet von Mono auf Stereo und zurück an seinem Mischpult, es ändert sich nahezu nichts.) Und die Platte ist fast mono, also ganz wenig stereo.

Haha, sauwitzig, eine der besten Techno-Platten aller Zeiten ist mono aufgenommen. Das ist auch die Erstpressung, ich hab die damals gleich gekauft.

Wittinger: (lacht) Wahnsinn. Von wann war die nochmal?

1999. Man hört der Nummer ihr Alter an, ohne Frage.

Wittinger: Das ist ein Kompositionsbogen und arrangiert ist das Ding, indem man die Spuren an oder ausschaltet. Hier hört man jetzt ganz deutlich, was sich gerade in den letzten, zehn, elf, zwölf Jahren in der elektronischen Musik verändert hat. Das hat heute, wie vorhin bei dem Koletzki-Remix, alles so einen Wumms, die Auflösung der Sampling-Rate ist viel höher und die Jungs haben alle ihre Plugins und Milliarden von Sounds auf ihrem Rechner.

Hat das dann heutzutage, wie schon vorhin angerissen, deiner Meinung nach weniger mit Können, sondern mehr mit Geschmack und Feeling zu tun?

Wittinger: Teils. Für die erste Platte von Extrawelt zum Beispiel muss man überhaupt kein Musiker sein, weil Minimal lebt ja davon, dass alle 30 Sekunden mal ein Tzz oder so dazu kommt. Allgemein kann man nach den Hörbeispielen vielleicht festhalten, dass sich innerhalb der elektronischen Welt zwei Lager auftun. Die einen haben überhaupt keinen Plan von Harmonien, Akkorden geschweige denn Instrumenten und die werden ihre Produktionen sehr technisch angehen. Die andere Fraktion hatte vielleicht sogar mal Klavierunterricht oder Gitarre gespielt und die produzieren dementsprechend auch musikalischer.