Noch nie zuvor waren so viele lokale Acts beim SEMF eingebunden wie in diesem Jahr. Wir stellen vier frische Künstler vor, die zeigen wie vielfältig die Stuttgarter Szene ist! Hier kommt Teil 2.

Stuttgart - Bei keinem Stuttgart Electronic Music Festival zuvor waren die Locals so stark vertreten wie bei der 2014er Ausgabe. Über 20 Stuttgarter Künstler repräsentieren den Klang der Stadt. Und der ist sehr facettenreich, wie schon die vier frischen Acts beweisen, die wir uns näher angeschaut haben.

Niklas Ibach: „Musik, die echt und authentisch ist, kommt immer von Herzen“
Man kann ihn als den Stuttgarter Newcomer des Jahres bezeichnen. Niklas Ibach hat 15.000 FB-Fans eingesammelt, seine Tracks, Edits und Remixe werden bis zu einer Million Mal angeklickt und gehen um den Globus. Einige Szenekenner prophezeien dem jungen Kerl für 2015 eine große Zukunft. Am Klavier ausgebildet, trifft Niklas mit seinen harmonisch, stimmigen wie mitunter lieblichen Kompositionen mitten ins Herz der streamenden Generation Neo-Boho-Hippie.

 

Du bist 2014 richtig durchgestartet.
Niklas: Musik hat für mich immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Den Grundstein für das, was ich heute tue, hat unter anderem eine vierzehnjährige Klavierausbildung gelegt. Zur elektronischen Musik bin ich etwa im Alter von 15 Jahren gekommen und ungefähr ein Jahr später habe ich mir das Auflegen dann selbst beigebracht. Angefangen zu produzieren habe ich mit 17.

Was hat dich in den jungen Jahren beeinflusst?
Niklas: Rückblickend kann ich sagen, dass mich die ersten Rocker33-Events maßgeblich beeinflusst haben. Damals war ich zwar noch nicht 18, aber ich habe es trotzdem geschafft, mich in eine Veranstaltung zu schleichen, bei der Karotte Headliner war. Seitdem habe ich einige Events organisiert, verschiedene musikalische Projekte umgesetzt und mich in puncto Musikproduktion oder DJing stetig weiterentwickelt. Für mich hat die Faszination der elektronischen Musik nie mehr nachgelassen.

Der Sound, den du vertrittst, hebt sich vom monotonem, minimalistischem Techno sehr ab und ist ziemlich harmoniefreudig. Um dieses Klangbild hinzubekommen, sollte man – wie du - ein Instrument beherrschen oder reicht ein gutes Gespür?
Niklas: Natürlich ist es von Vorteil ein Instrument zu beherrschen, um Klangbilder, Rhythmik, Harmonik oder Melodik besser verstehen und bewerten zu können. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man durch eine autodidaktische Herangehensweise in Verbindung mit einem Ohr beziehungsweise einem Gefühl für Harmonien zu dem gleichen Ergebnis kommen kann. Ich kenne einige Künstler, die kein Instrument spielen konnten oder können und beeindruckende musikalische Werke kreieren. Das ist auch einer der Aspekte, der die elektronische Musik so wunderbar macht.

Könnte man sagen, du triffst mit deinem Sound den Nerv der aktuellen Feiergeneration – also deiner Generation?
Niklas: Ich bin allgemein kein Freund von Kategorisierungen, weil das meiner Meinung nach das Entwicklungspotential einer Sache hemmt. Bestimmt trifft meine Musik irgendwie eine Art Zeitgeist, aber ich kann das nicht spezifizieren. Ich habe das Glück, dass meine Musik in verschiedenen Teilen der Welt gehört wird und die Zuhörerschaft sich nicht auf ein Land beschränkt. Somit kann ich auch schwer sagen, ob das meine Generation ist. Außerdem denke ich, dass meine Musik nicht nur das Interesse einer Feiergeneration widerspiegelt.

Warum seid ihr so lieblich und kuschelig? Ist das die logische Antwort nach einer Phase jahrelanger Rave-Härte?
Niklas: Lieblich und kuschelig ist an dem Punkt eine einfache Beschreibung. Das Melodien im Vordergrund von elektronischen Werken stehen ist ja bereits seit Horney von Mousse T (1998) oder dem Mückenschwarm von Oliver Kolektzki (2005) keine Besonderheit mehr. Der Titel wurde ebenfalls von Sven Väth gespielt und das zeigt ja, dass die Wahrnehmung einer jahrelangen Rave-Härte nicht zutrifft. Der Zugang zu melodienlastiger Musik ist wahrscheinlich alltagstauglicher, was wiederum eine größere Resonanz beschreiben könnte. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich live eher härter spiele und mit Melodien versuche, die Emotionen zu steigern. Hier macht die Verbindung zwischen alter Rave-Härte und neueren melodischen Stücken meine Vorliebe aus. Das Verschmelzen zwischen Alt und Neu zu etwas, was vorher nicht da war, ist für mich die Herausforderung.

#musikfürsherz lautet der Tag bei deinen Tracks auf Soundcloud - trifft es gut auf den Punkt, oder? Ist das dein Claim für deine Musik?
Niklas: Ich denke, dass Musik, die echt und authentisch ist, immer von Herzen kommt. Also im Umkehrschluss auch wiederum für eben diese Herzen ist, die sich mit dem musikalischen Ausdruck identifizieren. Für mich ist dieser Claim gleichbedeutend mit dem Anspruch beim Hörer positive Emotionen zu erzeugen.

Mitten ins Herz traf scheinbar dein Hungry-Remix, der mittlerweile über eine Million Plays auf Soundcloud hat.
Niklas: Das Original vom Holländer Dotan hat mir von Anfang an gefallen und ich konnte mir das akustische Stück gut in Verbindung mit einer elektronischen Ausrichtung vorstellen. Ich habe dann relativ schnell meine eigenen Melodien gefunden und dem ganzen eine housige Note gegeben. Außerdem habe ich die Stimme beschleunigt, um dem Stück etwas mehr Groove zu verleihen. Man kann sagen, dass der Track mir den letzten nötigen Schub gegeben hat, um meine gesamte Musik einem größeren Publikum präsentieren zu können.

Es gibt ein Zitat von einem Stuttgarter, der sagte: Du wirst nächstes Jahr karrieremäßig in anderen Sphären schweben. Was meinste dazu?
Niklas: Das habe ich schon öfter gehört, aber ich probiere mir über solche Aussagen keine Gedanken zu machen. Alles andere wäre Spekulation. Aktuell kümmere ich mich um mein Abitur und werde mich bis März definitiv auf die Schule fokussieren. Trotzdem ist Musik nach meiner Familie das wichtigste in meinem Leben.

Mehr Infos hier.

Seite 2: Alyne

Alyne: „Ich war schon immer ein Nachtmensch“

Alyne Reusch, als Künstlerin kurz Alyne, ist ein relativ neues Gesicht in der lokalen Szene – zumindest auf der DJ-Kanzel. Ansonsten ist sie ein echter Nachtmensch, hat als Barkeeperin gearbeitet, veranstaltet die Partyreihe „Attic“ und ist außerdem momentan mit der Planung des Kulturschiffs am Neckar beschäftigt.

Du bist neben Oliver Brünemann und Rainer Guist für das Kulturschiff verantwortlich. Wie geht es da voran?
Alyne: Es geht gut voran, mehr möchte ich im Moment noch nicht dazu sagen. Der Eröffnungstermin steht auch noch nicht fest.

Denkst du, das Kulturschiff kann auch dazu beitragen, dass der große Stuttgarter Wunsch von der Stadt am Fluss wenigstens teilweise Realität wird?
Alyne: Eines unserer zentralen Ziele ist es, die Stuttgarter wieder an ihren Fluss zu bringen. Wir denken, dass wir mit unserem Schiff ein Stückchen dazu beitragen können.

Vom Neckar in die Clubs: Wann und wie hast du das DJing entdeckt?
Alyne: Ich war schon immer ein Nachtmensch und schon sehr früh in vielen Clubs unterwegs. Musikalisch wurde ich sehr durch das KimTimJim geprägt, in dem ich als Barkeeperin gearbeitet habe. Zum Auflegen selbst bin ich vor allem durch Freunde gekommen, die schon sehr lange als DJs in Stuttgart tätig waren und immer noch sind. Zuerst habe ich für mich und auf Privatpartys aufgelegt und letztes Jahr im Juni hatte ich dann meinen ersten Gig bei den Electronic Buiscuits im Climax.

Wo kann man dich hören?
Alyne: Ich hatte bisher schon einige Gigs in dem ein oder anderen Club in Stuttgart und Umgebung, vor allem im Climax Institutes und im Zollamt, bei der Stereo Afterhour, oder im Contain’t und in verschiedenen Bars. Ganz besonders freue ich mich natürlich auf das SEMF. Es ist eine große Ehre für mich, bei diesem Event dabei zu sein.

Würdest Du deinen Stil eher mehr Richtung Lehmann, also härter und technoider, oder eher im deep-housigen Romantica verorten?
Alyne: Eher Richtung Bar Romantica. Mir gefällt die Mischung aus ausgeprägten Melodien, ein paar Vocals und warmen Basslines.

Es gibt den Spruch, dass Frauen mehr Gefühl haben bei ihrer Set-Gestaltung und Musikauswahl. Ist das aber doch nicht eher geschlechtsunabhängig: Entweder man kann´s oder eben nicht?
Alyne: Ich denke genau, wie du es sagst, es ist Geschlechtsunabhängig und man kann das nicht pauschalisieren.

Der Klassiker: Ist DJane ein Schimpfwort oder voll okay für dich?
Nein, DJane ist für mich kein Schimpfwort, genauso wenig wie Bäckerin oder Sängerin (lacht).

Ein Set von Alyne kann man sich hier anhören.