Der Z-Club wird abgerissen, das Rocker 33 verschwindet auch. Dass trotzdem immer irgendwo ein neues Club-Türchen aufgeht, beschreibt Martin Elbert in seiner Kolumne.

Stuttgart - Das SEMF-Festival ist ein absolutes Happening, das die Massen begeistert – mehrere Tausend Besucher werden erwartet. Wie steht es aber sonst so um die lokale Techno- und House-Szene? Und wie hat sie sich in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt? Martin Elbert aka DJ RAM erzählt's aus seiner ganz persönlichen Perspektive. Teil zwei.

 

2011 endet mit zwei traurigen Nachrichten: Der Z-Club beim Ufa-Palast wird nach Silvester abgerissen. Der Laden samt Biergarten steht der geplanten U12 im Weg. Weiterhin ist das Rocker 33 in der Bahndirektion nach dem Ausgang der Volksabstimmung nun endgültig angezählt, nachdem man 2005 dort eingezogen ist und zunächst übrigens auch nur ein temporäres Dasein geplant hat. Im Laufe des nächsten Jahres will die Bahn das Gebäude abreißen. Klingt zunächst etwas bitter, aber gerade im Nachtleben hat sich schon immer ein Sprichwort bewahrheitet: Irgendwo geht immer ein neues Türchen auf - auch wenn man es zunächst nicht glauben mag.

Konzeptionell haben beide Clubs wenig gemeinsam: Während der Z-Club vor allem DJ-Rookies eine wichtige Plattform gibt, gehen im Rocker seit Jahr und Tag namhafte Headliner ein und aus, seien es weltbekannte Indie-Electro-Acts wie Soulwax, Techno-Legenden wie Carl Cox, oder aktuelle Publikumslieblinge wie Loco Dice. Ohne Schubladendenken deckten die Rocker über die Jahre alle Sparten von elektronischer Musik ab und setzten mitunter auf mutige Bookings. Dazu später mehr. Trotzdem ist das Rocker kein reiner Techno- und House-Laden. Im Programm finden sich genauso große HipHop- oder Dancehall-Veranstaltungen.

Der Nachwuchs macht's mit Facebook

Das ist vielerorts so: Die Musik ist in vielerlei Spielarten von warmem House bis hartem Techno oder Rave zwar um einiges präsenter als in den 90ern, doch letztendlich gibt es aktuell in Stuttgart nur drei Clubs die das ganze Wochenende auf den Viervierteltakt setzen: Das Climax, die Finca und die Romy S. In der Techno-Höhle Toy schallt wiederum in der Samstagnacht Bläck, ehe am Sonntagmorgen ab 6 Uhr die Afterhour für alle Dauerläufer magnetisierend wirkt.

Im Lehmann im Bosch-Areal, der Nachfolger des Prags und damit auch dank neuer Heimat mit einer elektronischen Vergangenheit behaftet, führt unregelmäßig samstags das Erbe des Pragsattel fort. Wer auf kraftvollen, rohen Techno der Marke Umek, Cari Lekebusch oder DJ Rush steht, kommt hier bestens auf seine Kosten – wenn er sich denn im Vorfeld informiert. Im Zweifelsfall könnte man sonst eventuell auf einer Gay- oder Gothik Party landen. Watch out for flyers, sagte man früher. Auf der anderen Seite ist gerade in den vergangenen zwei, drei Jahren über Stuttgart eine Flut an jungen DJs hereingebrochen. Kein Wunder: die Technik hat sich ziemlich vereinfacht. Musste man sich einst erst mühselig eine Plattensammlung und zwei Plattenspieler und einen Mixer zu Übungszwecken zusammenkaufen, erobert die neue Generation, manchmal nur mit einem Laptop und Controller bewaffnet und mehreren Tausend Facebook-Fans im Nacken, die Clubs. Vor allem die Finca in der Lange Straße ist der Brutkasten schlechthin für die jungen DJs und hat Youngstars wie Waffel und Pfannkuchen oder die Crackpots hervorgebracht.

Ein Resident kennt seinen Laden am besten

Allgemein haben zumindest gefühlt die Locals wieder mehr Wertschätzung bekommen. Es ist eben eine der ältesten Weisheiten, dass die Residents ihren Laden am besten kennen. Zudem muss ein Club, gerade kleineren Ausmaßes, haushalten wie ein normaler Betrieb. Was bringt mir ein Gast-DJ? Lohnt sich das? Und rockt er die Party oder spielt er den Laden leer? Dann kann ich gleich meine eigenen Leute hinstellen.

In größeren Clubs wie etwa im erwähnten Rocker sind bekannte Headliner wiederum schon fast Pflicht für erfolgreiche Nächte. Die sicheren Bänke, wie eine Monika Kruse oder ein Karotte, sind aber rar geworden. Musikalische Leckerbissen, auch oftmals international sehr erfolgreich, werden gerne vom Publikum mal mehr mal weniger ignoriert. So besuchten bei Laurent Garnier im Mai, wohl einer der größten Techno-Helden aller Zeiten, weitaus weniger Gäste das Rocker als neulich bei Monika Kruse, definitiv eine gute Frau an den Decks. Bei ihr weiß der Raver eben, was er bekommt. Garnier hingegen ist bei der jungen Clubbern nicht präsent, weil er kaum in Deutschland und noch weniger in Stuttgart spielt. Das ist übrigens nur zum Teil ein Stuttgarter Problem, wie viele oft vermuten. Eher ist es ein deutsches. Auch ein Club wie das renommierte Robert Johnson hat damit zu kämpfen.

Die Szene in Stuttgart ist gesund

Nach dem Millenniumswechsel sah es aber definitiv etwas düsterer aus in Stuttgart. Da gab es ein öfters mehr schlecht als recht besuchtes Le Fonque, das erwähnte Prag und das dritte M1 im Bosch-Areal war freitags in harter Techno-Hand. Weiterhin fanden vereinzelte Partys im Inner Rhythm Club (heute Topas) oder Club Hi (heute Striplokal) statt, mitunter mit grandiosen Bookings – und manchmal war koi Sau da. Erst mit dem Wohlfahrt (später Play, heute ein Spielcasino), dem ersten Rocker im Mula beim Wittwer (heute ein Neubau) und dem aufkeimenden Electro-Hype kam wieder mehr Schwung in die Innenstadt. Zu echtem Kultstatus brachte es Mitte der Nullerjahre das Colibri, für mich und nicht wenige andere nach der Schließung 2007 (Neubau) einer der größten Verluste des vergangenen Jahrzehnts.

Alles in allem kann man die aktuelle Szene als gesund und vielfältig bezeichnen. Viele Nischen werden bedient, wenn teilweise auch nur unregelmäßig. Und vielleicht kann das am vergangenen Wochenende eröffnete KimTimJim über dem Waschmaschinen Möck eine weitere Lücke stopfen. Hier setzt man auf eher gefühlvolle Elektronik und hat für die nächsten Wochen Acts wie Stimming, Raz Ohara oder Morgan Geist verpflichtet. Das KimTimJim öffnet ausschließlich samstags. Am kommenden Samstag sind aber wohl die meisten Techno-Fans auf Semf gepolt.

Auf Facebook gibt es VIP-Tickets zu gewinnen!

Martin Elbert, der Autor unserer Kolumne "Techno mit Semf, bitte" ist langjähriger Autor im Bereich Nightlife, schreibt unter anderem für das Stadtmagazin LIFT und betreibt das Blog Kessel.TV. Am Wochenende ist er als DJ RAM aktiv. 

Hier geht es zur Festival-Homepage.

SEMF als Facebook-Event.

SEMF auf Twitter.

SEMF auf YouTube.

SEMF bei Flickr.

SEMF bei Soundcloud.