Guter Sound, gute Stimmung, gute Musik - schön war's aufm SEMF 2013. Und: Der Trend geht langsam weg von der Sonnenbrille und hin zur berühmten Anonymous-Vendetta-Maske.

Stuttgart - Der Trend geht langsam weg von der Sonnenbrille und hin zur berühmten Anonymous-Vendetta-Maske. Das könnte man vielleicht als kleines modisches Fazit ziehen. Ansonsten waren die 15.000 Besucher, so die offizielle Zahl der Veranstalter, vor allem eines: bunt. Muskulöse Männer mit winzigen Rucksäcken, verschiedene Tierkostüme (darunter natürlich auch Hasen, klar), massig Glowsticks und Ringe, die seit Jahrzehnten in der Szene beliebten Zelthosen, Tanktops wohin man schaut oder dünne Mädchen mit den immer noch angesagten Beanies – wie schon die Jahre zuvor ein variationsreiches Gesamtbild.

Das SEMF ist ein Massenspektakel und lockt die unterschiedlichsten Gäste an, darunter auch Menschen, die das ganze Jahr mit der Musik weniger am Hut haben. Der Ansturm ab 20 Uhr war riesig, schnell bildeten sich lange Schlangen am Eingang, vor der Schließfach-Verwaltung, den Getränkebonständen und freilich den Toiletten. Manches entspannte sich im Laufe der Nacht augenscheinlich, wie z.B. an manchen Bon-Ständen, dagegen blieb für einige Gäste die Toilettensituation und vor allem das Bon-Rückgabesystem morgens in der eisigen Kälte ein großes Ärgernis.

"Schon guter Sound hier"

 

Mit massig Lob wird wiederum auch nicht gespart, z.B. auf der Facebook-Page der Veranstaltung. Denn trotz jener Mängel hat man beim Betreten des Geländes schnell gemerkt, dass man nochmals gewachsen ist, durchdachter und strukturierter an die Sache herangeht. Große Schilder leiteten die Besucher durch die Hallen und zwischen den verschiedenen Stages hin und her. Die Aufteilung in zwei Hallen hat sich akustisch gelohnt und die Klangqualität wurde nochmals verbessert, wie ein Gast richtig bemerkt hat: „Schon guter Sound hier.“

Ein Wermutstropfen blieben da eben nur die langen Wege zwischen den Hallen. Dabei kreuzte man das Atrium, auf dem so gar nicht ravige Live-Musik der Marke Singer/Songwritung oder Action-Painting geboten wurde und ein entspannter Kontrast zu dem Alarm in den Hallen darstellte. Spätestens gegen Mitternacht waren alle vier Floors vollgepackt und bei Acts wie Lexy & K-Paul waren alle Hände in die Höhe angesagt oder hypnotische Begeisterung bei Maya Jane Coles. Die kleine, zierliche Person stand, eingeklemmt zwischen zwei riesigen Monitoring-Boxen, vor mehreren Tausend Gästen ihre Frau. Derweil donnerte nebenan harter Techno von Gary Beck und Len Faki.

„Sehr positive Stimmung auf allen Floors“

Booker Tome Aulicky zieht ein positives Fazit und sah eine „sehr positive Stimmung auf allen Floors“ und die neuen Bookings wie besagte Coles, Luciano und natürlich der alte Haudegen Westbam, wie immer mit Basecap und Joggingjacke, hätten sich bewährt. Letzterer hat auf Floor drei ein richtig gutes Set hingelegt, 30 Jahre DJ-Erfahrung merkt man dem Berliner Urgestein definitiv an. Wie natürlich seinem Zeitgenossen Sven Väth, bekanntlich auch nicht mehr der Jüngste. Der setzt zwischenzeitlich auf ein unprätentiöses Drahtgestell auf der Nase und nach wie vor konsequent auf das gute alte Vinyl - kein Laptop, keine CDs, kein Controller, kein USB-Stick - und ziemlich schrubbige Plattenauswahl, passend zur Urzeit (ab 3:30 Uhr). Nicht nur die Riesenpuppe Dundu, „der Star des Abends“, so Tome grinsend, tanzte sich schwitzig zum Frankfurter Altmeister. Im Anschluss an Väth griff Headliner Luciano auf den Tune „Finder“ vom Stuttgarter Produzent Ninetoes zurück, einer der vielen großen Momente des diesjährigen Festivals und Euphorie pur.

Von dieser Euphorie konnten sich nicht alle der 15.000 Gäste anstecken lassen. Schon gegen Mitternacht meinte ein Begleiter: „Jungs, wenn ihr ein paar Mädels sehen wollt, die überhaupt gar kein Bock haben und total frustriert sind, dann dreht euch jetzt um.“ Auf dem Boden vor den Schließfächern saßen vier, fünf Damen mit Mundwinkeln runtergezogen bis zum Erdkern. Und dabei haben sie sich noch extra Shirts gemacht, wie bei einem Junggesellenabschied. Vielleicht hofften sie ja auf David Guetta-Avicii-Style. Man kann es eben doch nicht immer allen recht machen.

Vielleicht dann im nächsten Jahr wieder. Die ersten Bookings für die SEMF 2014 sind optioniert, zuvor wartet aber im Sommer auf die Macher eine neue Herausforderung, wie Tome erzählt. „Wir haben trotz Muskelkater und Blasen auf den Füssen schon das nächste Festival im Kopf, heißt Songkran, ein komplett neues Konzept. Endlich soll sich auch ein Open Air Festival in Stuttgart etablieren.“ Also fast in Stuttgart und zwar in Böblingen, auf dem Festplatz Flugfeld. Die Werbetrommel für das Event am 28. Juni 2014 wurde am vergangen Samstag schon gerührt, Acts sind noch keine angekündigt. In Thailand feiert man mit dem das Songkran Festival traditionell das neue Jahr Mitte April.